20.09.2012 Aufrufe

Der Beitrag der Waldwirtschaft zum Aufbau eines - Deutscher Rat für ...

Der Beitrag der Waldwirtschaft zum Aufbau eines - Deutscher Rat für ...

Der Beitrag der Waldwirtschaft zum Aufbau eines - Deutscher Rat für ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Rudi Suchant und Veronika Braunisch<br />

1 Einleitung<br />

Die Fragmentierung <strong>der</strong> Landschaft als<br />

Lebensraum <strong>für</strong> Tiere und Pflanzen ist in<br />

Deutschland eine von niemandem mehr bestrittene<br />

Tatsache. Schon 1983 for<strong>der</strong>te <strong>der</strong><br />

Deutsche <strong>Rat</strong> <strong>für</strong> Landespflege ein „integriertes<br />

Schutzgebietssystem“ (DRL 1983).<br />

Bereits vor mehr als 15 Jahren hat die Bundesregierung<br />

eine „Trendwende bei <strong>der</strong><br />

Zerschneidung und Zersiedlung <strong>der</strong> Landschaft“<br />

zu einem politischen Ziel erklärt<br />

(JAEGER 2002). Doch die Versiegelung<br />

<strong>der</strong> Landschaft durch Straßen, Siedlungen<br />

und Bauvorhaben schreitet voran. Auch heute<br />

noch werden Tag <strong>für</strong> Tag weitere 105 ha<br />

<strong>für</strong> Siedlungs- und Verkehrsfläche in Anspruch<br />

genommen (Statistisches Bundesamt<br />

2003). Zwischen <strong>der</strong> Erkenntnis über<br />

ein Problem und dessen Lösung liegen aber<br />

gerade in diesem Bereich offensichtlich<br />

Welten. Als Problemlösung wird beispielsweise<br />

gefor<strong>der</strong>t, einen „Zehnten <strong>für</strong> die<br />

Natur“ zu Verfügung zu stellen (JEDICKE<br />

& MARSHALL 2003) und über naturschutzfachliche<br />

Kriterien zu einer entsprechenden<br />

Gebietsauswahl zu gelangen (BURK-<br />

HARDT et al. 2003). Diese Ansätze verfolgen<br />

das Ziel, <strong>zum</strong>indest einen Teil <strong>der</strong> Landschaft<br />

<strong>für</strong> die Natur zu „retten“. Es wurde<br />

erkannt, dass es hierbei nicht genügt, Gebiete<br />

unter „Schutz“ zu stellen, son<strong>der</strong>n dass<br />

auch intakte Funktionsbeziehungen zwischen<br />

Gebieten <strong>für</strong> die Erhaltung <strong>der</strong><br />

Biodiversität von Bedeutung sind. Als wesentliche<br />

Voraussetzung wurde <strong>der</strong> Biotopverbund<br />

erkannt. Die Vernetzungsfunktion<br />

von Landschaftselementen ist <strong>für</strong> die Wan<strong>der</strong>ung,<br />

die geographische Verbreitung und<br />

den genetischen Austausch wild leben<strong>der</strong><br />

Arten wesentlich (JEDICKE & MAR-<br />

SCHALL 2003). Doch welche Teile einer<br />

Landschaft sind in diesem Sinne zu erhalten,<br />

zu entwickeln o<strong>der</strong> entsprechend sich<br />

selbst zu überlassen, zu bewirtschaften o<strong>der</strong><br />

zu pflegen? Woran orientiert sich ein Biotopverbund?<br />

Ein Weg, diese Fragen zu beantworten,<br />

geht über die Auswahl von Zielarten.<br />

Als Zielarten kommen nach BURK-<br />

HARDT et al. (2003) nur Arten in Frage,<br />

<strong>der</strong>en Hauptgefährdung in <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung<br />

des Habitats liegt. Darüber hinaus sollten<br />

sie großflächige Ökosysteme und die Funktionsfähigkeit<br />

<strong>eines</strong> Biotopverbundes <strong>für</strong><br />

ihr Überleben benötigen. Als eine solche<br />

Zielart <strong>für</strong> den Biotopverbund kann das<br />

Schr.-R. d. Deutschen <strong>Rat</strong>es <strong>für</strong> Landespflege (2004), Heft 76, S. 75-85<br />

