Gesellschaftsvertrag für eine GroÃe Transformation - Erfolgsfaktoren ...
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Neue Staatlichkeit im Mehrebenensystem 5.4<br />
fekte zu mobilisieren und daraus resultierende Skaleneffekte<br />
für die globale <strong>Transformation</strong> nutzen zu können.<br />
Nationale und unilaterale Handlungsansätze bleiben<br />
zwangsläufig hinter den Potenzialen zurück, die<br />
durch grenzüberschreitende und transregionale Lernprozesse<br />
ermöglicht werden.<br />
Fünftens ist ein kooperativer internationaler Geist<br />
<strong>eine</strong> der elementarsten Voraussetzungen für die Ausbildung<br />
<strong>eine</strong>r globalen „Wir-Identität“, ohne die <strong>eine</strong><br />
dauerhaft erfolgreiche globale <strong>Transformation</strong> schlechterdings<br />
nicht vorstellbar erscheint.<br />
Obwohl weltweit unübersehbar globales Problembewusstsein<br />
heranwächst, schwanken aber die nationalen<br />
Entscheidungsträger weiterhin zwischen hilflosem<br />
Inkrementalismus (siehe Umweltprogramm der Vereinten<br />
Nationen), symbolträchtigen Weltmanagement-<br />
Großereignissen begrenzter Reichweite und Wirkung<br />
(siehe G20), blankem Fatalismus (wonach alle über<br />
das etablierte internationale System hinausgehende<br />
Ideen utopische Weltregierungsphantasien seien) und<br />
Rückfällen in klassische nationalstaatliche Macht- und<br />
Interessenpolitik. Dem hierin zum Ausdruck kommenden<br />
Kooperationsparadoxon steht die Staatenwelt bald<br />
siebzig Jahre nach Gründung der Vereinten Nationen<br />
angesichts der als drängend erkannten globalen Herausforderungen<br />
ebenso hilf- wie ratlos gegenüber.<br />
Ohne die Überwindung dieses Kooperationsparadoxons<br />
wird <strong>eine</strong> gestaltete <strong>Transformation</strong> im Sinne <strong>eine</strong>r klimaverträglichen<br />
Weltgesellschaft schlechterdings nicht<br />
gelingen können. Es bedarf dazu weltweit <strong>eine</strong>s Entwicklungsschubs<br />
zu mehr globaler Kooperationsbereitschaft<br />
und Koordinationsfähigkeit, der in s<strong>eine</strong>r Reichweite<br />
vergleichbar wäre mit der Ablösung der Feudalgesellschaften<br />
durch demokratisch verfasste Rechtsstaaten<br />
im Verlauf des 18. und 19. Jahrhunderts (Kap. 3.2).<br />
Die Staatenwelt des noch jungen 21. Jahrhunderts wird<br />
deshalb <strong>eine</strong> tiefe historische Zäsur kooperativ gestalten<br />
oder als Weltgesellschaft an den Erfordernissen der<br />
<strong>Transformation</strong> scheitern.<br />
5.4<br />
Neue Staatlichkeit im Mehrebenensystem<br />
Die großen Herausforderungen des <strong>Transformation</strong>sprozesses<br />
in politischer Hinsicht sind die Beschleunigung<br />
der politisch-administrativen Prozeduren und<br />
Abläufe, die bessere Umsetzung von Langfristorientierungen,<br />
die entschiedene Überwindung von Pfadabhängigkeiten,<br />
die Aktivierung und Einbeziehung der<br />
Zivilgesellschaft sowie <strong>eine</strong> historisch beispiellose Ausweitung<br />
internationaler Kooperation. Im nachfolgenden<br />
Kapitel werden Lösungsansätze entwickelt, die die<br />
in Kapitel 5.3 aufgezeigten Hemmnisse und Blockaden<br />
überwinden sollen.<br />
5.4.1<br />
Gestaltender Staat mit erweiterten<br />
Partizipationsmöglichkeiten<br />
5.4.1.1<br />
Das Leitbild des gestaltenden Staates mit<br />
erweiterter Partizipation<br />
Dem Staat kommt <strong>eine</strong> bedeutende Rolle im <strong>Transformation</strong>sprozess<br />
zu. Damit Wirtschaft, Wissenschaft<br />
und Zivilgesellschaft ihre Ressourcen und Potenziale<br />
einsetzen und Maßnahmen wie den Auf- und Umbau<br />
der Energieversorgung, die Neugestaltung städtischer<br />
Räume und die Veränderung der Landnutzung (Kap. 4)<br />
entwickeln, umsetzen und anwenden können, müssen<br />
Legislative, Exekutive und Judikative den hierfür erforderlichen<br />
Ordnungsrahmen schaffen bzw. ausfüllen und<br />
nicht nur rhetorisch-symbolisch die Entwicklung von<br />
Innovationen ins Zentrum rücken. Nach Auffassung<br />
des WBGU müssen Staatsapparate heute generell wieder<br />
<strong>eine</strong> aktivere Rolle einnehmen. Vor allem seit den<br />
1970er Jahren hat sich <strong>eine</strong> liberal-libertäre Philosophie<br />
weitgehender Entstaatlichung und Deregulierung<br />
durchgesetzt, die auf bestimmte bürokratische Auswüchse<br />
und steigende Staatsquoten reagierte. Parallel<br />
dazu haben sich die fiskalischen Interventionsressourcen<br />
vieler OECD-Staaten verringert, ohne dass die<br />
Staatsquoten im Durchschnitt gesunken sind. In den<br />
Schwellenländern sind zugleich durch den wirtschaftlichen<br />
Erfolg Regelungs- und Steuerungskapazitäten des<br />
Staates gewachsen, während in vielen Entwicklungsländern<br />
Staatlichkeit weitgehend oder völlig gescheitert<br />
und stellenweise ganz zusammengebrochen ist.<br />
Staatsapparate wurden in diesen gegenläufigen Entwicklungen<br />
als kraftlos und übermächtig zugleich, als<br />
Kolosse auf tönernen Füßen empfunden.<br />
Die globale Wirtschafts- und Finanzkrise<br />
(2007–2009) hat das Scheitern deregulierter Marktmechanismen<br />
nachdrücklich demonstriert. Gerade<br />
auch mit Blick auf die Umweltqualität zeigen sich<br />
die Nachteile deregulierter Marktmechanismen: Das<br />
Unvermögen von Unternehmen auf freien Märkten,<br />
die langfristigen Dimensionen ihrer Geschäftsmodelle<br />
und Technologieanwendungen im Blick zu behalten,<br />
macht umweltpolitische Regulierungen durch den Staat<br />
unumgänglich (Winter, 2010). Dabei muss man vor jeglicher<br />
Planungsillusion warnen. Der Staat kennt selbst<br />
nicht die besten Optionen, vielmehr muss er die in<br />
Unternehmen, in der Zivilgesellschaft und im politischadministrativen<br />
System liegenden Potenziale aktivieren<br />
und sich dabei auch nicht länger – wie für pluralisti-<br />
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