Gesellschaftsvertrag für eine GroÃe Transformation - Erfolgsfaktoren ...
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Megatrends des Erdsystems 1.1<br />
Kasten 1.1-2<br />
Ozeanversauerung<br />
CO 2 -Emissionen führen nicht nur zum Klimawandel, sondern<br />
beeinflussen auch direkt die Meereschemie. Die anthropogenen<br />
CO 2 -Emissionen wurden bisher zu etwa <strong>eine</strong>m Drittel von<br />
den Ozeanen aufgenommen, bilden im Meerwasser Kohlensäure<br />
und führen zu <strong>eine</strong>r messbaren Versauerung (The Royal<br />
Society, 2005). Dadurch ist die Konzentration der Wasserstoffionen<br />
bereits um ca. 30 % gestiegen, was <strong>eine</strong>r Absenkung<br />
des pH-Werts um etwa 0,11 Einheiten gegenüber dem vorindustriellen<br />
Niveau entspricht (WBGU, 2006). Die Geschwindigkeit<br />
der Versauerung ist mindestens hundertmal schneller<br />
als jemals in den letzten 20 Mio. Jahren zuvor (Rockström et<br />
al., 2009b). Die Tatsache, dass der atmosphärische CO 2 -Gehalt<br />
in früheren erdgeschichtlichen Perioden bereits höher war, ist<br />
kein Gegenargument, denn die Gefahr der Versauerung rührt<br />
insbesondere von der hohen Geschwindigkeit der CO 2 -Zunahme,<br />
was sie von natürlichen Pufferungsprozessen entkoppelt<br />
(WBGU, 2006).<br />
Eine ungebremste Fortsetzung dieses Trends würde zu<br />
<strong>eine</strong>r Meeresversauerung führen, die in den letzten Jahrmillionen<br />
ohne Beispiel und über Jahrtausende unumkehrbar<br />
ist. Die Versauerung behindert das Wachstum kalkbildender<br />
Organismen (z. B. Korallen, Muscheln, Schnecken und<br />
bestimmte Planktongruppen), führt zum Verlust biologischer<br />
Vielfalt, kann anoxische Todeszonen in den Ozeanen erzeugen<br />
(Hofmann und Schellnhuber, 2009), verändert die biogeochemische<br />
Dynamik im Meerwasser (z. B. von Kalk, organischem<br />
Kohlenstoff, Stickstoff und Phosphor; Doney et al., 2009) und<br />
stellt insgesamt <strong>eine</strong> existenzielle Gefährdung mariner Ökosysteme<br />
dar (z. B. Korallenriffe; Hoegh-Guldberg et al., 2009).<br />
Diese fundamentalen Veränderungen könnten weitreichende<br />
Folgen für die Millionen von Menschen haben, die direkt oder<br />
indirekt vom Ozean abhängen (Doney et al., 2009).<br />
Vom WBGU wurde folgende Leitplanke vorgeschlagen:<br />
Der pH-Wert der obersten Meeresschicht sollte in k<strong>eine</strong>m<br />
größeren Ozeangebiet um mehr als 0,2 Einheiten gegenüber<br />
dem vorindustriellen Wert absinken (WBGU, 2006).<br />
Rockström et al. (2009a, b) wählen <strong>eine</strong>n anderen Indikator<br />
und schlagen vor, dass die Kalksättigung (von Aragonit) mindestens<br />
80 % des vorindustriellen Werts Ω = 3,44 betragen<br />
soll, so dass die oberflächennahen Wasserschichten nicht<br />
untersättigt werden und die meisten Korallensysteme lebensfähig<br />
bleiben. Die Versauerungsproblematik all<strong>eine</strong> ist Grund<br />
genug, die CO 2 -Emissionen zu begrenzen. Es sollte daher von<br />
der Klimapolitik sichergestellt werden, dass die anthropogenen<br />
CO 2 -Emissionen unabhängig von der Reduktion anderer<br />
Treibhausgasemissionen ausreichend begrenzt werden. Diese<br />
