Gesellschaftsvertrag für eine GroÃe Transformation - Erfolgsfaktoren ...
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1 Welt im Wandel<br />
42<br />
die Weiterentwicklung der Nutzpflanzen zur Sicherung<br />
der Welternährung oder für die Medizin- und Technikforschung<br />
unverzichtbar sind (WBGU, 2000a; Chivian<br />
und Bernstein, 2008).<br />
Da biologische Vielfalt und Ökosystemleistungen<br />
den Charakter öffentlicher Güter haben, die nicht auf<br />
Märkten gehandelt werden und denen k<strong>eine</strong> Preise<br />
zugeordnet sind, wird ihre Bedeutung im Wirtschaftssystem<br />
massiv unterschätzt (Sukhdev, 2008; TEEB,<br />
2010). Dementsprechend werden natürliche Ökosysteme<br />
und ihre Vielfalt an Arten und Genen immer weiter<br />
degradiert und zerstört, so dass die biologische Vielfalt<br />
in diesem Jahrhundert wahrscheinlich deutlich abnehmen<br />
wird (Pereira et al., 2010). Es droht die 6. Auslöschung<br />
von Arten in der Erdgeschichte, die irreversibel<br />
ist und diesmal von der Menschheit verursacht wird<br />
(Leakey und Lewin, 1996; Chapin III et al., 2000). Dieses<br />
neue Massensterben kann nur noch vermieden werden,<br />
wenn die als bedroht eingestuften Arten geschützt<br />
werden (Barnosky et al., 2011).<br />
Mit dem Verschwinden von Arten und Genen werden<br />
die verbliebenen Ökosysteme anfälliger für Störungen<br />
(Suding et al., 2008). Neben den erwähnten großflächigen<br />
Landnutzungsänderungen sind der Klimawandel<br />
(Kap. 1.1.1), die erhebliche Verstärkung der Nährstoffkreisläufe<br />
(Kap. 1.1.5) und die weltweite Verschleppung<br />
von Arten durch den zunehmenden interkontinentalen<br />
Verkehr (Abb. 1-3b) weitere globale Störungen,<br />
die seit der Industrialisierung stark zugenommen<br />
haben und die Ökosysteme zunehmend belasten. Allein<br />
durch <strong>eine</strong>n ungebremsten Klimawandel droht der<br />
unwiederbringliche Verlust von 20–30 % der Tier- und<br />
Pflanzenarten (IPCC, 2007b). Damit steigt das Risiko<br />
plötzlicher, nichtlinearer und schwer prognostizierbarer<br />
Veränderungen der jeweils bestehenden Ökosystemzustände<br />
(Scheffer et al., 2001; Hastings und Wysham,<br />
2010). Sogar Ökosystemgefüge kontinentalen Ausmaßes<br />
und großflächige Meeres regionen können davon<br />
betroffen sein (Scheffer, 2009; z. B. Zusammenbruch<br />
der Kabeljau-Bestände im Seegebiet vor Neufundland:<br />
Hutchings und Myers, 1994; Amazonasregion: WBGU,<br />
2008). Die Fähigkeit des Planeten, die Lebensgrundlage<br />
für künftige Generationen bereitzustellen, kann also<br />
nicht länger als selbstverständlich gelten (MA, 2005d).<br />
Wie auch beim Klimawandel ist die rechtzeitige Vermeidung<br />
oder zumindest Begrenzung des Problems<br />
volkswirtschaftlich erheblich rentabler als <strong>eine</strong> spätere<br />
Reparatur von Schäden (TEEB, 2010; Tab. 1.1-1).<br />
Eine planetarische Leitplanke für den Verlust biologischer<br />
Vielfalt ist wegen der Vielfalt der Arten, ihrer<br />
extrem unterschiedlichen Bedeutung für das Funktionieren<br />
der Ökosysteme sowie wegen der riesigen Wissenslücken<br />
besonders schwer zu definieren. Da Schutzgebiete<br />
