Migration und Gesundheit - BITV-Test
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<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
Ges<strong>und</strong>heitsversorgung für Menschen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />
Arbeit der niedergelassenen Ärztinnen <strong>und</strong> Ärzte.<br />
Sie schließen aber Lücken in der ges<strong>und</strong>heitlichen<br />
Für- <strong>und</strong> Vorsorge, welche bei nicht krankenversicherten<br />
Menschen auftreten [37]. Bei Bedarf<br />
werden diese Menschen an Ärztinnen oder Ärzte<br />
weitervermittelt, die bereit sind, sie kostenlos<br />
zu behandeln. Im Jahr 2000 waren etwa 11.000<br />
Menschen aufgr<strong>und</strong> von fehlender Krankenversicherung,<br />
aufenthaltsrechtlichen Problemen, kulturspezifischen<br />
Motiven o. ä. auf die kostenfreien<br />
Angebote der Ges<strong>und</strong>heitsämter angewiesen [37].<br />
Je nach B<strong>und</strong>esland führen die Ges<strong>und</strong>heitsämter<br />
vielfältige <strong>und</strong> z. T. unterschiedliche Initiativen<br />
durch, in denen die Zielgruppe der Menschen<br />
mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> angesprochen wird.<br />
Sprachliche Barrieren werden, soweit möglich,<br />
durch Informationsmaterial <strong>und</strong> Beratungsgespräche<br />
in der Muttersprache der Menschen mit<br />
<strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> abgebaut. Während die<br />
AIDS/STD-Beratungsstellen auf Akzeptanz treffen,<br />
ist gerade im Bereich der Kinder- <strong>und</strong> Jugendges<strong>und</strong>heit<br />
Motivationsarbeit bei den Eltern mit<br />
<strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> zu leisten, damit diese<br />
Angebote stärker zum Wohle der Kinder genutzt<br />
werden können.<br />
Weitere Berichte <strong>und</strong> Anregungen zu Projekten<br />
für Menschen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> finden<br />
sich beispielsweise im »Info-Dienst <strong>Migration</strong><br />
<strong>und</strong> öffentliche Ges<strong>und</strong>heit« (www.infodienst.<br />
bzga.de). Darin wird regelmäßig über Projekte<br />
<strong>und</strong> Ideen, Tagungen <strong>und</strong> Termine, Fortbildungsmöglichkeiten<br />
sowie neue Publikationen zu diesem<br />
Themenbereich berichtet. Herausgeber ist<br />
die B<strong>und</strong>eszentrale für ges<strong>und</strong>heitliche Aufklärung<br />
(BZgA) in Köln.<br />
6.4 Spezialisierte Einrichtungen<br />
Die ges<strong>und</strong>heitliche Versorgung von Menschen<br />
mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> soll nach allgemeiner<br />
Einschätzung durch die interkulturelle Öffnung<br />
der Regeldienste ermöglicht werden. Spezielle Ges<strong>und</strong>heitsdienste<br />
für diesen Personenkreis gelten<br />
im Allgemeinen als nicht erforderlich <strong>und</strong> wären<br />
im benötigten Maße auch nicht finanzierbar. Bei<br />
bestimmten Problemstellungen werden sowohl<br />
unter fachlichen bzw. humanitären als auch unter<br />
ges<strong>und</strong>heitsökonomischen Gesichtspunkten jedoch<br />
Spezialeinrichtungen empfohlen [1]. Das gilt<br />
etwa für die Behandlung von Folteropfern, aber<br />
auch von Patientinnen <strong>und</strong> Patienten mit regional<br />
auftretenden, erblich bedingten Erkrankungen<br />
(siehe Abschnitt 4.3.5). In anderen Bereichen<br />
werden bestimmte migrantenspezifische Anforderungen<br />
an die Therapie gestellt, wie z. B. in der<br />
Psychotherapie <strong>und</strong> Suchthilfe.<br />
Unter dem Dach der B<strong>und</strong>esweiten Arbeitsgemeinschaft<br />
der Behandlungszentren für Flüchtlinge<br />
<strong>und</strong> Folteropfer (BAFF) sind viele Einrichtungen<br />
zusammengefasst, welche die Begutachtung<br />
<strong>und</strong> die Therapie von traumatisierten Flüchtlingen<br />
durchführen. Asylsuchende verschweigen<br />
beispielsweise im Anerkennungsverfahren häufig<br />
eine durchlebte Folter <strong>und</strong> Vergewaltigung. Dazu<br />
tragen Scham, Angst, Misstrauen <strong>und</strong> sprachliche<br />
Verständigungsprobleme bei. Bei der Benutzung<br />
einer anderen Sprache als der Muttersprache kann<br />
es zu einer Trennung von Affekt <strong>und</strong> Inhalt des<br />
Gesagten kommen. Diese Patientinnen <strong>und</strong> Patienten<br />
wirken dann auf den Untersucher flach <strong>und</strong><br />
emotionslos, auch wenn sie eigentlich belastende<br />
Erlebnisse beschreiben [38]. Politisch Verfolgte<br />
wehren sich häufig gegen eine Psychiatrisierung,<br />
die aus ihrem Erleben heraus den Sinn ihres<br />
Kampfes entwerten würde [39]. Die erwähnten<br />
Gründe können zu einer unvollständigen Diagnostik<br />
führen <strong>und</strong> Fehlbeurteilungen begünstigen.<br />
In jeder Außenstelle des B<strong>und</strong>esamtes für<br />
die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge sind<br />
daher psychologisch geschulte »Einzelentscheider«<br />
tätig. Eine kontinuierliche psychologische<br />
Schulung <strong>und</strong> Supervision der »Einzelentscheider«,<br />
eine psychologische Sensibilisierung von<br />
Dolmetscherinnen <strong>und</strong> Dolmetschern sowie die<br />
Erarbeitung von Gutachtenstandards werden als<br />
wichtig für eine transparente <strong>und</strong> dem Einzelfall<br />
angemessene Verfahrensweise angesehen [40].<br />
Die Behandlung einer posttraumatischen<br />
Belastungsstörung, wie z. B. durch Folter oder<br />
Flucht, sollte so früh wie möglich beginnen [41].<br />
Als wichtigste Hilfen für die Bewältigung von<br />
traumatischen Erlebnissen im Zusammenhang<br />
mit einer <strong>Migration</strong> werden Familienzusammenführungen<br />
sowie Möglichkeiten zur eigenen Existenzsicherung<br />
<strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>en ein geklärter<br />
Aufenthaltsstatus <strong>und</strong> Arbeit gesehen [39].<br />
Die Gestaltung einer psychotherapeutischen<br />
Beziehung zu Menschen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />
weist einige Besonderheiten auf. Im Un-