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Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation - Erfolgsfaktoren ...

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Zeitgeschichtliche Lektionen: <strong>Transformation</strong>en mittlerer Reichweite 3.5<br />

Typisch für die neuen Produktionsverfahren der<br />

Grünen Revolution waren der komplementäre und<br />

zeitlich genau abgestimmte Einsatz neu entwickelter<br />

hochertragreicher Getreidesorten (High-Yielding<br />

Varieties), verbesserter Bewässerungsmethoden, synthetischen<br />

Stickstoffdüngers sowie von Pestiziden und<br />

Herbiziden (Komplementarität der Inputs). Damit einher<br />

ging die Mechanisierung der Landwirtschaft (Traktoren,<br />

Mäh- und Dreschmaschinen, Pumpbewässerung<br />

mit Dieselmotoren). Die Verbreitung dieser neuen Produktionstechniken<br />

wurde durch Beratung (Agricultural<br />

Extension Services), Subventionierung von Produktionsmitteln<br />

und Bereitstellung von Krediten bzw. Einrichtung<br />

von Landwirtschaftsbanken und zahlreichen<br />

Filialen intensiv gefördert.<br />

Die „Rezepte“ der Grünen Revolution zur Steigerung<br />

der landwirtschaftlichen Erträge wurden in vielen<br />

Ländern Kernbestandteil der nationalen ländlichen<br />

Entwicklungsprogramme (Diffusion). Innerhalb weniger<br />

Jahre wurden weite Teile der Landwirtschaft in diesen<br />

Ländern revolutioniert (vom Nischenregime zum<br />

etablierten Regime). Dabei ist zu berücksichtigen, dass<br />

sich die Grüne Revolution vor den Konfliktlinien des<br />

Kalten Krieges entwickelte (Megatrends; Abb. 3.4-1):<br />

Aus Sicht der westlichen Industriestaaten galt es daher<br />

auch, <strong>eine</strong>r politischen Vereinnahmung der von Nahrungsmittelknappheit<br />

und Hunger bedrohten Entwicklungsländer<br />

durch den konkurrierenden sozialistischen<br />

„Ostblock“ entgegen zu wirken.<br />

Geographische und historische Einordnung<br />

In Asien (zunächst Indien, Philippinen) und Lateinamerika<br />

(zunächst Mexiko) hatte die Grüne Revolution<br />

<strong>eine</strong> erhebliche Steigerung der Flächenerträge bei<br />

Mais, Weizen und Reis bewirkt (Cleaver, 1972; Ruttan,<br />

1977; Chapman, 2002). Mexiko musste beispielsweise<br />

1946 noch die Hälfte s<strong>eine</strong>s Weizenbedarfs zukaufen<br />

und war infolge der Grünen Revolution schon 13 Jahre<br />

später unabhängig von Importen.<br />

Indien wurde ab den 1960er Jahren zum Paradebeispiel<br />

für die Grüne Revolution. Das Land hatte in der<br />

Vergangenheit immer wieder unter großen Hungerkatastrophen<br />

zu leiden und stand 1961 wieder am Rand<br />

<strong>eine</strong>r Nahrungskrise. Der Durchbruch kam ab 1961, als<br />

der damals in Mexiko forschende Norman Borlaug als<br />

Berater nach Indien eingeladen wurde. Die Ford Foundation<br />

und die indische Regierung förderten in den Folgejahren<br />

den Aufbau <strong>eine</strong>s groß angelegten Programms<br />

zur Steigerung der Flächenerträge bei Weizen und Reis,<br />

vor allem im Punjab. Das Programm war in dieser Hinsicht<br />

sehr erfolgreich: Die Grüne Revolution konnte die<br />

Flächenerträge bei Getreide erheblich steigern, heute<br />

ist Indien sogar <strong>eine</strong>s der wichtigsten Exportländer von<br />

Reis. Seit den 1980er Jahren ist die Grüne Revolution in<br />

Indien aber wegen der damit verbundenen sozialen und<br />

ökologischen Folgen zunehmend in die Kritik geraten,<br />

u. a. wegen der Versalzung der Böden durch unsachgemäße<br />

Bewässerung, von Kontamination aufgrund nicht<br />

fachgerecht eingesetzter Pflanzengifte sowie der Verstärkung<br />

sozialer und räumlicher Disparitäten (Oasa,<br />

1987; Bohle, 1989; Shiva, 1989, 1991; Conway und<br />

Barbier, 1990; Evenson und Gollin, 2003).<br />

Treiber und Innovationen<br />

In den 1950er und frühen 1960er Jahren wurde den<br />

Regierungen vieler Entwicklungsländer zunehmend<br />

klar, dass der steigende Nahrungsmittelbedarf durch<br />

das Bevölkerungswachstum absehbar zu Hungerkatastrophen<br />

bzw. zu enormen und teuren Importabhängigkeiten<br />

bei Nahrungsmitteln führen würde. Drastische<br />

Steigerungen der Agrarproduktion schienen daher<br />

dringend geboten. Die chronische Nahrungsmittelknappheit<br />

kann somit als Ausgangspunkt und Treiber<br />

der Grünen Revolution beschrieben werden.<br />

Konkret ermöglicht wurde die Grüne Revolution<br />

schließlich durch revolutionäre Züchtungserfolge bei<br />

Mais, Weizen und Reis. Unterstützt von der Rockefeller<br />

Foundation wurde das 1963 formal gegründete, aber<br />

faktisch bereits seit den 1940er Jahren bestehende<br />

International Maize and Wheat Improvement Center<br />

(CIMMYT) in Mexiko zum weltweit führenden Institut<br />

für die Entwicklung hochertragreicher Sorten von<br />

Mais und Weizen (Wright, 1984). Parallel dazu wurde<br />

die Entwicklung hochertragreicher Reissorten durch<br />

das 1960 gegründete International Rice Research Institut<br />

(IRRI) auf den Philippinen vorangetrieben. Das<br />

Institut wurde mit Hilfe der Ford Foundation und der<br />

Rockefeller Foundation errichtet (Cleaver, 1972). Der<br />

als geistiger Vater der Grünen Revolution geltende Norman<br />

Borlaug wurde für die bahnbrechende Bedeutung<br />

s<strong>eine</strong>r Züchtungserfolge 1970 mit dem Friedensnobelpreis<br />

geehrt.<br />

Zentrale Akteure und Faktoren<br />

Zentrale Akteure waren private US-amerikanische Stiftungen,<br />

welche die Forschungsbemühungen finanzierten.<br />

Allerdings war die Forschungsförderung auch im<br />

Kontext des Kalten Krieges <strong>eine</strong> geopolitische Strategie<br />

zur Stabilisierung von Ländern, die aus Sicht des<br />

Westens im Fall ausufernder Hungerkrisen „anfällig“<br />

für sozialistische Regierungssysteme bzw. Importe<br />

aus dem sozialistischen Lager hätten werden können<br />

(Dowie, 2001). In Ländern wie Indien, Mexiko und den<br />

Philippinen wurde die technologische Lösung zudem<br />

als willkommene Alternative zur Agrarreformdebatte<br />

angesehen, die ihrerseits häufig mit sozialistischen Vorstellungen<br />

verknüpft wurde (Ross, 1998). Die Grüne<br />

Revolution hatte somit <strong>eine</strong> klare macht- und interes-<br />

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