Wäl<strong>der</strong> als Kernflächen <strong>eines</strong> Biotopverbundes <strong>für</strong> Wildtiere –<br />

das Auerhuhn als Indikator?<br />

Auerhuhn (Tetrao urogallus L.) angesehen<br />

werden. Als bundesweit vom Aussterben<br />

bedrohte Art qualifiziert es Waldgebiete<br />

durch sein Vorkommen als überregional<br />

bedeutsam. Auf europäischer Ebene kommt<br />

die Bedeutung <strong>der</strong> Raufußhuhnart dadurch<br />

<strong>zum</strong> Ausdruck, dass sie im Anhang I <strong>der</strong><br />

Vogelschutzrichtlinie von 1979 aufgeführt<br />

ist und ihre Erhaltung durch Vogelschutzgebiete<br />

im Rahmen des NATURA 2000-<br />

Netzwerks gesichert werden soll.<br />

Bezogen auf Zielsetzungen <strong>der</strong> <strong>Waldwirtschaft</strong><br />

wird das Auerhuhn gleichzeitig als<br />

Indikator <strong>für</strong> naturnahe und strukturreiche<br />

Bergmischwäl<strong>der</strong> angesehen (SCHRÖDER<br />

1974, LECLERCQ 1987, SCHERZINGER<br />

1991, STORCH 1995, CAS & ADAMIC<br />

1998, GRAF 1998, SIMBERLOFF 1998).<br />

Dabei wurden aber bisher die Zustände und<br />

Entwicklungen von Wäl<strong>der</strong>n, die das Auerhuhn<br />

anzeigt, nur sehr eingeschränkt beschrieben<br />

o<strong>der</strong> definiert. Es besteht allenfalls<br />

eine pauschalisierte Vorstellung über den<br />

idealen „Auerhuhnwald“, bei dem die Betrachtung<br />

auf einzelne Waldbestände, d. h.<br />

auf die lokale Ebene ausgerichtet ist: ein<br />

lichter, meist alter Nadelbaumwald, <strong>der</strong><br />

möglichst aus Kiefern (Pinus silvestris) besteht<br />

und flächendeckend mit üppiger Heidelbeere<br />

(Vaccinium myrtillus) bewachsen<br />

ist. Dieses Idealbild des „Auerhuhnwaldes“<br />

begründet sich auf Erfahrungen aus <strong>der</strong> Forstund<br />

Jagdpraxis, in <strong>der</strong> die Auerhuhnnachweise<br />

mit konkreten Waldstrukturen in Verbindung<br />

gebracht wurden. Beobachtungen<br />

während <strong>der</strong> Balzzeit am Balzplatz o<strong>der</strong> in<br />

