Der Beitrag der Waldwirtschaft zum Aufbau eines - Deutscher Rat für ...
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Mittel- und Nie<strong>der</strong>wäl<strong>der</strong> werden im typischen<br />
Fall von den sog. „Rechtlern“ bewirtschaftet.<br />
Diese Rechte bestehen meist in<br />
Form von Brennholzbezügen, seltener in<br />
Bauholzrechten o<strong>der</strong> Waldstreunutzungsrechten.<br />
Da die frühere Allmende in das<br />
Gemeindevermögen übergegangen ist, gehört<br />
<strong>der</strong> Grund und Boden in den meisten<br />
Fällen <strong>der</strong> Gemeinde. Das Nutzungsrecht ist<br />
an die Haus- und Hofstelle gebunden. Es<br />
existieren daher Verzeichnisse <strong>der</strong> „berechtigten<br />
Hausnummern“. Lassen sich Nutzungsrechte<br />
nicht mehr in althergebrachter<br />
Form ausüben, erlöschen sie. Bereits durch<br />
einmaliges Nichtausüben kann das Nutzungsrecht<br />
verfallen. Die Arbeiten werden<br />
gemeinschaftlich organisiert und durchgeführt.<br />
Es haben sich spezielle Regeln wie<br />
beispielsweise das Losverfahren zur Gewährleistung<br />
<strong>der</strong> gerechten Verteilung <strong>der</strong><br />
Nutzungsrechte unter den Rechtlern gebildet.<br />
Viele dieser Regeln und Traditionen<br />
wurden bis heute bewahrt.<br />
Nur in wenigen Fällen – vor allem in Franken<br />
– haben sich traditionelle Nutzungssysteme<br />
samt ihrer Gebräuche und Rechtssysteme<br />
bis auf den heutigen Tag erhalten.<br />
Diese alten Rechtsverhältnisse sind kaum<br />
wie<strong>der</strong>herstellbar, wenn sie erst einmal abgelöst<br />
worden sind. Das Bestehen <strong>der</strong> überkommenen<br />
Rechtsformen, das Vorhandensein<br />
von interessierten Rechtlern und die<br />
Ausübung <strong>der</strong> alten Gebräuche sind daher<br />
wertbestimmende Merkmale bei <strong>der</strong> Beurteilung<br />
solcher Waldbestände.<br />
Als Zielfläche <strong>für</strong> den ersten Pilotvertrag<br />
gemäß Richtlinie wurde <strong>der</strong> Rechtlerwald<br />
Ergersheim („Kehrenberg“) im Naturraum<br />
Vor<strong>der</strong>er Steigerwald, Landkreis Neustadt<br />
a. d. Aisch - Bad Windsheim, Regierungsbezirk<br />
Mittelfranken, ausgewählt.<br />
Er ist gut 310 ha groß, geologisch dem<br />
Fränkischen Keuper-Lias-Land zuzuordnen<br />
und liegt 350-426 m ü. d. Meeresspiegel.<br />
Das Nutzungsrecht am Oberholz liegt bei<br />
<strong>der</strong> Gemeinde Ergersheim, das Nutzungsrecht<br />
am Unterholz teilen sich 97 Rechtler.<br />
In den letzten ca. 30 Jahren hat sich die<br />
Umtriebszeit im Rechtlerwald Ergersheim<br />
um fast zehn Jahre – auf <strong>der</strong>zeit 34 Jahre –<br />
verlängert. Zwischenpflegeschritte wie<br />
beispielsweise <strong>der</strong> Läuterungshieb wurden<br />
ganz aufgegeben.<br />
Das naturschutzfachliche Ziel dieses Pilotvertrages<br />
sollte über eine ledigliche Beibehaltung<br />
einer kulturhistorisch interessanten<br />
Mittelwaldbewirtschaftung hinausgehen.<br />
