Gesellschaftsvertrag für eine GroÃe Transformation - Erfolgsfaktoren ...
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Neue Staatlichkeit im Mehrebenensystem 5.4<br />
Stärkung der Informationspflichten gegenüber den Bürgern<br />
und der Informationsrechte der Bürger selbst sowie<br />
der Öffentlichkeitsbeteiligung und des Rechtsschutzes ausgeglichen<br />
werden.<br />
Haben sich die Innovationen in der Experimentierphase als<br />
prinzipielle Lösungsmöglichkeiten für das zugrunde liegende<br />
Problem erwiesen, sollte Politik in vielen Fällen auch ihre<br />
weitere Verbreitung unterstützen (scaling up; Kap. 3). Weitere<br />
politische Maßnahmen sind notwendig, da Nischeninnovationen<br />
trotz durchlaufener Entwicklungsprozesse innerhalb<br />
der Nische unter Umständen immer noch nicht kompatibel<br />
mit den Strukturen und der Nachfrage des etablierten soziotechnischen<br />
Regimes sind (Kap. 3).<br />
Viele Innovationen setzen sich nicht durch, weil sie<br />
nicht zu etablierten politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />
passen (Kap. 4). Sie erfordern Änderungen<br />
in etablierten Sichtweisen, Denkmustern und Routinen<br />
(Kap. 2, 3, 6). Dies betrifft zum Beispiel alternative Verkehrsmittel<br />
im Vergleich zum schnellen, großen mit fossilen<br />
Kraftstoffen betriebenen Autos mit Statussymbolfunktion<br />
(Kap. 4). Um auch in diesen Bereichen Änderungen voran zu<br />
treiben, kann Politik zentrale, handlungsmächtige Akteure in<br />
die Diskussion zu den Ergebnissen der Experimente einbinden<br />
und breite gesellschaftliche Debatten anstoßen. Ziel ist<br />
es, über die Diskussion von „Narrativen“ die Interpretationsrahmen<br />
etablierter Akteure zu verändern, politische wie<br />
gesellschaftliche Mehrheiten zu erhalten und auf die Vorteile<br />
<strong>eine</strong>r größeren Verbreitung der Innovationen aufmerksam zu<br />
machen.<br />
Die weitere Verbreitung kann durch die Förderung transformationsfreundlicher<br />
Akteure und die Schaffung transformationsfreundlicher<br />
Rahmenbedingungen unterstützt werden<br />
(Kap. 5.2, 6). Dazu gehören risikofreudige Investoren,<br />
innovative Unternehmen, kulturelle Normen und Werte, ein<br />
rechtlicher Rahmen sowie wissenschaftliche und technologische<br />
Kapazitäten (Kap. 2, 4.5, 5.4, 8).<br />
Schutzverstärkung durch ein Staatsziel<br />
„Klimaschutz“<br />
Verfassungsrechtlich kann die klimapolitische Verantwortung<br />
des Staates durch <strong>eine</strong> explizite Erwähnung<br />
im Grundgesetz hervorgehoben und der Klimaschutz<br />
dadurch gestärkt werden. Denkbar ist die Aufnahme<br />
<strong>eine</strong>s Staatsziels „Klimaschutz“ als Ergänzung von<br />
Art. 20a GG. Zwar benennt das dort formulierte Staatsziel<br />
„Umweltschutz“ die natürlichen Lebensgrundlagen<br />
als Schutzgut und erfasst damit bereits auch das<br />
Klima (Groß, 2009; Maunz und Dürig, 2010); gleichwohl<br />
würde die explizite Benennung des Klimaschutzes<br />
in Art. 20a GG dessen besondere Bedeutung und<br />
Verpflichtung des Staates hervorheben. Ein derartiges<br />
Staatsziel trägt dem Charakter des Klimas als Gemeinschaftsgut<br />
bzw. als überindividuellem Schutzgut Rechnung.<br />
