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Migration und Gesundheit - BITV-Test

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Ges<strong>und</strong>heitsversorgung für Menschen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> <strong>Migration</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit 109<br />

Diese Werteentscheidung im Ausländerrecht<br />

ist auf die nachrangige Versicherungspflicht in<br />

der gesetzlichen Krankenversicherung übertragen<br />

worden. Der Gesetzgeber will damit verhindern,<br />

dass diese Gruppe von Ausländerinnen <strong>und</strong> Ausländer<br />

versicherungspflichtig in der gesetzlichen<br />

Krankenversicherung wird <strong>und</strong> damit im Krankheitsfall<br />

die Solidargemeinschaft der gesetzlich<br />

Krankenversicherten in Anspruch nimmt.<br />

Die Voraussetzung, dass die Ausländerin bzw.<br />

der Ausländer entweder eine Niederlassungserlaubnis<br />

oder eine auf mehr als zwölf Monate befristete<br />

Aufenthaltserlaubnis besitzen muss, soll<br />

den gesetzlichen Krankenkassen die ansonsten<br />

notwendige Prüfung ersparen, ob die/der Betreffende<br />

ihren/seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen<br />

Aufenthalt in Deutschland hat.<br />

Ferner wurde mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz<br />

die Vorschrift des § 315 des Fünften<br />

Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) eingefügt.<br />

Sie regelt, dass Personen ohne Absicherung im<br />

Krankheitsfall, die früher privat versichert waren<br />

oder die bisher weder gesetzlich noch privat<br />

krankenversichert waren <strong>und</strong> dem System der<br />

privaten Krankenversicherung zuzuordnen sind,<br />

ab 01.07.2007 einen Krankenversicherungsschutz<br />

im Standardtarif eines privaten Krankenversicherungsunternehmens<br />

verlangen können. Diese<br />

Vorschrift ist aber nur für Personen anwendbar,<br />

die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt<br />

im Geltungsbereich des SGB V haben (§ 30 Abs. 1<br />

SGB I, § 3 Nr. 2 SGB IV). Für Ausländerinnen <strong>und</strong><br />

Ausländer, die ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen<br />

Aufenthalt nicht in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />

haben, trifft dies nicht zu.<br />

In analoger Anwendung des § 5 Abs. 11 SGB V<br />

muss bei der Auslegung des Begriffs »Wohnsitz<br />

oder gewöhnlicher Aufenthalt« bei Ausländerinnen<br />

<strong>und</strong> Ausländern, die nicht Angehörige eines<br />

Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines<br />

Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen<br />

Wirtschaftsraum oder Staatsangehörige<br />

der Schweiz sind, eine Niederlassungserlaubnis<br />

oder eine Aufenthaltserlaubnis von mehr als zwölf<br />

Monaten vorliegen.<br />

6.1.2 Kommunikationsprobleme<br />

Kommunikationsprobleme entstehen zum einen<br />

durch unzureichende bzw. lückenhafte Deutschkenntnisse<br />

mancher Menschen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />

in den Bereichen Körper, Ges<strong>und</strong>heit,<br />

Befinden <strong>und</strong> Sexualität. Zum anderen sind<br />

Hinweise <strong>und</strong> Informationen zu Ges<strong>und</strong>heitsleistungen<br />

häufig nicht in einer für diesen Personenkreis<br />

verständlichen Sprache oder Form verfasst.<br />

Eine Studie unter türkischen <strong>und</strong> deutschen<br />

Krankenhauspatientinnen zeigte, dass gerade<br />

die türkischen Patientinnen die Informationen<br />

zu Diagnose <strong>und</strong> Therapie, welche ihnen in den<br />

Aufklärungsgesprächen von den Stationsärztinnen<br />

<strong>und</strong> -ärzten gegeben wurden, vielfach nicht<br />

verstanden hatten. Es konnte sogar ein Informationsverlust<br />

festgestellt werden: Vor dem Aufklärungsgespräch<br />

gaben 62 % der 262 türkischen<br />

Patientinnen die Diagnose <strong>und</strong> 71 % die Therapie<br />

richtig an. Nach der Patientenaufklärung konnten<br />

nur noch 55 % die Diagnose <strong>und</strong> 66 % die Therapie<br />

korrekt wiedergeben. Ein solcher Effekt wurde<br />

bei den deutschen Patientinnen (n = 317) nicht<br />

festgestellt. Sowohl ein niedriger Bildungsgrad als<br />

auch keine oder geringe Deutschkenntnisse der<br />

türkischsprachigen Patientinnen waren mit geringerem<br />

Wissen um die Diagnose <strong>und</strong> die Therapie<br />

assoziiert. Das Ziel, eine geeignete Aufklärung der<br />

Patientin bzw. des Patienten vor einer Therapie<br />

oder einem chirurgischen Eingriff durchzuführen,<br />

wurde nicht erreicht [5]. Dies schränkt die<br />

Selbstbestimmungs- <strong>und</strong> Mitbestimmungsmöglichkeiten<br />

der Patientinnen <strong>und</strong> Patienten ein, die<br />

wiederum mit dem Patientenrecht auf Information<br />

<strong>und</strong> Aufklärung verb<strong>und</strong>en sind [6].<br />

Die Übermittlung von Ges<strong>und</strong>heitsinformationen<br />

erfordert Kompetenz, nicht nur auf<br />

sprachlicher Ebene. So müssen z. B. kulturspezifische<br />

Kommunikationswege, Tabus, aber auch<br />

der jeweilige Wissens- bzw. Bildungsstand der<br />

Zielgruppe Berücksichtigung finden. Eine vergleichende<br />

Untersuchung an türkischen (n = 262)<br />

<strong>und</strong> deutschen (n = 320) Frauen ergab, dass 62 %<br />

der türkischen Frauen über ein geringes Ges<strong>und</strong>heitswissen<br />

über den eigenen Körper <strong>und</strong> dessen<br />

Funktionen verfügten. Im Gegensatz dazu wiesen<br />

nur 15 % der deutschen Patientinnen einen vergleichbar<br />

geringen Kenntnisstand auf [7]. Visuelle<br />

Kommunikationshilfen oder auch Dolmetscher-

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