Eine Voraussetzung <strong>für</strong> den Abschluss <strong>eines</strong><br />
Beispielvertrages im Vor<strong>der</strong>en Steigerwald<br />
war daher neben detaillierten Erfassungen<br />
von Strukturen, Lebensraumtypen<br />
und Nutzungsweisen eine genaue Untersu-<br />
chung <strong>der</strong> Autökologie ausgewählter Zielarten<br />
und ökologischer Gilden, um Vertragsinhalte<br />
genauer und zielartenspezifischer<br />
formulieren zu können. Als Zielarten wurden<br />
u. a. Maivogel, Heckenwollafter und<br />
Hirschkäfer ausgewählt, <strong>der</strong>en Lebensraumansprüche<br />
im Folgenden kurz dargestellt<br />
werden sollen.<br />
Zielarten<br />
1. Kleiner Maivogel (Euphydryas maturna)<br />
– Ausgeprägt hygro-thermophile Art.<br />
– Vorkommen in lichten Wäl<strong>der</strong>n mit<br />
<strong>zum</strong>indest zeitweiser hoher Luftfeuchtigkeit,<br />
vor allem Auwald, aber auch in Ersatzbiotopen<br />
(Mittelwald und nie<strong>der</strong>waldartig<br />
genutzte Wäl<strong>der</strong>, hier <strong>der</strong>zeit die<br />
Hauptvorkommen).<br />
– Benötigte Strukturen: Besonnte, junge<br />
Eschen in feuchter Lage. Bei <strong>der</strong> Eiablage<br />
werden nach <strong>der</strong>zeitigem Kenntnisstand<br />
junge Eschen (Baumhöhe bis 3 m) bevorzugt.<br />
Dort bestehen anscheinend ideale<br />
mikroklimatische Verhältnisse: hohe Luftfeuchtigkeit<br />
bei gleichzeitig hoher Wärme<br />
(Eigelege werden i. d. R. nach Süden<br />
ausgerichtet). Wichtig ist anscheinend die<br />
relative Entfernung <strong>zum</strong> Unterholz, in<br />
späten Sukzessionsstadien – also mit hohem<br />
Unterholz – sind die Strukturen <strong>für</strong><br />
den Maivogel nicht mehr nutzbar, da offensichtlich<br />
die Luftfeuchtigkeit nicht<br />
mehr ausreicht.<br />
– Mögliche Maßnahmen: För<strong>der</strong>ung lichter<br />
Waldstrukturen in feuchten/wechselfeuchten<br />
Bereichen. Oberholzdeckung in<br />
feuchten Bereichen sehr gering halten,<br />
Unterholz periodisch entfernen. Schläge<br />
dabei nicht zu groß anlegen, damit keine<br />
Abkühlung und Austrocknung durch den<br />
Wind erfolgen kann. Umtriebszeiten im<br />
Unterholz nicht zu lang, da so <strong>der</strong> lichte<br />
Charakter <strong>der</strong> frühen bis mittleren<br />
Sukzessionsstadien verloren geht; je nach<br />
Stärke des Aufwuchses sind vermutlich<br />
20–25 (evtl. 30) Jahre anzustreben.<br />
2. Heckenwollafter (Eriogaster catax)<br />
– Hygro-thermophile Art.<br />
– Starke Bindung an frühe bis mittlere<br />
Sukzessionsstadien <strong>der</strong> Mittelwaldbewirtschaftung<br />
(<strong>der</strong>zeit einziges Vorkommen<br />
in Mittelwald).<br />
– Die Raupen des Heckenwollafter sind an<br />
das Vorkommen <strong>der</strong> Schlehe gebunden<br />
(<strong>der</strong>zeitiger Diskussionsstand: Anscheinend<br />
werden bei <strong>der</strong> Eiablage verbissene<br />
Schlehen präferiert).<br />
– Mögliche Maßnahmen: s.o.<br />