<strong>eine</strong>s der wichtigsten Instrumente für die Erhaltung<br />
von biologischer Vielfalt und Ökosystemleistungen<br />
sind, eignen sie sich als grober Indikator für den<br />
Schutz der Biosphäre. Der WBGU (2006) hat folgende<br />
Leitplanke vorgeschlagen: 10–20 % der weltweiten Fläche<br />
terrestrischer Ökosysteme sowie 20–30 % der Fläche<br />
mariner Ökosysteme sollten für ein globales, ökologisch<br />
repräsentatives und effektiv betriebenes Schutzgebietssystem<br />
ausgewiesen werden. Die CBD hat sich<br />
auf der Vertragsstaatenkonferenz in Nagoya zum Ziel<br />
gesetzt, bis 2020 die Schutzflächen an Land auf 17 %<br />
und im marinen Bereich auf 10 % zu steigern (CBD,<br />
2010a). Formal stehen zwar bereits etwa 12 % der globalen<br />
Landfläche unter Schutz (BIP, 2010), allerdings<br />
sind die bestehenden Schutzgebietssysteme weder ausreichend<br />
repräsentativ, noch gut genug geplant, finanziert<br />
oder geführt (CBD, 2004). Zudem könnte selbst<br />
ein gut funktionierendes Schutzgebietssystem den Verlust<br />
der biologischen Vielfalt allein nicht stoppen. Die<br />
nachhaltige Landnutzung in der bewirtschafteten Fläche,<br />
die Vernetzung der Schutzgebiete mit der umliegenden<br />
Landschaft sowie <strong>eine</strong> Begrenzung des Klimawandels<br />
und der Ozeanversauerung müssen hinzukommen.<br />
Rockström et al. (2009a, b) orientieren sich mit<br />
ihrer planetarischen Grenze an der Aussterberate von<br />
Arten und halten <strong>eine</strong> Verzehnfachung der natürlichen<br />
Rate des Artensterbens für <strong>eine</strong> Grenze, jenseits<br />
derer unerwünschte großskalige Systemveränderungen<br />
nicht ausgeschlossen werden können. Die heutige Aussterberate<br />
der Tier- und Pflanzenarten ist aber bereits<br />
100–1.000mal größer als im Mittel der Erdgeschichte<br />
und wird sich weiter erhöhen (MA, 2005b), so dass sich<br />
die Menschheit bei diesem Parameter also bereits tief in<br />
der Gefahrenzone befindet (Rockström et al., 2009b).<br />
Die Biodiversitätskonvention (Convention on<br />
Biological Diversity, CBD) gilt als das wichtigste internationale<br />
Vertragswerk zur biologischen Vielfalt. Daneben<br />
gibt es weitere, auf bestimmte Aspekte der biologischen<br />
Vielfalt spezialisierte Abkommen. Seit 1993<br />
arbeitet die CBD daran, mit Hilfe von Arbeitsprogrammen,<br />
Standardsetzungen und Finanzierungen für Entwicklungsländer<br />
die Umsetzung der vereinbarten Ziele<br />
in den Vertragsstaaten zu verbessern. Das Ziel der<br />
Weltgemeinschaft, bis 2010 <strong>eine</strong>n signifikanten Rückgang<br />
der Verlustrate der biologischen Vielfalt zu erreichen,<br />
wurde verfehlt: Die Verlustrate hat sich seither<br />
sogar beschleunigt. Von den 21 vereinbarten Unterzielen<br />
wurde k<strong>eine</strong>s erreicht und nur bei vier Unterzielen<br />
gab es signifikanten Fortschritt. Von den dazu<br />
gehörigen 15 Indikatoren weisen zwei aufwärts, drei<br />
zeigen k<strong>eine</strong>n klaren Trend und elf deuten auf <strong>eine</strong><br />
weitere Verschlechterung der Situation (CBD, 2010b).<br />
Modellierungen zeigen, dass sich ohne neue Politikansätze<br />
der Verlust biologischer Vielfalt weiter fortsetzen