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Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation - Erfolgsfaktoren ...

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Wertewandel und Umweltbewusstsein 2.2<br />

Gesundheit<br />

80%<br />

Intakte Familie und Partnerschaft<br />

Sein Leben weitgehend selbst bestimmen<br />

Friedliches Zusammenleben mit anderen Menschen und<br />

soziales Engagement<br />

Schutz der Umwelt<br />

72%<br />

66%<br />

58%<br />

56%<br />

Geld und Besitz mehren<br />

12%<br />

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />

Abbildung 2.1-1<br />

Was den Bürgern für ihre Lebensqualität wichtig ist; Angaben zur Lebensqualität (in %, Mehrfachnennungen möglich) aus der<br />

repräsentativen Telefonumfrage (N = 1.001) des Emnid-Instituts im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung in Deutschland.<br />

Quelle: Bertelsmann-Stiftung, 2010<br />

[%]<br />

2.2<br />

Wertewandel und Umweltbewusstsein<br />

2.2.1<br />

Die Theorie des Wertewandels: Eine Erklärung<br />

der Zunahme postmaterieller Werthaltungen seit<br />

dem zweiten Weltkrieg<br />

Erklären lässt sich diese „stille Revolution“ (Inglehart,<br />

1977) – das allmähliche Vordringen von Werthaltungen,<br />

die sich u. a. an Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekten<br />

orientieren – mit <strong>eine</strong>r Theorie des Wertewandels<br />

(Inglehart, 1977, 1998), gemäß der vor allem nach<br />

dem zweiten Weltkrieg ein intergenerationelles Vordringen<br />

postmaterieller Einstellungen feststellbar ist.<br />

In der von Inglehart zugrunde gelegten Dichotomie<br />

wird den materiellen Bedürfnissen neben der Deckung<br />

physiologischer Bedürfnisse, auch das Streben nach<br />

wirtschaftlicher Stabilität und Wachstum, Preisstabilität<br />

wie nach „Ruhe und Ordnung“ in Staat und Gesellschaft<br />

zugeordnet – insgesamt also das Streben nach<br />

physischer Sicherheit (Inglehart, 1998). Zu den postmateriellen<br />

Bedürfnissen zählen demgegenüber Bereiche<br />

der Selbstverwirklichung, die im Ausleben geistiger,<br />

schöpferischer und ästhetischer Bedürfnisse liegen,<br />

ferner das Bedürfnis nach Mitwirkung in Staat und<br />

Gesellschaft sowie die Wertschätzung von Meinungsfreiheit<br />

und Toleranz. Beide Wertesphären sind, wie die<br />

internationale Debatte über den Wertewandel ergeben<br />

hat, k<strong>eine</strong> Gegensätze (Klages, 2001). Vielmehr sind sie<br />

auf <strong>eine</strong>m Kontinuum und in Richtung <strong>eine</strong>r Wertesynthese<br />

angeordnet. Der Wandel der Werte ist nämlich<br />

k<strong>eine</strong> unabhängige Entwicklung. Er korreliert mit <strong>eine</strong>m<br />

steigenden Einkommens- und Bildungsniveau der Postmaterialisten,<br />

denen es aufgrund ihrer materiellen Ausstattung<br />

und ihres Zeitbudgets möglich ist, freie Zeit<br />

mit Partnern, Familie und Freunden zu verbringen, sich<br />

der Muße und dem Genuss von Kunst und Kultur hinzugeben<br />

und sich in diesen Zusammenhängen als Personen<br />

anerkannt und wertgeschätzt zu fühlen. Konnte<br />

der postmaterielle Wertewandel in den Industriegesellschaften<br />

nach dem zweiten Weltkrieg zunächst nur<br />

hypothetisch formuliert werden, gelang es Inglehart et<br />

al. mit Hilfe der Daten des World Values Survey (WVS),<br />

die Theorie des Wertewandels empirisch zu fundieren<br />

(Inglehart, 2008; Kasten 2.2-1).<br />

Inglehart et al. konstatieren für die vergangenen 25<br />

Jahre <strong>eine</strong> globale, besonders in wohlhabenden und<br />

„sicheren” Gesellschaften wirksame, Verschiebungen<br />

vom Zwang (constraint) – also dem Vorhandensein und<br />

der Betonung von normativen Axiomen oder Sachzwängen<br />

– hin zur effektiven Ausweitung von Wahlmöglichkeiten,<br />

welche die individuelle Handlungsautonomie<br />

befördern und mit entsprechenden (postmateriellen)<br />

Werthaltungen in Zusammenhang stehen<br />

(Inglehart, 2008; Inglehart et al., 2008). Interessant<br />

im Hinblick auf <strong>eine</strong>n globalen <strong>Transformation</strong>sprozess<br />

ist, dass sich dieser Trend auf Basis der WVS-Daten<br />

nicht nur im „reichen Westen“ (Europas und Nordamerikas)<br />

beobachten lässt, sondern – wenn auch auf<br />

unterschiedlichem Niveau – in fünf unterschiedlichen<br />

Kulturräumen (konfuzianischer Kulturraum, protestantisches<br />

und katholisches Europa, angelsächsische<br />

sowie hispanische Welt; Inglehart et al., 2003; Welzel,<br />

2006). Damit ist nicht gesagt, dass bestimmte materielle<br />

Werte vollständig aus dem Wertebewusstsein der<br />

Menschen verschwinden bzw. bereits verschwunden<br />

sind und ebenso wenig, dass sie das konkrete Verhalten<br />

von Individuen und Gruppen nicht weiter bestimmen<br />

können; dargestellt wird vielmehr die Verschiebung auf<br />

<strong>eine</strong>m Kontinuum.<br />

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