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Migration und Gesundheit - BITV-Test

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62 <strong>Migration</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit Ges<strong>und</strong>heitliche Lage <strong>und</strong> migrationsspezifische Belastungen<br />

sogar 80 % zu 20 %. Bei den Altersrentnerinnen<br />

<strong>und</strong> -rentnern sieht es genau umgekehrt aus: Hier<br />

sind es jeweils ein Drittel der ausländischen Rentnerinnen<br />

<strong>und</strong> Rentner, die ihre Rente in Deutschland<br />

erhalten, <strong>und</strong> zwei Drittel, die im Ausland<br />

leben [10].<br />

In einer qualitativen Studie wurden in die<br />

Türkei zurückgekehrte, männliche Arbeitsmigranten<br />

nach ihren Beweggründen für die Rückkehrmigration<br />

befragt [101]. Die Ergebnisse zeigen<br />

deutlich, dass die Entscheidung für eine Rückkehr<br />

nicht alleine von wirtschaftlichen oder ges<strong>und</strong>heitlichen<br />

Aspekten abhängig ist. Emotionale Beweggründe,<br />

wie z. B. die Bedeutung des Wohnsitzes<br />

im Heimatland <strong>und</strong> die Bindung an die Familie,<br />

Kultur- <strong>und</strong> Traditionsbewusstsein oder auch der<br />

Wunsch im Heimatland zu sterben, beeinflussen<br />

die Entscheidung zur Rückkehrmigration [101].<br />

Es gibt Hinweise, dass vor allem die älteren Menschen<br />

mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> ein Lebensmuster<br />

verwirklichen, das soziologisch als »transnationale<br />

<strong>Migration</strong>« bezeichnet wird. Transnationale<br />

<strong>Migration</strong> ist durch soziale Strukturen bzw. Räume<br />

gekennzeichnet, die von Menschen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />

zwischen ihrem Herkunfts<strong>und</strong><br />

ihrem Zuwanderungsland gebildet werden.<br />

Praktisch bedeutet dies eine grenzübergreifende<br />

doppelte Wohnsitzführung. Dieses neue Lebensmuster<br />

fügt sich nicht ein in die Zielsetzung der<br />

dauerhaften Niederlassung, die durch die Einbürgerung<br />

gefördert werden soll. Die älteren Menschen<br />

mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong>, insbesondere<br />

aus der nicht zur EU gehörenden Türkei, werden<br />

dadurch zu einer Art »Pioniere wider Willen«,<br />

indem sie unter rechtlichen <strong>und</strong> meistens auch<br />

finanziell einengenden Bedingungen versuchen,<br />

ihre Bindungen an beide Länder aufrecht zu erhalten.<br />

Es wäre wert, genauer zu untersuchen, welche<br />

ges<strong>und</strong>heitlichen Belastungen <strong>und</strong> welche Nutzungsmuster<br />

des Ges<strong>und</strong>heitssystems mit dieser<br />

Lebensform verb<strong>und</strong>en sind, zumal sie nicht nur<br />

Menschen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong>, sondern<br />

auch eine erhebliche Zahl älterer Deutscher mit<br />

einem temporären Wohnsitz in zumeist südlichen<br />

Ländern betrifft.<br />

3.4.4 Ges<strong>und</strong>heitsprobleme von Menschen<br />

ohne legalen Aufenthaltsstatus<br />

Gesicherte Erkenntnisse zur ges<strong>und</strong>heitlichen<br />

Lage von Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus<br />

(sog. »illegal« Aufhältige) sind in Deutschland<br />

kaum verfügbar, denn verlässliches Zahlenmaterial<br />

dazu gibt es bislang nicht. Es existieren<br />

lediglich einzelne, nicht repräsentative Untersuchungen,<br />

die darauf hindeuten, dass sich das<br />

Morbiditätsspektrum in dieser Gruppe wie bei anderen<br />

Menschen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> aus<br />

dem Krankheitsspektrum der Herkunftsländer<br />

<strong>und</strong> dem des Aufnahmelandes zusammensetzt.<br />

Ähnlich wie Menschen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />

mit gültigem Einreise- <strong>und</strong> Aufenthaltspapieren<br />

sind Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus<br />

zum Zeitpunkt der <strong>Migration</strong> vermutlich<br />

vergleichsweise ges<strong>und</strong>, da dies die Chance auf<br />

einen Erfolg der <strong>Migration</strong> erhöht. Allerdings wird<br />

angenommen, dass die unsichere Lebenssituation<br />

<strong>und</strong> der erschwerte Zugang zur medizinischen<br />

Versorgung zu einem spezifischen Risikoprofil<br />

führen. Lindert [102] fasst in ihrem Beitrag zu<br />

ges<strong>und</strong>heitlichen Problemen in der »Illegalität«<br />

folgende Risikofaktoren zusammen:<br />

▶ psychische Belastung durch den unsicheren<br />

Rechtsstatus <strong>und</strong> die andauernde Bedrohung,<br />

entdeckt zu werden<br />

▶ teils gefährliche Arbeitsbedingungen, da die<br />

Absprachen keiner arbeitsrechtlichen Gr<strong>und</strong>lage<br />

entsprechen <strong>und</strong> somit z. B. Arbeitszeitbegrenzungen,<br />

fristgerechte Lohnzahlung oder<br />

Arbeitsschutzverordnungen nicht eingehalten<br />

werden<br />

▶ allgemein schlechte Lebensbedingungen, z. B.<br />

hinsichtlich der Unterbringung <strong>und</strong> der Ernährung<br />

▶ erhöhte Prävalenz von Krankheiten, die in den<br />

Herkunftsländern verbreitet sind, wie z. B. Tuberkulose,<br />

Infektionskrankheiten <strong>und</strong> Traumata<br />

▶ erhöhtes Risiko für sexuell übertragbare Erkrankungen<br />

bei manchen Gruppen.<br />

Es gibt zudem Hinweise darauf, dass die Rechtlosigkeit<br />

von Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus<br />

ihr Risiko erhöht, Opfer von Übergriffen<br />

<strong>und</strong> kriminellen Handlungen zu werden. Hierzu

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