3. Hirschkäfer (Lucanus cervus)<br />
– Totholzbesiedler, thermophil.<br />
– Lebensraumtyp: lichte Eichenwäl<strong>der</strong>,<br />
Auwäl<strong>der</strong>, Mittelwäl<strong>der</strong>, Hutungen, Parks.<br />
– Hauptbrutsubstrat ist Eichenholz, daneben<br />
liegen Einzelmeldungen von vielen Laubholzarten<br />
vor.<br />
– Benötigte Strukturen: Larvalentwicklung<br />
in holzpilzbesetztem Totholz mit Bodenkontakt<br />
(Stockholz, Wurzelholz, liegendes<br />
Stamm- und starkes Astholz) in besonnter<br />
Lage, die Imagines benötigen zur<br />
Ernährung und Geschlechterfindung „blutende“<br />
Saftbäume, kein Stratenwechsel<br />
möglich, Rotation in Schlagflächen. Stöcke<br />
aus Wintereinschlag können wegen<br />
<strong>der</strong> hohen Gerbstoffkonzentration im<br />
Wurzeldepot i. d. R. nicht besiedelt werden.<br />
– Mögliche Maßnahmen: För<strong>der</strong>ung lichter<br />
Waldstrukturen in trockenen Bereichen,<br />
Anteile solitärer Alteichen erhöhen<br />
und bis zur Alters- und Zerfallsphase erhalten.<br />
„Saftbäume“ erfassen und dauerhaft<br />
erhalten. Erhöhung des Brutmaterialangebotes<br />
auf Schlagflächen durch Belassen<br />
von Eichenlagerholz in sonnenständiger<br />
Lage auf den Flächen (mind. 20<br />
cm Durchmesser). Erhaltung von stehendem<br />
Totholz. Außerhalb <strong>der</strong> Vegetationsruhe<br />
abgestorbenes Eichenholz besitzt eine<br />
gleichmäßige Verteilung <strong>der</strong> Bauminhaltsstoffe<br />
in Wurzel, Stock und Stamm und<br />
ist deshalb <strong>für</strong> die Hirschkäferlarven<br />
besiedelbar. Das im Winter eingeschlagene<br />
Stammholz kann im Gegensatz <strong>zum</strong><br />
Stock und Wurzelholz ebenfalls als<br />
Entwicklungssubstrat dienen.<br />
Aus einer Reihe von Zielarten, die bestimmte<br />
Lebensformen und Biotoptypen repräsentieren,<br />
wurden die jeweils benötigten<br />
Lebensraumstrukturen und -requisiten zusammengefasst<br />
und daraus gezielte Artenhilfsmaßnahmen<br />
zur För<strong>der</strong>ung dieser Strukturen<br />
(und damit <strong>der</strong> Zielarten) abgeleitet.<br />
Um diese Artenhilfsmaßnahmen auf konkrete<br />
Flächen beziehen zu können, wurde –<br />
basierend auf den Zielarten und den von<br />
ihnen benötigten Requisiten – eine<br />
Kartierung <strong>der</strong> wichtigsten Lebensraumstrukturen<br />
in den zukünftigen Vertragsflächen<br />
durchgeführt.<br />
Diese Strukturkartierung und die zielartenspezifischen<br />
Artenhilfsmaßnahmen wurden<br />
dann im engen Kontakt mit <strong>der</strong> Rechtlergemeinschaft<br />
Ergersheim in ein Maßnahmenkonzept<br />
und damit letzten Endes in<br />
einen Vertrag umgesetzt (Abstimmung des<br />
fachlichen Wünschenswerten mit dem faktisch<br />
Machbaren!).<br />
Vertragsinhalte (zusammengefasst)<br />
Die Vertragsfläche ist als Mittelwald mit<br />
einer Umtriebszeit von 25, höchstens 28<br />
Jahren zu bewirtschaften. Die jährliche Einschlags-<br />
bzw. Hiebsfläche beträgt demnach