Gesellschaftsvertrag für eine GroÃe Transformation - Erfolgsfaktoren ...
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Wo und wie Pioniere des Wandels bereits heute die <strong>Transformation</strong> gestalten 6.3<br />
Insel wächst, wie stark der Wind weht und wie lange<br />
die Sonne scheint. Der Erfolg des Projektes war k<strong>eine</strong>swegs<br />
vorhersehbar, weil es sich bei der Insel um <strong>eine</strong><br />
arme, ländlich geprägte Region handelte, deren Bewohner<br />
relativ wenig Interesse am Klimaschutz hatten. Es<br />
wurde ein Verein zur Umsetzung des Projektes gegründet,<br />
dessen Sprecher Sören Hermansen vom Time Magazine<br />
2008 zum „Helden der Umwelt“ ernannt wurde. Er<br />
gewann 450 der insgesamt 4.000 Inselbewohner dafür,<br />
sich an dem Projekt zu beteiligen. Das Klimaprojekt<br />
sieht vor, dass die Inselbewohner durch (erhebliche)<br />
Eigeninvestitionen Windräder und mit Stroh betriebene<br />
Heizkraftwerke finanzieren. Es wurden zehn Offshore-<br />
und elf Onshore-Windkraftanlagen, drei zentrale<br />
Stroh-Fernwärmekraftwerke (nur mit Inselstroh<br />
betrieben) und ein Solar/Holz-Fernwärmekraftwerk<br />
errichtet. Da diese Anlagen nicht Großkonzernen, sondern<br />
den Inselbewohnern gehören und neue Beschäftigungs-<br />
sowie Investitionsmöglichkeiten entstehen,<br />
verbleiben Einkommen und Gewinne auf Samsö. Hermansen<br />
gab als Erfolgsgeheimnis aus: „Man darf nichts<br />
von oben nach unten machen. Alles muss den Leuten<br />
gehören, es muss ihr Projekt werden.“ Vor dem Klimaprojekt<br />
brachten Schiffe Heizöl auf die Insel, der Strom<br />
kam per Kabel. Der CO 2 -Ausstoß lag bei elf Tonnen pro<br />
Kopf und Jahr. Bereits nach acht Jahren überstieg die<br />
Energieproduktion den lokalen Verbrauch, so dass die<br />
Insel mittlerweile zum Energieexporteur geworden ist.<br />
Allein der Autoverkehr auf der Insel produziert noch<br />
CO 2 und die Fähre zum Festland benötigt täglich 9.000<br />
Liter Diesel. Rechnerisch ist Samsös Energieproduktion<br />
aber CO 2 -frei, weil die Stromexporte die Ölimporte<br />
übersteigen. Geplant ist die Kopplung von Elektroautos<br />
mit der Stromerzeugung durch die Windräder, so dass<br />
die Batterien sich aufladen, wenn der Wind weht und<br />
bei Flaute Strom abgeben.<br />
Der Mitgründer der indischen Photovoltaikfirma<br />
Selco India, Harish Hande, ist ein Beispiel für <strong>eine</strong>n<br />
unternehmerisch tätigen Pionier des Wandels. Selco<br />
India verkauft kl<strong>eine</strong> Photovoltaikanlagen für Haushalte<br />
in den ländlichen Gebieten Indiens. Das Unternehmen<br />
zeichnet sich dadurch aus, dass es s<strong>eine</strong> Produkte<br />
ohne die Subventionen des Photovoltaikprogramms<br />
der indischen Regierung verkauft und zusätzlich Wartungsdienstleistungen<br />
anbietet. Die Unabhängigkeit<br />
von den Subventionen der indischen Regierung wird<br />
möglich, weil Hande den Verkauf der Solaranlagen mit<br />
der Möglichkeit zur Finanzierung des Kaufs über Mikrokredite<br />
koppelt. Bis jetzt hat Selco über 85.000 Haushalte<br />
in Indien mit auf Photovoltaikstrom basierenden<br />
Lichtquellen versorgt. Hande hat sein Geschäftsmodell<br />
als erster in Indien eingeführt und erfolgreich behauptet.<br />
