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Der Beitrag der Waldwirtschaft zum Aufbau eines - Deutscher Rat für ...

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98<br />

Mittel- und Nie<strong>der</strong>wäl<strong>der</strong> werden im typischen<br />

Fall von den sog. „Rechtlern“ bewirtschaftet.<br />

Diese Rechte bestehen meist in<br />

Form von Brennholzbezügen, seltener in<br />

Bauholzrechten o<strong>der</strong> Waldstreunutzungsrechten.<br />

Da die frühere Allmende in das<br />

Gemeindevermögen übergegangen ist, gehört<br />

<strong>der</strong> Grund und Boden in den meisten<br />

Fällen <strong>der</strong> Gemeinde. Das Nutzungsrecht ist<br />

an die Haus- und Hofstelle gebunden. Es<br />

existieren daher Verzeichnisse <strong>der</strong> „berechtigten<br />

Hausnummern“. Lassen sich Nutzungsrechte<br />

nicht mehr in althergebrachter<br />

Form ausüben, erlöschen sie. Bereits durch<br />

einmaliges Nichtausüben kann das Nutzungsrecht<br />

verfallen. Die Arbeiten werden<br />

gemeinschaftlich organisiert und durchgeführt.<br />

Es haben sich spezielle Regeln wie<br />

beispielsweise das Losverfahren zur Gewährleistung<br />

<strong>der</strong> gerechten Verteilung <strong>der</strong><br />

Nutzungsrechte unter den Rechtlern gebildet.<br />

Viele dieser Regeln und Traditionen<br />

wurden bis heute bewahrt.<br />

Nur in wenigen Fällen – vor allem in Franken<br />

– haben sich traditionelle Nutzungssysteme<br />

samt ihrer Gebräuche und Rechtssysteme<br />

bis auf den heutigen Tag erhalten.<br />

Diese alten Rechtsverhältnisse sind kaum<br />

wie<strong>der</strong>herstellbar, wenn sie erst einmal abgelöst<br />

worden sind. Das Bestehen <strong>der</strong> überkommenen<br />

Rechtsformen, das Vorhandensein<br />

von interessierten Rechtlern und die<br />

Ausübung <strong>der</strong> alten Gebräuche sind daher<br />

wertbestimmende Merkmale bei <strong>der</strong> Beurteilung<br />

solcher Waldbestände.<br />

Als Zielfläche <strong>für</strong> den ersten Pilotvertrag<br />

gemäß Richtlinie wurde <strong>der</strong> Rechtlerwald<br />

Ergersheim („Kehrenberg“) im Naturraum<br />

Vor<strong>der</strong>er Steigerwald, Landkreis Neustadt<br />

a. d. Aisch - Bad Windsheim, Regierungsbezirk<br />

Mittelfranken, ausgewählt.<br />

Er ist gut 310 ha groß, geologisch dem<br />

Fränkischen Keuper-Lias-Land zuzuordnen<br />

und liegt 350-426 m ü. d. Meeresspiegel.<br />

Das Nutzungsrecht am Oberholz liegt bei<br />

<strong>der</strong> Gemeinde Ergersheim, das Nutzungsrecht<br />

am Unterholz teilen sich 97 Rechtler.<br />

In den letzten ca. 30 Jahren hat sich die<br />

Umtriebszeit im Rechtlerwald Ergersheim<br />

um fast zehn Jahre – auf <strong>der</strong>zeit 34 Jahre –<br />

verlängert. Zwischenpflegeschritte wie<br />

beispielsweise <strong>der</strong> Läuterungshieb wurden<br />

ganz aufgegeben.<br />

Das naturschutzfachliche Ziel dieses Pilotvertrages<br />

sollte über eine ledigliche Beibehaltung<br />

einer kulturhistorisch interessanten<br />

Mittelwaldbewirtschaftung hinausgehen.<br />

Eine Voraussetzung <strong>für</strong> den Abschluss <strong>eines</strong><br />