Demgegenüber ist die verfassungsrechtliche Verankerung<br />
des Klimaschutzes als Grundrecht nicht ratsam,<br />
weil Grundrechte primär subjektive Abwehrrechte<br />
sind. Sie dienen damit dem Schutz der individuellen<br />
Sphäre, können aber k<strong>eine</strong>n überindividuellen Schutz<br />
gewähren (Maunz und Dürig, 2010), wie er jedoch im<br />
Fall des Klimaschutzes erforderlich ist.<br />
Staatszielbestimmungen geben Grundsätze und<br />
Richtlinien für das staatliche Handeln vor. Sie enthalten<br />
<strong>eine</strong> Wertentscheidung, die in den Entscheidungen<br />
der staatlichen Organe aktualisiert und konkretisiert<br />
werden muss (Maunz und Dürig, 2010). Daher würden<br />
durch <strong>eine</strong> Staatszielbestimmung „Klimaschutz“<br />
der Staat und s<strong>eine</strong> Organe zu <strong>eine</strong>r aktiven und sachgerechten<br />
Klimaschutzpolitik verpflichtet, wobei ihnen<br />
jedoch ein breiter Entscheidungsspielraum verbliebe.<br />
Ein konkretes staatliches Handeln kann daher auf der<br />
Grundlage der Staatszielbestimmung nicht verlangt<br />
werden. Vielmehr ist zunächst und zuvörderst der<br />
Gesetzgeber zur wirkungsvollen Umsetzung der Staatszielbestimmung<br />
angehalten; hierzu muss er den Klimaschutz<br />
bei s<strong>eine</strong>n Entscheidungen berücksichtigen<br />
(sogenannte Berücksichtigungspflicht; Groß, 2009).<br />
Die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung nehmen<br />
die verfassungsrechtliche Verantwortung für<br />
den Umweltschutz wahr, indem sie die vorhandenen,<br />
vom Gesetzgeber als Konkretisierung des Staatsziels<br />
geschaffenen Regelungen klimafreundlich auslegen.<br />
Sie könnten so insbesondere Beurteilungs- und Ermessensspielräume<br />
für die Durchsetzung klimafreundlicher<br />
Lösungen nutzen (Groß, 2009).<br />
Einführung <strong>eine</strong>s Klimaschutzgesetzes<br />
Das Staatsziel Klimaschutz sollte auf einfachgesetzlicher<br />
Ebene durch ein Klimaschutzgesetz konkretisiert<br />
werden. Das Kernelement des Klimaschutzgesetzes ist<br />
die Festlegung rechtsverbindlicher Klimaschutzziele.<br />
Daneben sollten begleitende Ziele für den Anteil der<br />
erneuerbaren Energien am Primärenergieverbrauch,<br />
Energieverbrauchsminderungsziele und Energieeffizienzsteigerungsraten<br />
festgelegt werden (UBA, 2011).<br />
Weiterhin sollte das Klimaschutzgesetz <strong>eine</strong> Verpflichtung<br />
zum Erhalt terrestrischer Kohlenstoffspeicher enthalten<br />
sowie Maßnahmen zur Senkung der Treibhausgasemissionen<br />
aus der Landwirtschaft regeln. Auch die<br />
Minderung von Emissionen klimaschädlicher Industriegase<br />
sollte festgelegt werden.<br />
Als Orientierung für die quantitative Ausgestaltung<br />
der Verpflichtungen im Klimaschutzgesetz könnte der<br />
vom WBGU vorgeschlagene Budgetansatz (WBGU,<br />
2009b) herangezogen werden (Kap. 7.3.9). Zu trennen<br />
ist dabei zwischen der aus internationalen Gerechtigkeitsüberlegungen<br />
insgesamt von Deutschland zu<br />
erbringenden Leistung und der national durchzuführenden<br />
Emissionsminderung. Deutschland sollte in <strong>eine</strong>m<br />
Klimaschutzgesetz die vollständige Dekarbonisierung<br />
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