Wirtschaftswoche Ausgabe vom 2013-11-11 (Vorschau)
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
gration sehr oft keine Entscheidung fürs<br />
Leben mehr – und gerade gut ausgebildete<br />
Berufstätige wandern mit Leichtigkeit von<br />
einem Land ins andere und wieder zurück.<br />
Ohne Verständnis für dieses Phänomen,<br />
so Zimmermann, kommt die Politik zu<br />
Fehlentscheidungen. Ein krasses Beispiel<br />
war die Behandlung der türkischen Zuwanderer<br />
im Westdeutschland der Siebziger-<br />
und Achtzigerjahre. Denen machten<br />
Politiker und Ausländerämter klar, dass<br />
man sie eigentlich loswerden wollte; Anwerbestopp<br />
bedeutete, dass ein Umzug in<br />
die alte Heimat ausnahmslos den Abschied<br />
aus Deutschland für immer bedeutete –<br />
und das wollte in der Regel auch der arbeitslose<br />
Deutschtürke nicht. Im Ergebnis<br />
„sind die Türken hier geblieben, weil sie<br />
nicht zurück konnten, wenn sie einmal<br />
ausgereist waren“. Das Gleiche ist mit den<br />
mexikanischen Zuwanderern in den USA<br />
passiert: Das Verbot der Zirkularwanderung,<br />
mit der das Land den Zustrom über<br />
seine Südgrenze stoppen wollte, trieb vor<br />
allem die Arbeitslosenquote nach oben.<br />
Zirkularwanderung ist heute dagegen<br />
fast weltweit ein für alle Beteiligten positives<br />
Phänomen. In die ärmeren Länder des<br />
Nur wenige<br />
Zuwanderer<br />
bleiben dauerhaft<br />
in Deutschland<br />
Globus von Ecuador über Ägypten bis Indien<br />
fließt nach einer Berechnung der<br />
Weltbank durch Gastarbeiterüberweisungen<br />
insgesamt vier Mal so viel Geld wie<br />
durch Leistungen der Entwicklungshilfe.<br />
Von der Zirkularmigration gut ausgebildehörigkeit<br />
in Deutschland 2012 gesunken<br />
ist, ganz im Gegensatz zu anderen Ausländergruppen.<br />
Das liegt neben den vielen<br />
Einbürgerungen von Gastarbeiterenkeln<br />
an der für die Wirtschaft beider Länder oft<br />
nutzbringenden Rückwanderung an den<br />
Bosporus.<br />
Daneben, betont Zimmermann, bringt<br />
die Zirkularmigration aber auch ein großes<br />
Problem mit sich: Kein Land kann sich darauf<br />
verlassen, dass Zuwanderer, die man<br />
dringend braucht, im Land bleiben. Mancher<br />
indische Ingenieur in Deutschland<br />
wird sich immer wieder fragen, ob er nicht<br />
doch besser in einem Industrieland aufgehoben<br />
ist, dessen Sprache er schon in der<br />
Grundschule gelernt hat – und da kann<br />
Deutschland mit den USA oder Großbritannien<br />
nicht mithalten.<br />
Das Problem löst sich nicht einfach dadurch,<br />
dass qualifizierte junge Griechen,<br />
Spanier und Italiener der heimischen Wirtschaftsmisere<br />
Richtung Deutschland zu<br />
entkommen suchen. Das ist ein zeitlich begrenztes<br />
Phänomen, warnt Rainer Münz,<br />
früher Professor für Demografie an der<br />
Berliner Humboldt-Universität und heute<br />
Leiter der Forschungsabteilung der Ers-<br />
ter Arbeitskräfte profitieren die Zielländer<br />
auch nach der Rück- oder Weiterwanderung<br />
der Menschen. Das ist heute leicht in<br />
der Türkei zu besichtigen, wo viele remigrierte<br />
junge Deutschtürken (oder Türkeideutsche?)<br />
als Manager und Ingenieure<br />
zum Erfolg deutscher Auslandsinvestitionen<br />
beitragen. In diesem Zusammenhang<br />
ist nebenbei bezeichnend, dass die Zahl<br />
der Menschen mit türkischer Staatsange- »<br />
© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.