Migration und Gesundheit - BITV-Test
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Zusammenfassung <strong>und</strong> Ausblick <strong>Migration</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit 131<br />
8.2 Forschungsbedarf <strong>und</strong> Perspektiven<br />
Ein Fazit aus der Erstellung des vorliegenden Berichtes<br />
ist, dass in Deutschland Defizite im Bereich<br />
der ges<strong>und</strong>heitswissenschaftlichen <strong>und</strong> epidemiologischen<br />
Forschung zur ges<strong>und</strong>heitlichen<br />
Lage von Menschen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />
bestehen. Sie betreffen zum einen die routinemäßige<br />
Ges<strong>und</strong>heitsberichterstattung für diese<br />
Zielgruppe. Zum anderen gibt es noch viele offene<br />
Fragen zu Ges<strong>und</strong>heitsrisiken <strong>und</strong> -potenzialen<br />
von Menschen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong>, die<br />
über eine GBE nicht zu beantworten sind.<br />
8.2.1 Probleme in der Ges<strong>und</strong>heitsberichterstattung<br />
Die existierende Ges<strong>und</strong>heitsberichterstattung für<br />
Menschen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> wird durch<br />
zwei Hindernisse erschwert:<br />
▶ ungelöste technische <strong>und</strong> interpretatorische<br />
Probleme<br />
▶ Mangel an belastbaren Daten zur Deckung des<br />
vorhandenen Informationsbedarfs.<br />
Der Mangel an belastbaren Daten führt dazu, dass<br />
die Ges<strong>und</strong>heitsberichterstattung für Menschen mit<br />
<strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> oft stärker nach der Datenverfügbarkeit<br />
als nach dem bestehenden Informationsbedarf<br />
ausgerichtet ist. Dazu tragen Defizite in<br />
technischen Aspekten der Ges<strong>und</strong>heitsberichterstattung<br />
für Menschen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />
bei, z. B. die uneinheitliche Definition der Zielgruppe<br />
in verschiedenen Datenquellen [1, 2]. Daneben<br />
wird die Interpretation von Ergebnissen einer<br />
Ges<strong>und</strong>heitsberichterstattung für Menschen mit<br />
<strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> durch Faktoren erschwert,<br />
die in vergleichbarer Weise bei der deutschen<br />
Mehrheitsbevölkerung nicht auftreten. Zwei wichtige<br />
<strong>und</strong> noch keineswegs vollständig verstandene<br />
Faktoren sind der so genannte »Healthy-migrant«-<br />
Effekt <strong>und</strong> die Abgrenzung der jeweiligen Effekte<br />
von <strong>Migration</strong>sstatus <strong>und</strong> sozioökonomischem<br />
Status. Hinzu kommt die Frage, ob zugewanderte<br />
Personen bei schweren Erkrankungen bevorzugt<br />
ins Herkunftsland zurückkehren (was die Statistik<br />
der Erkrankungs- <strong>und</strong> Todesfälle verzerren würde)<br />
oder eher in Deutschland bleiben.<br />
8.2.2 »Healthy-migrant«-Effekt<br />
Der »Healthy-migrant«-Effekt kann einen überdurchschnittlich<br />
guten Ges<strong>und</strong>heitszustand<br />
von zugewanderten Personen vorspiegeln. Es<br />
ist schwer, dies bei der Interpretation von Daten<br />
korrekt zu berücksichtigen. Auch ist noch nicht<br />
hinreichend geklärt, in welchem Maße Expositionen<br />
gegenüber unterschiedlichen Risikofaktoren<br />
(z. B. gesündere Ernährung, schlechte hygienische<br />
Bedingungen) im Herkunftsland zu einem erniedrigten<br />
oder erhöhten Krankheits- <strong>und</strong> Sterberisiko<br />
beitragen (siehe Unterkapitel 3.1). So könnte<br />
sich eine niedrige Herzinfarkt-Sterblichkeit von<br />
zugewanderten Personen aus dem südlichen <strong>und</strong><br />
westlichen Mittelmeerraum durch die dort im<br />
Vergleich zu Deutschland viel niedrigeren Herzinfarkt-Sterberaten<br />
erklären – unabhängig von<br />
eventuellen Auswahleffekten bei der <strong>Migration</strong><br />
[3, 4].<br />
8.2.3 Selektive Rückkehr<br />
Vielfach wird angenommen, dass zugewanderte<br />
Personen im Falle einer schweren Erkrankung<br />
in ihr Herkunftsland zurückkehren. Dies wird<br />
als mögliche Erklärung für eine niedrigere Erkrankungshäufigkeit<br />
oder Sterblichkeit dieser<br />
Personengruppe in der Statistik in Deutschland<br />
angeführt. Bislang stützt sich diese Argumentation<br />
weitgehend auf indirekte Belege, da es kein<br />
Register von Menschen gibt, die in ihr Heimatland<br />
zurückkehren (siehe Unterkapitel 3.1). In den<br />
letzten Jahren mehren sich die Hinweise, dass<br />
eine solche selektive Rückkehr nicht (mehr) alle<br />
Gruppen von zugewanderten Personen in gleicher<br />
Weise betrifft. Ehemalige Arbeitsmigrantinnen<br />
<strong>und</strong> Arbeitsmigranten, die ihre Familien in<br />
Deutschland haben, kehren bei Krankheit oftmals<br />
nicht in das Herkunftsland zurück (siehe Kapitel<br />
5). Umgekehrt reisen sogar erkrankte Rückkehrerinnen<br />
<strong>und</strong> Rückkehrer aus dem Herkunftsland<br />
wieder nach Deutschland ein, um von der besseren<br />
Ges<strong>und</strong>heitsversorgung zu profitieren [5].<br />
Diese Effekte sind hinsichtlich ihrer Größe noch<br />
nicht ausreichend untersucht <strong>und</strong> können daher<br />
bei der Interpretation von Daten nicht korrekt<br />
berücksichtigt werden.