dessen Nähe standen hierbei im Vor<strong>der</strong>grund.<br />

Ergänzt wurde das Bild des<br />

Auerhuhnlebensraums durch zahlreiche<br />

Untersuchungen über die Lebensraumansprüche<br />

dieser Vogelart (KOCH 1978, LIN-<br />

DEN 1989, ROLSTAD 1989, STORCH<br />

1993, MENONI 1994, MOSS 1994,<br />

SCHROTH 1994, SCHATZ 1996, KLAUS<br />

1997, VIHT 1997). Diese analysierten<br />

Lebensraumansprüche wurden bisher jedoch<br />

nur ansatzweise mit räumlichen und zeitlichen<br />

Dimensionen in Zusammenhang gebracht.<br />

Allein die Tatsache, dass das durchschnittliche<br />

Streifgebiet von Auerhühnern<br />

zwischen 50 und 200 ha umfasst (WEGGE<br />

& ROLSTAD 1986, ROLSTAD et al. 1988,<br />

STORCH 1993) und bis zu 500 ha (LARSEN<br />

et al. 1982) bzw. 900 ha (BESHKAREV et<br />

al. 1995) groß sein kann, zeigt beispiels-<br />

75<br />

weise, dass eine Lebensraumbewertung bezogen<br />

auf einzelne Waldbestände nicht ausreichend<br />

sein kann. Schon <strong>für</strong> ein Individuum<br />

müssen im Rahmen einer Lebensraumanalyse<br />

mehrere hun<strong>der</strong>t Hektar Wald untersucht<br />

werden. Betrachtet man darüber<br />

hinaus nicht nur die Individuen einer Population,<br />

son<strong>der</strong>n Subpopulationen o<strong>der</strong> Metapopulationen,<br />

so müssen Lebensräume auch<br />

auf regionaler Ebene analysiert werden.<br />

Die Flächengröße dieser Betrachtungsebene<br />

liegt dann bei mehreren zehntausend Hektar.<br />

Neben verschiedenen räumlichen Ebenen<br />

ist bei einer habitatbezogenen Analyse von<br />

Waldökosystemen außerdem eine zeitliche<br />

Dimension zu berücksichtigen, da sich<br />

Wäl<strong>der</strong> dynamisch entwickeln und ihre<br />

Habitatqualität sich dementsprechend laufend<br />

verän<strong>der</strong>t. Bei <strong>der</strong> bisherigen Betrachtung<br />

von Waldökosystemen wurden Raum-<br />

Zeit-Dimensionen unter an<strong>der</strong>em durch die<br />

Mosaik-Zyklus-Theorie erklärt, die das dynamische,<br />

räumlich mosaikartig angeordnete<br />

Nebeneinan<strong>der</strong> verschiedener Sukzessionsstadien<br />

beschreibt. Dabei wurden<br />

in erster Linie die Flächengrößen sog.<br />

„patches“ (= Mosaikbausteine) untersucht,<br />

die Dynamik von Sukzessionen beschrieben<br />

und die Anwendbarkeit des Konzepts in<br />

Urwäl<strong>der</strong>n und in bewirtschafteten Wäl<strong>der</strong>n<br />

diskutiert (REMMERT 1991, SCHER-<br />

ZINGER 1991, SCHMIDT 1991, BÖHMER<br />

1997). Räumliche o<strong>der</strong> zeitliche Maßstäbe,<br />

an denen die Strukturen, Texturen und Abläufe<br />

in Waldökosystemen gemessen und<br />

beurteilt werden können, wurden jedoch<br />

auch durch die Mosaik-Zyklus-Theorie<br />

bisher nicht entwickelt. Solche Maßstäbe<br />

sind aber <strong>zum</strong>indest dann notwendig, wenn<br />

die Bewirtschaftung von Wäl<strong>der</strong>n den Schutz<br />

von Wildtieren, wie den des Auerhuhns,<br />

integrieren soll. Dies wurde bei <strong>der</strong> Aufstellung<br />

<strong>eines</strong> integralen Schutzkonzepts <strong>für</strong><br />

diese Tierart im Schwarzwald deutlich<br />

(SUCHANT 1998). Gerade bei <strong>der</strong> Rolle,<br />

die die <strong>Waldwirtschaft</strong> in Bezug auf einen<br />

Biotopverbund spielen kann, genügt es nicht,<br />

sich auf die Strukturen und Elemente einzelner<br />

Waldbestände zu beziehen. Ein Komplex<br />

von Fragen muss hier<strong>für</strong> beantwortet<br />

werden:<br />

Woran kann die Lage <strong>der</strong> Waldflächen<br />

orientiert werden, in denen die Habitatansprüche<br />

des Auerhuhns durch die <strong>Waldwirtschaft</strong><br />

erfüllt werden sollen – an <strong>der</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!