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Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation - Erfolgsfaktoren ...

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8 Die Wissenschaft im <strong>Transformation</strong>sprozess – Empfehlungen für Forschung<br />

346<br />

sprechende Maßnahmenbündel entwickelt. Dennoch<br />

ist in weiten Teilen nicht bekannt, wie sich der Weg<br />

dorthin konkret gestalten lässt. Aus diesem Grund hat<br />

der WBGU im Folgenden relevante Forschungsfragen<br />

zu den Grundlagen <strong>eine</strong>s neuen <strong>Gesellschaftsvertrag</strong>s<br />

skizziert und den Prototyp <strong>eine</strong>s neuen Forschungsfeldes<br />

entworfen, der zu ihrer Beantwortung notwendig<br />

scheint.<br />

8.1.2.1<br />

Forschungsfragen für den <strong>Gesellschaftsvertrag</strong><br />

Um <strong>eine</strong> globale gesellschaftliche <strong>Transformation</strong> innerhalb<br />

der planetarischen Leitplanken bis 2050 herbeizuführen,<br />

bedarf es sowohl geeigneter gesellschaftlicher<br />

Rahmenbedingungen als auch der Klärung grundsätzlicher<br />

Herausforderungen und potenzieller Hemmnisse.<br />

Im Folgenden wird <strong>eine</strong> Reihe dafür zentraler Fragen<br />

genannt.<br />

Zentrale Faktoren der <strong>Transformation</strong><br />

Bei der Analyse historischer <strong>Transformation</strong>sprozesse<br />

(Kap. 3) wurde deutlich, dass Erkenntnisse über einige<br />

zentrale Faktoren von <strong>Transformation</strong>en zwar vorhanden<br />

sind (Kasten 8.1-1), bisher aber nur ein fragmentarisches<br />

Wissen über die Interaktion zwischen diesen<br />

Faktoren existiert. Zur Entwicklung von <strong>Transformation</strong>sstrategien<br />

sollten die Interaktionen dieser zentralen<br />

Faktoren vertieft untersucht werden. Dies gilt auch für<br />

Widerstände und Barrieren bei der Implementierung<br />

nachhaltiger Entwicklung. Zu beantworten sind hierbei<br />

etwa Fragen wie: Welche Akteure widersetzen sich mit<br />

welchen Strategien der <strong>Transformation</strong> in Richtung Klimaverträglichkeit<br />

bzw. Nachhaltigkeit Welche Strategien<br />

und Maßnahmen lassen sich identifizieren, mithilfe<br />

derer diese Widerstände, Barrieren und Gegenkräfte<br />

erfolgreich überwunden werden können<br />

Globale Kooperation<br />

Um die <strong>Transformation</strong> global umsetzen zu können,<br />

müssen international vernetzt offene Fragen der<br />

Kooperationsbereitschaft und der Möglichkeiten und<br />

Grenzen von Global Governance erforscht werden. Die<br />

bestehende inkrementelle Forschung zur institutionellen<br />

Weiterentwicklung des internationalen Systems<br />

reicht hierzu nicht aus. Die stark politikwissenschaftlich<br />

geprägte Global-Governance-Forschung ist thematisch<br />

zu eng gefasst, um die Grundsatzfragen globaler<br />

Kooperation allein bearbeiten zu können. Auf der<br />

Makroebene bedürfen die Kontextbedingungen der<br />

„Grenzen des Erdsystems“ zur Erforschung <strong>eine</strong>r auf<br />

nachhaltige Entwicklung ausgerichteten Global Governance<br />

vielmehr <strong>eine</strong>r engen Interaktion mit naturwissenschaftlichen<br />

und auch ingenieurwissenschaftlichen<br />

Forschungsdisziplinen.<br />

Dies gilt umso mehr, wenn es um kooperative Mehrebenenpolitik<br />

in den drei für die Große <strong>Transformation</strong><br />

besonders relevanten Handlungsfeldern – Energiesysteme,<br />

Urbanisierung und Landnutzung – geht<br />

(Kap. 5.4.5), in denen technische Potenziale und ingenieur-<br />

und wirtschaftswissenschaftliche Machbarkeitsanalysen<br />

in besonders deutlichem Kontrast zu dem<br />

sozialwissenschaftlichen Wissen über soziale und politische<br />

Umsetzungshindernisse und Handlungsblockaden<br />

stehen.<br />

Auf der Mikroebene stellt die Frage nach der menschlichen<br />

Kooperationsfähigkeit an sich <strong>eine</strong>n weiteren<br />

zentralen Faktor dar, der in der Global-Governance-<br />

Forschung bisher weitgehend ausgeblendet blieb. So ist<br />

weiterhin unklar, ob die intra- und intergesellschaftliche<br />

bzw. intra- und interkulturelle Kooperationsfähigkeit<br />

des Menschen natürlichen Grenzen unterliegt bzw.<br />

umgekehrt, ob der Mensch als „Tier das kooperiert“<br />

(Tomasello, 2009) grundsätzlich dazu in der Lage ist,<br />

globale „Wir-Identitäten“ zu entwickeln, wie sie etwa in<br />

der Demokratietheorie als zentrale Voraussetzung für<br />

die Legitimität von Herrschaft und Entscheidungsprozessen<br />

gelten (Scharpf, 1999; Beisheim und Nuscheler,<br />

2003). Bisher gilt die Hypothese, dass Kooperation<br />

das Aufbauen von Vertrauen und Reputation voraussetzt.<br />

Dies wird aber erwiesenermaßen mit zunehmender<br />

Distanz, Komplexität und Größe der Bezugsgruppe<br />

schwieriger (Dunbar, 1993; Ostrom, 2003).<br />

Es muss also erforscht werden, ob und wie Menschen<br />

und menschliche Gesellschaften die enorme Komplexität<br />

<strong>eine</strong>r globalisierten Weltwirtschaft gestalten und<br />

Stabilität, Sicherheit, Wohlstand und Fairness in <strong>eine</strong>r<br />

eng vernetzten Weltgesellschaft in den Grenzen des<br />

Erdsystems organisieren können. Daher sollte Global-<br />

Governance-Forschung z. B. auch untersuchen, ob die<br />

dynamischen und sich vorwiegend internet basiert entwickelnden<br />

neuen Kommunikationsmuster (z. B. soziale<br />

Netzwerke, virtuelle Welten) globale Kooperation<br />

beeinflussen. So bedarf es der empirischen Überprüfung,<br />

ob die Kommunikation in global vernetzten „virtuellen<br />

Welten“ Empathie generiert, Solidaritäts- und<br />

Gerechtigkeitsempfindungen stärkt und somit hilft,<br />

die Akzeptanz für redistributive Politikentscheidungen<br />

durch globale „Wir-Identitäten“ zu fördern.<br />

Im gleichen Kontext gilt es ganz allgemein zu klären,<br />

ob es kognitive Komplexitätsgrenzen (cognitive boundaries)<br />

gibt, die Menschen und menschliche Gesellschaften<br />

grundsätzlich überfordern und wie diese gegebenenfalls<br />

überwunden werden können. Entsprechend<br />

sollte im Rahmen <strong>eine</strong>r weit gefassten Global-Governance-Forschung<br />

überprüft werden, welches Grundlagenwissen<br />

dazu bereits in den Kognitionswissenschaften,<br />

der Psychologie, der Anthropologie, den Kulturwissenschaften<br />

und der Soziologie vorliegt und wie es

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