Sein Konzept wird mittlerweile von verschiedenen<br />
multilateralen Organisationen finanziell unterstützt<br />
(UNEP, GEF) und hat <strong>eine</strong> Reihe von Nachahmern in<br />
Indien gefunden, die allerdings weniger erfolgreich<br />
waren als er. Die Firma Selco hat gezeigt, dass die Elektrifizierung<br />
des ländlichen Raums nicht notwendigerweise<br />
über direkte staatliche Subvention und staatliche<br />
Programme erfolgen muss. Diese Initiative hat weltweit<br />
die Diskussion über die verschiedenen Ansätze zur<br />
ländlichen Entwicklung in Gang gebracht. Hande ist für<br />
s<strong>eine</strong> Tätigkeit mehrfach ausgezeichnet worden, u. a. als<br />
Social Entrepreneur of the Year 2007 von der indischen<br />
Nand & Jeet Khemka Foundation.<br />
Beim Projekt „Desertec“ (Solarstrom aus der Sahara)<br />
handelt es sich um ein internationales Vorhaben, das<br />
<strong>eine</strong>n zentralen Baustein zur Umstellung der Energieversorgung<br />
in Europa auf erneuerbare Energieträger<br />
darstellen kann. Die Idee von Desertec besteht darin,<br />
in Gebieten mit besonders hoher Sonneneinstrahlung<br />
in wenig besiedelten Wüstenregionen solarthermische<br />
Kraftwerke mit geringem Ressourcenverbrauch<br />
und hohem Wirkungsgrad zu bauen und den daraus<br />
gewonnenen Strom an den jeweiligen Standorten für<br />
Entwicklung und Modernisierung zu nutzen sowie<br />
Überschüsse auszuführen. Durch Hochspannungs-<br />
Gleichstrom-Übertragung sollen nur geringe Übertragungsverluste<br />
entstehen. Konkretisiert wird die Idee<br />
in <strong>eine</strong>r Kooperation der südlichen und nördlichen<br />
Anrainer des Mittelmeeres, wobei der Solarstrom im<br />
europäischen Super Smart Grid mit Strom aus anderen<br />
erneuerbaren Energiequellen kombiniert werden kann.<br />
In den zumeist wenig entwickelten Erzeugerländern<br />
Nordafrikas, aber auch in Afrika südlich der Sahara<br />
kann das Projekt Arbeitsplätze schaffen und Einkommen<br />
generieren sowie langfristig die Möglichkeit <strong>eine</strong>r<br />
CO 2 -freien Meerwasserentsalzung und <strong>eine</strong> Verbesserung<br />
der industriellen und verkehrstechnischen Infrastruktur<br />
bieten. Erdacht wurde das Konzept von rund<br />
60 Privatpersonen, die zum Teil dem Umkreis des Club<br />
of Rome entstammten und 2003 die Trans-Mediterranean<br />
Renewable Energy Cooperation gründeten. 2008<br />
wurde daraus die Desertec Foundation, 2009 wurde<br />
die Desertec Industrial Initiative (DII GmbH) gegründet,<br />
ein Konsortium von Industrie- und Dienstleistungsunternehmen,<br />
das unterdessen Machbarkeitsstudien<br />
veranlasst hat. Zu den Gründungsmitgliedern<br />
der DII GmbH zählen außer der Münchener Rück die<br />
Deutsche Bank, Siemens, ABB, E.ON, RWE, Abengoa<br />
Solar, Cevital, HSH Nordbank, M+W Zander Holding,<br />
MAN Solar Millennium und Schott Solar. Funktionierende<br />
Pilotanlagen stehen in Spanien und weitere sind<br />
in Marokko, Algerien und Ägypten geplant. Obgleich<br />
das Projekt z. T. auch erhebliche Kritik auf sich zog,<br />
beispielsweise dass die Versorgungsunsicherheit im<br />
Fall <strong>eine</strong>r möglichen Kartellbildung oder aufgrund sich<br />
ändernder politischer Konstellationen in den Mahgreb-<br />
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