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Migration und Gesundheit - BITV-Test

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Ges<strong>und</strong>heitliche Lage <strong>und</strong> migrationsspezifische Belastungen <strong>Migration</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit 59<br />

tionshintergr<strong>und</strong>. Frauen ohne <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />

rauchen hingegen zu größeren Anteilen<br />

als Frauen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong>. Ob die<br />

seit mehreren Jahren beobachtete Zunahme der<br />

Rauchprävalenz bei jüngeren Frauen auch Frauen<br />

mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> einschließt, ist nicht<br />

klar. Der Alkoholkonsum wie auch der Konsum<br />

illegaler Drogen scheint mit zunehmender Aufenthaltsdauer<br />

bzw. bei Kindern <strong>und</strong> Enkeln zugewanderter<br />

Personen zuzunehmen, ist aber meist<br />

unter Deutschen weiter verbreitet als unter altersgleichen<br />

ausländischen Staatsangehörigen. Informationen<br />

zum Suchtmittelkonsum in höheren<br />

Altersgruppen fehlen bisher ebenso wie Daten, die<br />

bezüglich der Herkunft stärker differenzieren. Sie<br />

liegen nur für einzelne Problembereiche vor.<br />

Die Daten zu Suchterkrankungen basieren<br />

überwiegend auf Behandlungs- <strong>und</strong> Kriminalitätsstatistiken<br />

mit eingeschränkter Aussagekraft.<br />

So kann über die Frage, ob unter Menschen mit<br />

<strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> höhere Erkrankungshäufigkeiten<br />

für bestimmte Suchterkrankungen vorliegen<br />

als unter Deutschen, derzeit nur spekuliert<br />

werden. Allerdings unterstreichen die Daten aus<br />

der Diagnosestatistik des psychiatrischen Landeskrankenhauses<br />

(s. o.) bzw. aus der Falldatei<br />

Rauschgift die Notwendigkeit einer Aufarbeitung<br />

dieser Thematik.<br />

3.4 <strong>Migration</strong>sspezifische Ges<strong>und</strong>heitsbelastungen<br />

3.4.1 Posttraumatische Belastungsstörungen als<br />

Folge von Verfolgung <strong>und</strong> Flucht<br />

<strong>Migration</strong> kann ein lebensrettender Schritt sein,<br />

wenn sie dazu dient, Verfolgung, Vertreibung oder<br />

Krieg zu entkommen. Damit zusammenhängende<br />

Erfahrungen organisierter Gewalt bleiben auch<br />

dann nicht ohne Folgen, wenn die Betroffenen ein<br />

Asylland erreicht haben, in dem sie vor unmittelbarer<br />

Bedrohung geschützt sind. Die psychologischen<br />

Folgen der durchlebten Belastungen<br />

können in eine »posttraumatische Belastungsstörung«<br />

(PTBS) münden. Eine posttraumatische<br />

Belastungsstörung ist definiert als »Reaktion auf<br />

ein belastendes Ereignis oder eine Situation außergewöhnlicher<br />

Bedrohung oder katastrophenartigen<br />

Ausmaßes (kurz oder lang anhaltend), die<br />

bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen<br />

würde« (ICD-10: F43.1 <strong>und</strong> »Diagnostisches<br />

<strong>und</strong> statistisches Manual psychischer Störungen«<br />

DSM-IV: 309.81). Aus der Literatur ist bekannt,<br />

dass posttraumatische Belastungsstörungen die<br />

Suizidgefahr signifikant erhöhen [79].<br />

Wegen des breiten Spektrums potenziell<br />

traumatisierender Ereignisse <strong>und</strong> wegen der uneinheitlichen<br />

Verwendung des Begriffs PTBS ist<br />

eine Schätzung der Häufigkeit schwierig. 1986<br />

interviewten psychologische Mitarbeiter des Dänischen<br />

Roten Kreuzes 3.200 Asylsuchende kurz<br />

nach deren Eintreffen in einer dänischen Sammelunterkunft<br />

für Flüchtlinge. Sie schlossen, dass<br />

mindestens 20 % der Befragten gefoltert worden<br />

waren [80]. Folter kann körperliche <strong>und</strong> psychische<br />

Langzeitfolgen haben, die über die unmittelbaren<br />

Folgen von Flucht <strong>und</strong> Vertreibung hinausreichen<br />

[81, 82, 83].<br />

Einen Einblick in die Situation von Asylsuchenden<br />

in Deutschland geben die erweiterten<br />

Erstuntersuchungen, die das Ges<strong>und</strong>heitsamt<br />

Bremen seit mehreren Jahren durchführt [84, 85].<br />

Aus methodischen Gründen sind die Bef<strong>und</strong>e<br />

allerdings kaum mit denen aus anderen Datenquellen<br />

vergleichbar: Es steht nicht die Frage nach<br />

PTBS im Vordergr<strong>und</strong>, vielmehr hat das Ges<strong>und</strong>heitsamt<br />

die nach dem Asylverfahrensgesetz vorgesehene<br />

Erstuntersuchung zu einer allgemeinen<br />

Ges<strong>und</strong>heitsuntersuchung <strong>und</strong> -beratung erweitert.<br />

Bei 14 % der im Jahr 1999 untersuchten<br />

Personen wurden psychische <strong>und</strong> Verhaltensstörungen<br />

diagnostiziert, bei weiteren 15 % »unklare<br />

Symptome«, überwiegend Kopfschmerzen ungeklärter<br />

Ursache [84, 85].<br />

Zur Situation von Flüchtlingen in Deutschland<br />

kann eine von den Spitzenverbänden der freien<br />

Wohlfahrtspflege, der Arbeitsgemeinschaft Pro<br />

Asyl <strong>und</strong> dem Hohen Flüchtlingskommissar der<br />

Vereinten Nationen (UNHCR) herausgegebenen<br />

Studie herangezogen werden. Danach lebten 1999<br />

8.000 bosnische Flüchtlinge in Deutschland, deren<br />

Traumatisierung von behördlicher Seite als<br />

so schwerwiegend anerkannt wurde, dass sie <strong>und</strong><br />

ihre Familienangehörigen ein vorläufiges Aufenthaltsrecht<br />

erhielten [46]. Das entspricht bei insgesamt<br />

50.000 bosnischen Flüchtlingen, die 1999<br />

in Deutschland lebten, einem Anteil von 16 %.<br />

Nationale <strong>und</strong> internationale Studien legen nahe,<br />

dass bei ehemaligen politischen Häftlingen der

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