Beispielvertrages im Vor<strong>der</strong>en Steigerwald<br />

war daher neben detaillierten Erfassungen<br />

von Strukturen, Lebensraumtypen<br />

und Nutzungsweisen eine genaue Untersu-<br />

chung <strong>der</strong> Autökologie ausgewählter Zielarten<br />

und ökologischer Gilden, um Vertragsinhalte<br />

genauer und zielartenspezifischer<br />

formulieren zu können. Als Zielarten wurden<br />

u. a. Maivogel, Heckenwollafter und<br />

Hirschkäfer ausgewählt, <strong>der</strong>en Lebensraumansprüche<br />

im Folgenden kurz dargestellt<br />

werden sollen.<br />

Zielarten<br />

1. Kleiner Maivogel (Euphydryas maturna)<br />

– Ausgeprägt hygro-thermophile Art.<br />

– Vorkommen in lichten Wäl<strong>der</strong>n mit<br />

<strong>zum</strong>indest zeitweiser hoher Luftfeuchtigkeit,<br />

vor allem Auwald, aber auch in Ersatzbiotopen<br />

(Mittelwald und nie<strong>der</strong>waldartig<br />

genutzte Wäl<strong>der</strong>, hier <strong>der</strong>zeit die<br />

Hauptvorkommen).<br />

– Benötigte Strukturen: Besonnte, junge<br />

Eschen in feuchter Lage. Bei <strong>der</strong> Eiablage<br />

werden nach <strong>der</strong>zeitigem Kenntnisstand<br />

junge Eschen (Baumhöhe bis 3 m) bevorzugt.<br />

Dort bestehen anscheinend ideale<br />

mikroklimatische Verhältnisse: hohe Luftfeuchtigkeit<br />

bei gleichzeitig hoher Wärme<br />

(Eigelege werden i. d. R. nach Süden<br />

ausgerichtet). Wichtig ist anscheinend die<br />

relative Entfernung <strong>zum</strong> Unterholz, in<br />

späten Sukzessionsstadien – also mit hohem<br />

Unterholz – sind die Strukturen <strong>für</strong><br />

den Maivogel nicht mehr nutzbar, da offensichtlich<br />

die Luftfeuchtigkeit nicht<br />

mehr ausreicht.<br />

– Mögliche Maßnahmen: För<strong>der</strong>ung lichter<br />

Waldstrukturen in feuchten/wechselfeuchten<br />

Bereichen. Oberholzdeckung in<br />

feuchten Bereichen sehr gering halten,<br />

Unterholz periodisch entfernen. Schläge<br />

dabei nicht zu groß anlegen, damit keine<br />

Abkühlung und Austrocknung durch den<br />

Wind erfolgen kann. Umtriebszeiten im<br />

Unterholz nicht zu lang, da so <strong>der</strong> lichte<br />

Charakter <strong>der</strong> frühen bis mittleren<br />

Sukzessionsstadien verloren geht; je nach<br />

Stärke des Aufwuchses sind vermutlich<br />

20–25 (evtl. 30) Jahre anzustreben.<br />

2. Heckenwollafter (Eriogaster catax)<br />

– Hygro-thermophile Art.<br />

– Starke Bindung an frühe bis mittlere<br />

Sukzessionsstadien <strong>der</strong> Mittelwaldbewirtschaftung<br />

(<strong>der</strong>zeit einziges Vorkommen<br />

in Mittelwald).<br />

– Die Raupen des Heckenwollafter sind an<br />

das Vorkommen <strong>der</strong> Schlehe gebunden<br />

(<strong>der</strong>zeitiger Diskussionsstand: Anscheinend<br />

werden bei <strong>der</strong> Eiablage verbissene<br />

Schlehen präferiert).<br />

– Mögliche Maßnahmen: s.o.<br />

3. Hirschkäfer (Lucanus cervus)<br />

– Totholzbesiedler, thermophil.<br />