Sonderrolle von CO 2 wird in den Verhandlungen der UNFCCC<br />
noch nicht ausreichend berücksichtigt.<br />
durch einige Vorfestlegungen erleichtern dürfte, die<br />
wichtige Frage der zukünftigen Emissionsminderungen<br />
aber weitgehend ausklammert.<br />
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Konvention<br />
und ihre Beschlüsse zum gegenwärtigen Zeitpunkt<br />
zwar <strong>eine</strong> vom Anspruchsniveau her angemessene Zielsetzung<br />
bieten, die aber auf abstrakter Ebene verharrt<br />
und nicht mit geeigneten Konkretisierungen unterlegt<br />
ist. Nichts deutet derzeit darauf hin, dass die von den<br />
Staaten selbst geplanten und an die Konvention berichteten<br />
Klimaschutzmaßnahmen und -ziele in der Summe<br />
ausreichen, <strong>eine</strong> Klimaerwärmung von mehr als 2 °C zu<br />
vermeiden. Ein bindendes Abkommen, das die Staaten<br />
zu angemessenen Plänen verpflichten würde, scheint<br />
nicht in Sicht.<br />
1.1.2<br />
Verlust von Ökosystemleistungen und<br />
biologischer Vielfalt<br />
Auch in der Biosphäre hat der Mensch dramatische<br />
Änderungen bewirkt. Mit zunehmender Geschwindigkeit<br />
werden Wälder, Savannen und Grasland für die<br />
Landwirtschaft gerodet. Global zeigen mehr als drei<br />
Viertel der eisfreien Fläche Anzeichen <strong>eine</strong>r vom Menschen<br />
verursachten Veränderung und etwa ein Drittel<br />
der Fläche ist landwirtschaftlich genutzt, mit steigender<br />
Tendenz (Ellis und Ramankutty, 2008; Ramankutty et<br />
al., 2008). Eine wachsende Weltbevölkerung mit wachsenden<br />
Ansprüchen (z. B. Konsum tierischer Produkte),<br />
<strong>eine</strong> gesteigerte Produktion von Bioenergie und stofflicher<br />
Biomassenutzung sowie <strong>eine</strong> sich ausbreitende<br />
Infrastruktur sind wichtige Gründe für den sich verstärkenden<br />
Druck auf die Landnutzung (WBGU, 2009a;<br />
van Vuuren, 2009; PBL, 2010; Kap. 1.2.5). Zudem werden<br />
Korallenriffe und Mangroven zerstört, Seen überdüngt,<br />
Flüsse betoniert und Fischressourcen übernutzt<br />
(WBGU, 2000b, 2006; MA, 2005b; CBD, 2010b). All<br />
dies führt zu <strong>eine</strong>m massiven Verlust biologischer Vielfalt:<br />
Im Vergleich zum Mittel der Erdgeschichte ist die<br />
heutige Aussterberate der Tier- und Pflanzenarten<br />
bereits hundert- bis tausendfach erhöht (MA, 2005b).<br />
Bei den gut untersuchten Gruppen gelten große Anteile<br />
der bekannten Arten als gefährdet oder bereits ausgestorben<br />
(22 % der Säugetiere, 14 % der Vögel, 31 % der<br />
Amphibien, 28 % der Nadelhölzer und 52 % der Palmfarne;<br />
Vié et al., 2008) und die bisherigen Naturschutzmaßnahmen<br />
gelten als unzureichend (z. B. Hoffmann<br />
et al., 2010).<br />
Menschliche Gesellschaften benötigen Ressourcen,<br />
die uns die Natur liefert: Nahrung, Fasern, Bau material<br />
und industrielle Grundstoffe sind nur einige Beispiele.<br />
Wir sind zudem von Ökosystemleistungen abhängig:<br />
Küstenschutz, Wasserhaushalt, Bestäubung, Bodenfruchtbarkeit,<br />
Luftreinhaltung usw. (MA, 2005c). Tierund<br />
Pflanzenarten brauchen wir nicht zuletzt deshalb,<br />
weil ihre genetischen und physiologischen Baupläne für<br />
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