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Der Beitrag der Waldwirtschaft zum Aufbau eines - Deutscher Rat für ...

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34 Schr.-R. d. Deutschen <strong>Rat</strong>es <strong>für</strong> Landespflege (2004), Heft 76, S. 34-35<br />

Karl-Friedrich Sinner<br />

Biotopverbund und <strong>Waldwirtschaft</strong><br />

„Nachhaltige Bewirtschaftung bedeutet<br />

Pflege und Nutzung <strong>der</strong> Wäl<strong>der</strong> und Waldlandschaften<br />

in <strong>der</strong> Weise und Intensität,<br />

dass ihre Artenvielfalt, ihre Produktivität,<br />

ihr Verjüngungspotential, ihre Vitalität und<br />

ihre Fähigkeit, bedeutsame ökologische,<br />

wirtschaftliche und soziale Funktionen heute<br />

und in Zukunft wahrzunehmen, auf allen<br />

Ebenen – örtlich, landesweit und global –<br />

erhalten bleibt, ohne an<strong>der</strong>e Ökosysteme zu<br />

beeinträchtigen.“<br />

Diese Definition nachhaltiger <strong>Waldwirtschaft</strong><br />

durch die zweite Ministerkonferenz<br />

<strong>zum</strong> Schutz <strong>der</strong> Wäl<strong>der</strong> in Europa 1993 in<br />

Helsinki gibt den umfassenden Nachhaltigkeitsanspruch,<br />

<strong>der</strong> an eine mo<strong>der</strong>ne ökologische<br />

<strong>Waldwirtschaft</strong> zu richten ist, sehr<br />

gut wie<strong>der</strong>.<br />

Klar wird gezeigt, dass we<strong>der</strong> die Bewirtschaftung<br />

<strong>der</strong> Wäl<strong>der</strong> ausschließlich als<br />

ökonomische Frage <strong>der</strong> nachhaltigen Produktion<br />

des nachwachsenden Rohstoffes<br />

Holz gesehen werden kann, noch Pflege und<br />

Nutzung <strong>der</strong> Wäl<strong>der</strong> nur als Problem <strong>der</strong><br />

