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Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation - Erfolgsfaktoren ...

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5 Gestaltung der <strong>Transformation</strong><br />

214<br />

schen Realitäten des 21. Jahrhunderts angemessenen<br />

gleichberechtigten Teilhabe der Entwicklungs- und<br />

Schwellenländer in der von den Siegermächten des<br />

zweiten Weltkriegs dominierten (und ursprünglich von<br />

nur 51 Staaten gegründeten) Weltorganisation (Bauer<br />

et al., 2011). Wie die Vielzahl mehr oder weniger kleinteiliger<br />

Reformanstrengungen im UN-System illustriert,<br />

scheint aber das internationale System unter diesen<br />

Umständen geradezu unreformierbar (Malloch-Brown,<br />

2008).<br />

Diese Bestandsaufnahme der strukturellen Probleme<br />

globalen Regierens stellt sich weniger pessimistisch<br />

dar, wenn man sie in der „longue durée“ des zivilisatorischen<br />

Prozesses betrachtet. Verglichen mit der<br />

Zeit des Völkerbunds oder der Gründung der Vereinten<br />

Nationen nach dem Zweiten Weltkrieg ist die Institutionalisierung<br />

internationaler Zusammenarbeit und die<br />

damit einhergehende Einhegung klassischer Machtpolitik<br />

zweifellos weit fortgeschritten (Kennedy, 2006;<br />

Müller, 2008). Der heutige Stellenwert internationaler<br />

Organisationen beruht ungeachtet all ihrer funktionalen<br />

Defizite auf <strong>eine</strong>r grundsätzlichen Einsicht in ihren<br />

Mehrwert und der daraus abgeleiteten Bereitschaft zur<br />

Delegation, wenn nicht zum Transfer nationalstaatlicher<br />

Souveränität, wie sie noch in der ersten Hälfte des<br />

20. Jahrhunderts kaum vorstellbar war. Die Evolution<br />

der Europäischen Union oder die quasi-supranationale<br />

Rolle internationaler Gerichtshöfe wie etwa des Internationalen<br />

Seegerichtshofs oder des Internationalen<br />

Strafgerichtshofs wären gleichsam undenkbar ohne die<br />

langfristig angelegte Verregelung und Verrechtlichung<br />

der unterschiedlichsten Politikfelder, vom Universalitätsanspruch<br />

der Allgem<strong>eine</strong>n Menschenrechte ganz zu<br />

schweigen.<br />

Auch die Staatstheoretiker und Philosophen des 17.<br />

und 18. Jahrhunderts waren mit ihren Ideen zur Nationenbildung,<br />

zu Gewaltenteilung, demokratischer Herrschaft<br />

oder <strong>eine</strong>m Völkervertragsrecht den politischen<br />

Realitäten und vermeintlichen Machbarkeiten des feudalen<br />

Zeitalters weit voraus (Kap. 3). Für den historischen<br />

Übergang von Feudalsystemen unterschiedlichen<br />

Typs zu demokratischeren Gesellschaftsformationen<br />

war es jedoch essenziell, auf die intellektuellen Vorarbeiten<br />

der Aufklärung aufbauen zu können (Kap. 3). So<br />

gelten etwa Immanuel Kants Überlegungen zum „Ewigen<br />

Frieden“ und <strong>eine</strong>r Weltbürgergesellschaft heute<br />

als wichtige Grundlagen des modernen Völkerrechts<br />

und internationaler Organisation (Rochester, 1986;<br />

Delbrück, 1998). Das Schlüsselproblem der angesichts<br />

des globalen Wandels abzusehenden weltpolitischen<br />

Erfordernisse liegt somit weniger in deren utopischem<br />

Charakter als in der Trägheit zivilisatorischer Prozesse,<br />

bzw. der Schwierigkeit, gesellschaftlichen Wandel zu<br />

steuern und zu beschleunigen (Sommer, 2011).<br />

5.3.5.3<br />

Zwischenfazit<br />

Das k<strong>eine</strong>swegs neue Kernproblem von Global Governance<br />

besteht darin, dass die Notwendigkeit globalen<br />

Regierens zur wirksamen Bearbeitung genuin globaler<br />

Probleme in der internationalen Politik inzwischen zwar<br />

weitgehend anerkannt ist, die strukturellen Grundlagen<br />

und die aus diesen resultierenden Handlungsanreize<br />

zwischenstaatlicher Zusammenarbeit <strong>eine</strong>m effektiven<br />

globalen Regieren aber weiterhin im Wege stehen. Vieles<br />

spricht daher dafür, dass das etablierte Grundmuster<br />

internationaler Politik – das Zusammenspiel der Nationalstaaten<br />

auf Grundlage souveräner nationaler Interessen,<br />

die entweder in langwierigen Verhandlungen<br />

auf kleinstem gemeinsamen Nenner ausbalanciert oder<br />

von den handlungsmächtigsten Akteuren gemäß ihrer<br />

Präferenzen durchgesetzt werden – ungeeignet ist, die<br />

Probleme <strong>eine</strong>r Weltgesellschaft von bald 9 Mrd. Menschen<br />

zu lösen, die durch ein nie gekanntes Niveau globaler<br />

Interdependenz und vielfältige globale Systemrisiken<br />

(einschließlich der hier skizzierten planetarischen<br />

Leitplanken; Kap. 1.1) charakterisiert ist.<br />

Das Streben nach wirksamer und legitimer globaler<br />

Steuerung bleibt angesichts dessen alternativlos: Die<br />

Welt braucht zwingend ein höheres Maß an internationaler<br />

Kooperation, wenn <strong>eine</strong> dauerhaft klima- und<br />

umweltverträgliche globale Entwicklung ermöglicht<br />

werden sollen.<br />

Erstens ist aus <strong>eine</strong>r funktionalistischen Perspektive<br />

heraus nicht ersichtlich, wie die interdependenten<br />

Menschheitsprobleme des 21. Jahrhunderts, die durch<br />

die Inkongruenz zwischen grenzüberschreitenden Problemkonstellationen,<br />

wie insbesondere des Klimawandels<br />

<strong>eine</strong>rseits und den geographisch begrenzten Reichweiten<br />

der Nationalstaaten andererseits, charakterisiert<br />

sind, überhaupt wirksam bearbeitet werden könnten<br />

ohne tradierte Souveränitätskonzepte zu Gunsten <strong>eine</strong>r<br />

Verdichtung internationaler Zusammenarbeit und globaler<br />

Ordnungspolitiken zu überwinden.<br />

Zweitens droht im Umkehrschluss ein Mangel an<br />

internationaler Kooperation in dem Maße <strong>eine</strong> kontraproduktive<br />

Konfliktdynamik anzutreiben, wie unbearbeitete<br />

Probleme zu Verteilungskonflikten und Schuldzuweisungen<br />

hinsichtlich der Ursachen und Wirkungen<br />

von Umweltschäden und des Klimawandels führen.<br />

Drittens ist internationale Kooperation dahingehend<br />

rational, dass sie die Kosten der Problemlösung senkt,<br />

bzw. Nicht-Kooperation die Kosten unnötig in die Höhe<br />

treibt. Dies gilt in besonderem Maße für die Zusammenarbeit<br />

bezüglich des Auf- und Umbaus der vom<br />

WBGU identifizierten <strong>Transformation</strong>sfelder (Energie,<br />

Urbanisierung, Landnutzung; Kap. 5.4.5).<br />

Viertens bedarf es internationaler Kooperation um<br />

politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Lernef-

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