– Lebensraumtyp: lichte Eichenwäl<strong>der</strong>,<br />

Auwäl<strong>der</strong>, Mittelwäl<strong>der</strong>, Hutungen, Parks.<br />

– Hauptbrutsubstrat ist Eichenholz, daneben<br />

liegen Einzelmeldungen von vielen Laubholzarten<br />

vor.<br />

– Benötigte Strukturen: Larvalentwicklung<br />

in holzpilzbesetztem Totholz mit Bodenkontakt<br />

(Stockholz, Wurzelholz, liegendes<br />

Stamm- und starkes Astholz) in besonnter<br />

Lage, die Imagines benötigen zur<br />

Ernährung und Geschlechterfindung „blutende“<br />

Saftbäume, kein Stratenwechsel<br />

möglich, Rotation in Schlagflächen. Stöcke<br />

aus Wintereinschlag können wegen<br />

<strong>der</strong> hohen Gerbstoffkonzentration im<br />

Wurzeldepot i. d. R. nicht besiedelt werden.<br />

– Mögliche Maßnahmen: För<strong>der</strong>ung lichter<br />

Waldstrukturen in trockenen Bereichen,<br />

Anteile solitärer Alteichen erhöhen<br />

und bis zur Alters- und Zerfallsphase erhalten.<br />

„Saftbäume“ erfassen und dauerhaft<br />

erhalten. Erhöhung des Brutmaterialangebotes<br />

auf Schlagflächen durch Belassen<br />

von Eichenlagerholz in sonnenständiger<br />

Lage auf den Flächen (mind. 20<br />

cm Durchmesser). Erhaltung von stehendem<br />

Totholz. Außerhalb <strong>der</strong> Vegetationsruhe<br />

abgestorbenes Eichenholz besitzt eine<br />

gleichmäßige Verteilung <strong>der</strong> Bauminhaltsstoffe<br />

in Wurzel, Stock und Stamm und<br />

ist deshalb <strong>für</strong> die Hirschkäferlarven<br />

besiedelbar. Das im Winter eingeschlagene<br />

Stammholz kann im Gegensatz <strong>zum</strong><br />

Stock und Wurzelholz ebenfalls als<br />

Entwicklungssubstrat dienen.<br />

Aus einer Reihe von Zielarten, die bestimmte<br />

Lebensformen und Biotoptypen repräsentieren,<br />

wurden die jeweils benötigten<br />

Lebensraumstrukturen und -requisiten zusammengefasst<br />

und daraus gezielte Artenhilfsmaßnahmen<br />

zur För<strong>der</strong>ung dieser Strukturen<br />

(und damit <strong>der</strong> Zielarten) abgeleitet.<br />

Um diese Artenhilfsmaßnahmen auf konkrete<br />

Flächen beziehen zu können, wurde –<br />

basierend auf den Zielarten und den von<br />

ihnen benötigten Requisiten – eine<br />

Kartierung <strong>der</strong> wichtigsten Lebensraumstrukturen<br />

in den zukünftigen Vertragsflächen<br />

durchgeführt.<br />

Diese Strukturkartierung und die zielartenspezifischen<br />

Artenhilfsmaßnahmen wurden<br />

dann im engen Kontakt mit <strong>der</strong> Rechtlergemeinschaft<br />

Ergersheim in ein Maßnahmenkonzept<br />

und damit letzten Endes in<br />

einen Vertrag umgesetzt (Abstimmung des<br />

fachlichen Wünschenswerten mit dem faktisch<br />

Machbaren!).<br />

Vertragsinhalte (zusammengefasst)<br />

Die Vertragsfläche ist als Mittelwald mit<br />

einer Umtriebszeit von 25, höchstens 28<br />

Jahren zu bewirtschaften. Die jährliche Einschlags-<br />

bzw. Hiebsfläche beträgt demnach

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