Umweltvorsorge betrachtet werden können.<br />

Diskutiert man über Wald in Deutschland,<br />

so lohnt sich ein Blick zurück in die Vergangenheit<br />

unserer Wäl<strong>der</strong>. Ursprünglich zu ca.<br />

Strukturvielfalt im rumänischen Buchenwald<br />

(Foto: K. -F. Sinner).<br />

90 % von Wald bedeckt, davon zwei Drittel<br />

Laubwäl<strong>der</strong> und diese dominiert von <strong>der</strong><br />

Buche, wurde <strong>der</strong> Waldanteil im Laufe <strong>der</strong><br />

Geschichte auf rund ein Drittel <strong>der</strong> Landesfläche<br />

reduziert und gleichzeitig wurden die<br />

Baumartenverhältnisse zu zwei Dritteln<br />

Nadelholz und nur noch ein Drittel Laubholz<br />

drastisch verän<strong>der</strong>t.<br />

Die Urwäl<strong>der</strong> in den rumänischen Karpaten<br />

zeigen die ganze Vielfalt <strong>der</strong> Strukturen<br />

ursprünglicher Wäl<strong>der</strong>. Urwäl<strong>der</strong> weisen<br />

eine reiche Struktur auf und unterscheiden<br />

sich deutlich vom Erscheinungsbild <strong>der</strong><br />

Altersklassenwäl<strong>der</strong> mit ihrem oft weitgehend<br />

homogenen Aussehen. Die nahezu allgegenwärtigen<br />

Verjüngungs-, Aufwuchs-,<br />

Reife- und Zerfallsstadien lassen den<br />

Buchenwald als ein Netzwerk von Baumgruppen<br />

erkennen, wobei jede Baumgruppe<br />

in sich relativ altersgleich und homogen ist,<br />

von je<strong>der</strong> benachbarten Baumgruppe aber<br />

altersverschieden, so dass auf <strong>der</strong> Fläche<br />

permanent Inhomogenität durch den immer<br />

wie<strong>der</strong>kehrenden Zerfall <strong>der</strong> einzelnen<br />

Baumgruppe und ihre nachfolgende Erneuerung<br />

entsteht. Die Baumgruppe als wesentliches<br />

Steuerungselement reicht dabei vom<br />

Einzelstamm bis zur Horstgröße. Flächenmäßig<br />

größere Einheiten entstehen nur durch<br />

exogene Störungen, z. B. nach Sturmwurf.<br />

So ist <strong>der</strong> Buchenurwald als Ganzes betrachtet<br />

ein außerordentlich stabiles Gebilde,<br />

das dennoch kleinflächig einer ständigen<br />

Dynamik und damit einem ständigen<br />

Wechsel unterliegt. Dies bestätigen auch<br />

die Untersuchungen von KORPEL (1995)<br />

in slowakischen Buchenurwäl<strong>der</strong>n, in denen<br />

alle aus <strong>der</strong> Beschreibung von Urwäl<strong>der</strong>n<br />

bekannten Entwicklungsphasen auf Flächen<br />

von ca. 30 bis 40 ha in einer innig<br />

gemischten Textur gefunden wurden.<br />

Allgegenwärtig ist Tot- und Mo<strong>der</strong>holz in<br />

unterschiedlichster Dimension und unterschiedlichstem<br />

Zersetzungsgrad, wobei stark<br />

dimensionierte Bäume eine dominierende<br />

Rolle spielen.<br />

Ähnliche Strukturen <strong>der</strong> Gruppenbildung<br />

finden sich auch in primären Eichenmischwäl<strong>der</strong>n<br />

und natürlichen Fichtenwäl<strong>der</strong>n,<br />

wobei die Flächenausdehnung <strong>der</strong><br />

einzelnen „Gruppe“ deutlich größer sein<br />

kann; gerade in Fichtenwäl<strong>der</strong>n können Störereignisse<br />

in <strong>der</strong> Kombination Sturmwurf<br />

und Borkenkäfer großflächige Erneuerungs-<br />

prozesse auslösen, wie das Beispiel <strong>der</strong> neu<br />

entstehenden Waldwildnis im Nationalpark<br />

Bayerischer Wald zeigt. Allerdings ist bei<br />

diesen flächigen Ereignissen klar erkennbar,<br />

dass Kahlschläge mit diesen natürlichen<br />

flächigen Steuerungsvorgängen <strong>der</strong><br />

Wal<strong>der</strong>neuerung nicht zu vergleichen o<strong>der</strong><br />

gar zu rechtfertigen sind.<br />

Primärwäl<strong>der</strong> gibt es in Deutschland nicht<br />

mehr. Jahrhun<strong>der</strong>telange Übernutzung,<br />

Weide- und Streunutzung, haben viele Wäl<strong>der</strong><br />

bis Mitte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts devastiert<br />

und an den Rand <strong>der</strong> Vernichtung gebracht.<br />

Die einsetzende planmäßige und nachhaltige<br />

Forstwirtschaft hat die heutigen ertragreichen<br />

Wäl<strong>der</strong> Deutschlands wie<strong>der</strong> aufgebaut.<br />

Natürlich war <strong>für</strong> die Wie<strong>der</strong>bewaldung<br />

die Verwendung <strong>der</strong> Nadelbaumarten Fichte<br />

und Kiefer dominierend, doch bestand<br />

immer das Ziel, diese „Vorwaldgesellschaften“<br />

wie<strong>der</strong> zu gemischten, laubbaumreichen<br />

Wäl<strong>der</strong>n weiterzuentwickeln. Bekanntester<br />

Vertreter dieser For<strong>der</strong>ung <strong>eines</strong><br />

gemischten, ungleichaltrigen Waldes war<br />

gegen Ende des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts <strong>der</strong><br />

Münchener Waldbauprofessor Carl Gayer.<br />

Er empfahl ausdrücklich auf diesem<br />

zukunftsweisenden Weg in eine neue Waldkultur<br />

den Blick zurück in die alten, ursprünglichen<br />

Wäl<strong>der</strong> (GAYER 1878). Eine<br />

mo<strong>der</strong>ne Waldbewirtschaftung geht heute<br />

diesen Weg. Naturverjüngung bei allen<br />

Baumarten zur Erhaltung und Steigerung<br />

<strong>der</strong> Biodiversität <strong>der</strong> Wäl<strong>der</strong> – gerade auch<br />

auf genetischer Ebene –, ist dabei von entscheiden<strong>der</strong><br />

Bedeutung. Dies setzt ein konsequentes<br />

Handeln und Umsetzen des Prinzips<br />

Wald vor Wild voraus, um die Erneuerung<br />

<strong>der</strong> Wäl<strong>der</strong> in ihrer Vielfalt aus dem<br />

Gefängnis des Zaunes, in das sie durch die<br />

Überbetonung tradierter feudalistischer<br />

Trophäenjagdvorstellungen geraten ist, endgültig<br />

zu befreien. Auch <strong>der</strong> Umbau künstlicher<br />

Nadelholzreinbestände in Mischwäl<strong>der</strong><br />

kann nur mit Unterstützung einer waldfreundlichen<br />

Jagd auf <strong>der</strong> Fläche gelingen.<br />

Ökologisch und ökonomisch erfolgreiche<br />

<strong>Waldwirtschaft</strong> kann damit die wesentlichen<br />

Strukturen kleinräumig in sich differenzierter<br />

Wäl<strong>der</strong> als wesentliches Steuerungsinstrument<br />

aufgreifen. Dauerwald in<br />

Form <strong>eines</strong> einzel-, trupp-, gruppen- und<br />

horstweise gemischten, ungleichaltrigen<br />

Waldes erfüllt diese Bedingungen sicherlich<br />

am besten. Größere Öffnungen des Kronen-

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