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Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation - Erfolgsfaktoren ...

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Das Konzept der Change Agents – Pioniere des Wandels: Definition, Typologie und Rollen 6.2<br />

ber des Wandels in Erscheinung, die über ausreichend<br />

Macht, Ressourcen, Kreativität sowie Innovations- und<br />

Reformbereitschaft verfügen, um etablierte Blockadekräfte<br />

zu überwinden. Die Geschwindigkeit <strong>eine</strong>r <strong>Transformation</strong><br />

(oder ob sie überhaupt gelingen kann) hängt<br />

wesentlich davon ab, dass beteiligte Akteure existierende<br />

Gelegenheitsstrukturen zu nutzen wissen.<br />

Die Untersuchung gegenwärtiger und historischer<br />

Transitions- bzw. <strong>Transformation</strong>sprozesse macht aber<br />

auch deutlich, dass Akteure nicht nur von sich öffnenden<br />

Gelegenheitsfenstern profitieren können, sondern<br />

sie häufig selbst auch aktiv daran beteiligt sind, diese<br />

aufzustoßen (Grin et al., 2010). Strategische Gruppen<br />

und Allianzen fungieren dabei als Rollenmodelle und<br />

Trendsetter; so verschaffen sie isolierten Innovationsimpulsen<br />

<strong>eine</strong> „kulturelle Hegemonie“. Aus der Diffusions-<br />

und Transitionsforschung ist bekannt, dass<br />

„Change Agents“ – so werden hier strategische Akteure<br />

definiert, die als (z. T. unerkannte) Pioniere beim sozialen<br />

Wandel vorangehen und ein Bewusstsein s<strong>eine</strong>r<br />

Chancen verbreiten – bei der Einführung neuer Technologien<br />

und Ideen <strong>eine</strong> zentrale Bedeutung zukommt<br />

(Rogers, 2003; Grin et al., 2010; Kristof, 2010). Die<br />

Rolle von „Change Agents“ bei der Initiierung und<br />

Gestaltung von Veränderungsprozessen ist in verschiedenen<br />

Disziplinen der Diffusions- und Innovationsforschung<br />

untersucht worden (darunter Betriebswirtschaftslehre,<br />

Soziologie und Psychologie). Die diesem<br />

Ansatz zugrunde liegende Idee lässt sich wie folgt<br />

zusammenfassen: „Change Agents haben <strong>eine</strong> überzeugende<br />

Veränderungsidee und <strong>eine</strong> erste Idee für deren<br />

Umsetzung. Sie vernetzen sich und gewinnen wichtige<br />

Mitstreiter. So schaffen sie es, die kritische Masse<br />

für die Veränderung zu gewinnen. Danach entwickeln<br />

sie die Idee in Schritten gemeinsam weiter. Die Veränderung<br />

von Routinen, der Rahmenbedingungen, die<br />

Bildung neuer Institutionen, ein Paradigmenwechsel<br />

schließen den Prozess ab.“ (Kristof, 2010).<br />

„Change Agents“, im Folgenden als Pioniere des<br />

Wandels bezeichnet, setzen sich für bestimmte Veränderungen<br />

ein und treiben diese aktiv voran. Meistens<br />

handelt es sich dabei zunächst um einzelne Personen<br />

und kl<strong>eine</strong> Gruppen (Kristof, 2010). Sie verbreten<br />

Innovationen, indem sie <strong>eine</strong> Politik des „Weiterso-wie-bisher“<br />

hinterfragen, <strong>eine</strong> alternative Praxis<br />

schaffen und somit etablierte Weltbilder und Pfade in<br />

Frage stellen, Einstellungs- und Verhaltensmuster herausfordern<br />

sowie bei neuen Gleichgesinnten (followers,<br />

early adopters) <strong>eine</strong> dauerhafte Motivation zum selbst<br />

tragenden Wandel schaffen. Langfristorientierung und<br />

die Überwindung von Verlust- und Risikoaversionen<br />

sind hierbei typisch. Pioniere des Wandels bewirken<br />

demnach nicht nur punktuell, also in ihrem eigenen<br />

Erfahrungsbereich Veränderungen, sondern stoßen<br />

vergleichsweise großflächige <strong>Transformation</strong>sprozesse<br />

dezentral und „von unten“ an. Sie finden Nachahmer<br />

und animieren andere zur Veränderung ihrer Verhaltenspraxis.<br />

Schematisch kann man <strong>eine</strong>r Blockadesituation, die<br />

von <strong>eine</strong>r Politik des „Weiter-so-wie-bisher“ beherrscht<br />

ist, somit ein Innovationsszenario gegenüberstellen<br />

(Tab. 6.2-1). Auf der Ebene individueller Interessen<br />

würden anstelle von Vetospielern Pioniere des Wandels<br />

im eben beschriebenen Sinne agieren. Auf der Ebene<br />

von Einstellungen und Dispositionen würde k<strong>eine</strong> Verlustaversion,<br />

sondern Aufbruchstimmung herrschen.<br />

Auf <strong>eine</strong>r übergeordneten symbolischen oder Rahmungsebene<br />

wären Kulturen der Innovation anstelle<br />

von Kulturbarrieren tonangebend.<br />

Im Folgenden werden Pioniere des Wandels identifiziert,<br />

nicht nur einzelne Personen, sondern auch Organisationen<br />

und Gruppen, welche die in diesem Gutachten<br />

skizzierte <strong>Transformation</strong> tragen und befördern<br />

können. Hierzu werden in Fallbeispielen und Synthesen<br />

vor allem solche Pioniere des Wandels behandelt,<br />

die Veränderungsprozesse vorantreiben und laufende<br />

sozio-technologische Veränderungen, Gesetzgebung<br />

und Marktgeschehen als Konsumenten, Unternehmer<br />

und Investoren, als Bürger, Verwaltungspersonal und<br />

Politiker untermauern und gestalten. Aussagen, die<br />

man dazu machen kann, sind notwendigerweise vorläufig<br />

und tentativ. Sie können Erkenntnisse aus der<br />

Diffusions- und Transitionsforschung heranziehen.<br />

Basierend auf Studien aus dem Veränderungsmanagement<br />

(change management) bzw. der Organisationsentwicklung<br />

(Reiß, 1997; Hauschildt, 1997; Bach, 2000)<br />

hat Kristof (2010) ein „Promotorenmodell“ entwickelt,<br />

das Rollen, Kompetenzen und Hauptaufgaben von<br />

Tabelle 6.2-1<br />

Innovationsdynamik und -diffusion auf drei Ebenen.<br />

Quelle: WBGU<br />

Soziale Ebene Weiter-so-wie-bisher Innovation Analyseebene<br />

Mikro Vetospieler Pioniere des Wandels Interessen<br />

Meso Verlustaversionen Aufbruchstimmung Emotionen, Dispositionen<br />

Makro Kulturbarrieren Innovationskulturen Symbolebene, Rahmen<br />

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