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Migration und Gesundheit - BITV-Test

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<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit in der Ges<strong>und</strong>heitsberichterstattung <strong>Migration</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit 23<br />

Fremdenfeindlichkeit reicht von empf<strong>und</strong>ener<br />

Missachtung bis hin zu offener Diskriminierung,<br />

von abfälligen Bemerkungen über rassistische<br />

Schmierereien <strong>und</strong> Beleidigungen bis hin zu<br />

gewaltsamen Übergriffen, Brandstiftung <strong>und</strong> Tötungsdelikten.<br />

Insbesondere von den erstgenannten<br />

Delikten wird nur ein Bruchteil zur Anzeige<br />

gebracht.<br />

Als ein Indikator für die Fremdenfeindlichkeit,<br />

der Menschen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> in<br />

Deutschland ausgesetzt sind, kann auch die Zahl<br />

der Gewalttaten mit fremdenfeindlichem Hintergr<strong>und</strong><br />

herangezogen werden. Der Verfassungsschutzbericht<br />

2006 führt insgesamt 511 politisch<br />

rechts motivierte Gewalttaten mit fremdenfeindlichem<br />

Hintergr<strong>und</strong> im Jahr 2006 auf (basierend<br />

auf Daten des B<strong>und</strong>eskriminalamtes) [35]. In<br />

jedem Falle stellt diese Zahl nur die »Spitze des<br />

Eisberges« der Fremdenfeindlichkeit insgesamt<br />

dar. Der Bielefelder Konflikt- <strong>und</strong> Gewaltforscher<br />

Wilhelm Heitmeyer argumentiert, dass sie das<br />

wirkliche Ausmaß von Ausgrenzung <strong>und</strong> Diskriminierung<br />

sogar eher verdeckt. Er beobachtet ein<br />

»Syndrom von feindseligen Mentalitäten« in der<br />

deutschen Gesellschaft: In seinen repräsentativen<br />

Umfragen äußerten beispielsweise fast 60 % der<br />

Befragten die Ansicht, dass »zu viele Ausländer<br />

in Deutschland leben« [36]. Ein solcher Bef<strong>und</strong><br />

spiegelt die erlebte <strong>und</strong> empf<strong>und</strong>ene Ablehnung,<br />

der sich Menschen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> in<br />

Deutschland im Alltag oft gegenübersehen, treffender<br />

wider als die Zahl fremdenfeindlicher Gewalttaten<br />

allein. Aus dem Bericht der Beauftragten<br />

der B<strong>und</strong>esregierung für <strong>Migration</strong>, Flüchtlinge<br />

<strong>und</strong> Integration geht hervor, dass fremdenfeindliche<br />

Einstellungen in Ost- <strong>und</strong> Westdeutschland<br />

von 2002 bis 2004 zugenommen haben [26].<br />

2.4 Analyse von Daten für die GBE für Menschen<br />

mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />

2.4.1 Schwierigkeiten bei der Interpretation von<br />

Daten<br />

Aus England <strong>und</strong> den USA ist bekannt, dass Angehörige<br />

von Minderheiten eine höhere Sterblichkeit<br />

haben als die Mehrheitsbevölkerung. Entsprechendes<br />

könnte man auch für die ausländische Bevölkerung<br />

in Deutschland erwarten. Dies konnte jedoch<br />

bislang nicht belegt werden [20], ein zunächst<br />

erstaunlicher Bef<strong>und</strong>. Aber auch in einigen anderen<br />

Ländern liegt die beobachtete Sterblichkeit von<br />

zugewanderten Personen (<strong>und</strong> in einigen Fällen<br />

auch ihre Erkrankungshäufigkeit) niedriger als die<br />

der Mehrheitsbevölkerung [37]. Man bezeichnet<br />

dieses Phänomen als »Healthy-migrant«-Effekt<br />

<strong>und</strong> vermutet Auswahleffekte bei der <strong>Migration</strong> als<br />

Ursache. Der »Healthy-migrant«-Effekt kann über<br />

viele Jahre anhalten <strong>und</strong> über bestehende ges<strong>und</strong>heitsrelevante<br />

Probleme wie z. B. Sprachbarrieren<br />

bei der Nutzung von Ges<strong>und</strong>heitsdiensten oder<br />

psychische Folgen von Feindlichkeit gegenüber<br />

Menschen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> hinwegtäuschen.<br />

Er erschwert daher die Interpretation von<br />

Morbiditäts- <strong>und</strong> Mortalitätsdaten (siehe Unterkapitel<br />

3.1).<br />

2.4.2 Schwierigkeiten bei der Wahl von<br />

Vergleichsgruppen<br />

Der Ges<strong>und</strong>heitsstatus einer Gruppe ist (von<br />

Extremfällen abgesehen) nicht aus gemessenen<br />

Absolutwerten ablesbar; vielmehr werden erhobene<br />

Messwerte in aller Regel erst durch Vergleiche<br />

mit den entsprechenden Werten in anderen<br />

Bevölkerungsgruppen interpretierbar. Im Kontext<br />

der Ges<strong>und</strong>heit von Menschen mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />

stellt sich die Frage, welches<br />

der geeignete Standard für Vergleiche sein soll:<br />

Ges<strong>und</strong>heitsdaten aus dem Herkunftsland oder<br />

aus Deutschland? Menschen aus dem Osten der<br />

Türkei haben durchschnittlich niedrigere HDL-<br />

Cholesterinwerte (»gutes« Cholesterin mit schützender<br />

Wirkung) als Deutschstämmige, dadurch<br />

ist ihr Risiko einer ischämischen Herzerkrankung<br />

wahrscheinlich höher [38]. Ein gleiches Risiko wie<br />

bei Deutschen kann in diesem Falle kaum erreicht<br />

werden, daher eignen sich die Erkrankungs- <strong>und</strong><br />

Sterberaten an Herzinfarkt bei Deutschen nicht<br />

als Maßstab für Versorgungsgerechtigkeit. Eine<br />

bessere Vergleichsgruppe wäre die Bevölkerung<br />

im Herkunftsland Türkei.<br />

Durch die Wahl des Herkunftslandes als Vergleich<br />

besteht aber die Gefahr, in Deutschland bestehende<br />

ges<strong>und</strong>heitliche Ungleichheiten zu relativieren:<br />

Türkische Frauen in Deutschland haben nur<br />

ein Zehntel bis ein Zwanzigstel des Risikos eines<br />

mütterlichen Todesfalles im Vergleich zu Frauen in

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