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Migration und Gesundheit - BITV-Test

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116<br />

<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />

Ges<strong>und</strong>heitsversorgung für Menschen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />

Arbeit der niedergelassenen Ärztinnen <strong>und</strong> Ärzte.<br />

Sie schließen aber Lücken in der ges<strong>und</strong>heitlichen<br />

Für- <strong>und</strong> Vorsorge, welche bei nicht krankenversicherten<br />

Menschen auftreten [37]. Bei Bedarf<br />

werden diese Menschen an Ärztinnen oder Ärzte<br />

weitervermittelt, die bereit sind, sie kostenlos<br />

zu behandeln. Im Jahr 2000 waren etwa 11.000<br />

Menschen aufgr<strong>und</strong> von fehlender Krankenversicherung,<br />

aufenthaltsrechtlichen Problemen, kulturspezifischen<br />

Motiven o. ä. auf die kostenfreien<br />

Angebote der Ges<strong>und</strong>heitsämter angewiesen [37].<br />

Je nach B<strong>und</strong>esland führen die Ges<strong>und</strong>heitsämter<br />

vielfältige <strong>und</strong> z. T. unterschiedliche Initiativen<br />

durch, in denen die Zielgruppe der Menschen<br />

mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> angesprochen wird.<br />

Sprachliche Barrieren werden, soweit möglich,<br />

durch Informationsmaterial <strong>und</strong> Beratungsgespräche<br />

in der Muttersprache der Menschen mit<br />

<strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> abgebaut. Während die<br />

AIDS/STD-Beratungsstellen auf Akzeptanz treffen,<br />

ist gerade im Bereich der Kinder- <strong>und</strong> Jugendges<strong>und</strong>heit<br />

Motivationsarbeit bei den Eltern mit<br />

<strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> zu leisten, damit diese<br />

Angebote stärker zum Wohle der Kinder genutzt<br />

werden können.<br />

Weitere Berichte <strong>und</strong> Anregungen zu Projekten<br />

für Menschen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> finden<br />

sich beispielsweise im »Info-Dienst <strong>Migration</strong><br />

<strong>und</strong> öffentliche Ges<strong>und</strong>heit« (www.infodienst.<br />

bzga.de). Darin wird regelmäßig über Projekte<br />

<strong>und</strong> Ideen, Tagungen <strong>und</strong> Termine, Fortbildungsmöglichkeiten<br />

sowie neue Publikationen zu diesem<br />

Themenbereich berichtet. Herausgeber ist<br />

die B<strong>und</strong>eszentrale für ges<strong>und</strong>heitliche Aufklärung<br />

(BZgA) in Köln.<br />

6.4 Spezialisierte Einrichtungen<br />

Die ges<strong>und</strong>heitliche Versorgung von Menschen<br />

mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> soll nach allgemeiner<br />

Einschätzung durch die interkulturelle Öffnung<br />

der Regeldienste ermöglicht werden. Spezielle Ges<strong>und</strong>heitsdienste<br />

für diesen Personenkreis gelten<br />

im Allgemeinen als nicht erforderlich <strong>und</strong> wären<br />

im benötigten Maße auch nicht finanzierbar. Bei<br />

bestimmten Problemstellungen werden sowohl<br />

unter fachlichen bzw. humanitären als auch unter<br />

ges<strong>und</strong>heitsökonomischen Gesichtspunkten jedoch<br />

Spezialeinrichtungen empfohlen [1]. Das gilt<br />

etwa für die Behandlung von Folteropfern, aber<br />

auch von Patientinnen <strong>und</strong> Patienten mit regional<br />

auftretenden, erblich bedingten Erkrankungen<br />

(siehe Abschnitt 4.3.5). In anderen Bereichen<br />

werden bestimmte migrantenspezifische Anforderungen<br />

an die Therapie gestellt, wie z. B. in der<br />

Psychotherapie <strong>und</strong> Suchthilfe.<br />

Unter dem Dach der B<strong>und</strong>esweiten Arbeitsgemeinschaft<br />

der Behandlungszentren für Flüchtlinge<br />

<strong>und</strong> Folteropfer (BAFF) sind viele Einrichtungen<br />

zusammengefasst, welche die Begutachtung<br />

<strong>und</strong> die Therapie von traumatisierten Flüchtlingen<br />

durchführen. Asylsuchende verschweigen<br />

beispielsweise im Anerkennungsverfahren häufig<br />

eine durchlebte Folter <strong>und</strong> Vergewaltigung. Dazu<br />

tragen Scham, Angst, Misstrauen <strong>und</strong> sprachliche<br />

Verständigungsprobleme bei. Bei der Benutzung<br />

einer anderen Sprache als der Muttersprache kann<br />

es zu einer Trennung von Affekt <strong>und</strong> Inhalt des<br />

Gesagten kommen. Diese Patientinnen <strong>und</strong> Patienten<br />

wirken dann auf den Untersucher flach <strong>und</strong><br />

emotionslos, auch wenn sie eigentlich belastende<br />

Erlebnisse beschreiben [38]. Politisch Verfolgte<br />

wehren sich häufig gegen eine Psychiatrisierung,<br />

die aus ihrem Erleben heraus den Sinn ihres<br />

Kampfes entwerten würde [39]. Die erwähnten<br />

Gründe können zu einer unvollständigen Diagnostik<br />

führen <strong>und</strong> Fehlbeurteilungen begünstigen.<br />

In jeder Außenstelle des B<strong>und</strong>esamtes für<br />

die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge sind<br />

daher psychologisch geschulte »Einzelentscheider«<br />

tätig. Eine kontinuierliche psychologische<br />

Schulung <strong>und</strong> Supervision der »Einzelentscheider«,<br />

eine psychologische Sensibilisierung von<br />

Dolmetscherinnen <strong>und</strong> Dolmetschern sowie die<br />

Erarbeitung von Gutachtenstandards werden als<br />

wichtig für eine transparente <strong>und</strong> dem Einzelfall<br />

angemessene Verfahrensweise angesehen [40].<br />

Die Behandlung einer posttraumatischen<br />

Belastungsstörung, wie z. B. durch Folter oder<br />

Flucht, sollte so früh wie möglich beginnen [41].<br />

Als wichtigste Hilfen für die Bewältigung von<br />

traumatischen Erlebnissen im Zusammenhang<br />

mit einer <strong>Migration</strong> werden Familienzusammenführungen<br />

sowie Möglichkeiten zur eigenen Existenzsicherung<br />

<strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>en ein geklärter<br />

Aufenthaltsstatus <strong>und</strong> Arbeit gesehen [39].<br />

Die Gestaltung einer psychotherapeutischen<br />

Beziehung zu Menschen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />

weist einige Besonderheiten auf. Im Un-

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