Wirtschaftswoche Ausgabe vom 2013-11-11 (Vorschau)
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Politik&Weltwirtschaft<br />
nen Streit über generöse Rentenerhöhungen<br />
(wie Parteikollege Jens Spahn) oder<br />
künstliche Hüften für Senioren (wie JU-<br />
Chef Philipp Mißfelder) <strong>vom</strong> Zaun bräche.<br />
Konflikte versucht er in der Fraktion auszutragen.<br />
„Der Schlüssel, um hier ernst genommen<br />
zu werden, ist Sachkenntnis“, sagt<br />
Linnemann etwas umständlich. Er ist promovierter<br />
Volkswirt, und er war Assistent<br />
des verstorbenen Chefökonomen der<br />
Deutschen Bank, Norbert Walter. „Er hat<br />
sich eigentlich nie dran gestört, was sein<br />
69,9 Prozent<br />
der grünen Abgeordneten<br />
sind älter als 40 Jahre<br />
»<br />
nie: Von der Leyen ist Verfechterin der<br />
Frauenquote und der Lebensleistungsrente,<br />
durch die sie die Rente von Geringverdienern<br />
erhöhen will. Linnemann lehnt<br />
beides ab.<br />
„Eine Aufstockung der Rente für Geringverdiener<br />
würde das ganze Leistungsprinzip<br />
des Rentensystems infrage stellen“, sagt<br />
er. „Das wäre ein gefährlicher Systembruch.“<br />
Und teuer: Die Einführung der Lebensleistungsrente<br />
könnte die Rentenkassen<br />
bis 2030 mit rund zehn Milliarden Euro<br />
belasten. „Das wird mittelfristig zu Beitragssteigerungen<br />
führen, zulasten der jungen<br />
Generation“, kritisiert er.<br />
DEN JUNGEN ANS PORTEMONNAIE<br />
In der Runde gibt es deshalb Planspiele,<br />
den Beitragssatz gesetzlich einzufrieren.<br />
Zurzeit sind die Kassen voll, laut Gesetz<br />
müssen die Beiträge gesenkt werden, sobald<br />
die Finanzreserve das Eineinhalbfache<br />
der monatlichen Auszahlungen übersteigt.<br />
Bis zum Jahresende aber dürfte die<br />
Rücklage sogar 1,75 Monatsausgaben betragen.<br />
Greift die Koalition jetzt in die Kasse,<br />
zieht sie damit den Nachkommenden<br />
das Geld aus dem Portemonnaie. „In einer<br />
Carsten Linnemann, 36, CDU<br />
Der Paderborner wurde erst vor Kurzem<br />
zum neuen Vorsitzenden der Mittelstands-<br />
und Wirtschaftsvereinigung (MIT)<br />
der Union gewählt. Linnemann stammt<br />
aus einer Mittelständler-Familie, seine Eltern<br />
führen eine Buchhandlung. Als MIT-<br />
Chef ist der promovierte Volkswirt eine<br />
wichtige Kraft innerhalb des Wirtschaftsflügels<br />
der Union, der die vergangenen<br />
Jahre allerdings an Einfluss verloren hat.<br />
In den Koalitionsverhandlungen sitzt Linnemann<br />
in der Arbeitsgruppe Arbeit und<br />
Soziales – und kämpft gegen die von<br />
Ministerin von der Leyen befürwortete<br />
Lebensleistungsrente.<br />
großen Koalition muss man freilich immer<br />
Kompromisse finden. Aber die dürfen<br />
nicht so ausfallen, dass jüngere Generationen<br />
das Nachsehen haben“, sagt er.<br />
Doch es ist fraglich, ob sein Einwand Gehör<br />
findet. Der Einfluss der Arbeitsgruppen<br />
ist begrenzt, am Ende entscheidet die große<br />
Runde übers Geld. Und der typische<br />
Aufrührer ist der 36-jährige Paderborner<br />
sicher nicht. Damit würde man in Berlin<br />
auch nicht viel erreichen, verteidigt sich<br />
Linnemann. Unwahrscheinlich, dass er ei-<br />
Chef Josef Ackermann ihm gesagt hat“, erzählt<br />
er. „Das hat mich schon beeindruckt.“<br />
Auch Linnemann stellt sich gegen die,<br />
die in der Hierarchie über ihm stehen. Er<br />
ist zu liberal, zu sehr von der Ordnungspolitik<br />
geprägt, als dass er stets auf Parteilinie<br />
fahren könnte. Wenn man sich querstellt,<br />
müsse man schon dahinterstehen, sagt er.<br />
„Man muss es gut begründen können und<br />
bestens informiert sein.“ Als einer von 15<br />
schwarz-gelben Abgeordneten votierte<br />
Linnemann gegen den Euro-Rettungsschirm.<br />
Kanzleramtschef Ronald Pofalla<br />
bot ihm deswegen Nachhilfe an. Die<br />
Jungen Unternehmer hingegen verliehen<br />
ihm deshalb und wegen seiner Rentenkritik<br />
den „Preis für Generationengerechtigkeit“.<br />
Sie sehen in ihm eine Stimme für die<br />
Jungen.<br />
Eine Stimme, der bisher vielleicht das<br />
Mikrofon fehlte – und der Rückhalt? Doch<br />
das Netzwerk Linnemanns dürfte sich weiten.<br />
Der Vorsitz bei den Unions-Mittelständlern<br />
öffnet Türen, auf einmal steht er<br />
in Terminkalendern von Merkel und Bundesfinanzminister<br />
Wolfgang Schäuble.<br />
Schäuble allerdings ließ noch im Wahlkampf<br />
durchblicken, er denke nicht, dass<br />
in der Politik zu wenig für die Interessen<br />
des Nachwuchses getan werde. „Es gibt seit<br />
Langem einen Trend in der Politik und anderswo<br />
hin zu Verjüngung.“ Es fehlten ältere<br />
Abgeordnete auch jenseits der Rentengrenze.<br />
Besonders glücklich klang der<br />
71-jährige Minister nicht.<br />
n<br />
cordula.tutt@wiwo.de | Berlin,<br />
jacqueline goebel, max haerder<br />
FOTO: WERNER SCHUERING FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE<br />
26 Nr. 46 <strong>11</strong>.<strong>11</strong>.<strong>2013</strong> WirtschaftsWoche<br />
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