Der Beitrag der Waldwirtschaft zum Aufbau eines - Deutscher Rat für ...
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Flächen des Bayerischen Biotopverbundes<br />
(Bayern Netz Natur)<br />
Folgende Maßnahmen sind zukünftig<br />
för<strong>der</strong>fähig (soweit sie über die sachgemäße<br />
Waldbewirtschaftung hinausgehen):<br />
1. Spezielle Artenschutzmaßnahmen zur<br />
Entwicklung naturnaher Lebensräume gefährdeter<br />
Arten und zur Umsetzung von<br />
Biotopverbundprojekten (z. B. Verzicht<br />
auf Nutzung von Totholz, Erhaltung von<br />
Horst- und Höhlenbäumen). Prämie je<br />
nach Anzahl, Art und Stärke <strong>der</strong> Stämme<br />
25-100 Euro/ha pro Jahr.<br />
2. Wie<strong>der</strong>herstellung ehemals feuchter bzw.<br />
nasser Waldstandorte (z. B. Renaturierung<br />
von Mooren und Auwäl<strong>der</strong>n). Prämie<br />
je nach Bestand und natürlicher<br />
Wuchskraft des Standorts 50-240 Euro/<br />
ha pro Jahr.<br />
3. Erhaltung von Altbäumen und Altbaumgruppen<br />
zur Anreicherung ökologisch<br />
wertvoller Waldreifestadien. Prämie<br />
je nach Anzahl, Art und Stärke <strong>der</strong><br />
Stämme 25-100 Euro/ha pro Jahr.<br />
4. Erhaltung und Schaffung von Freiflächen<br />
im Wald, insbeson<strong>der</strong>e auf mageren<br />
Feucht- und Trockenstandorten (z. B.<br />
Brennen, Buckelwiesen, Mager- und<br />
Trockenstandorte auf Felsfluren, Jurahängen).<br />
Prämie je nach Pflegeaufwand<br />
und natürlicher Wuchskraft des Standortes<br />
25-100 Euro/ha pro Jahr.<br />
5. Erhaltung und Schaffung von lichten<br />
Waldstrukturen, soweit sie <strong>für</strong> den Artenschutz<br />
von Bedeutung sind. Prämie je<br />
nach Pflegeaufwand und natürlicher<br />
Wuchskraft des Standortes 25-100 Euro/<br />
ha pro Jahr.<br />
6. Beson<strong>der</strong>e waldbauliche Maßnahmen sowie<br />
beson<strong>der</strong>e Bewirtschaftungsformen,<br />
die <strong>der</strong> Erhaltung und <strong>der</strong> Entwicklung<br />
ökologisch wertvoller Waldlebensräume<br />
dienen, auf <strong>der</strong> Grundlage qualifizierter<br />
naturschutzfachlicher Pläne und Konzepte<br />
(z. B. Beschränkung auf Einzelbaumentnahme,<br />
Verzicht auf Düngung o<strong>der</strong><br />
Kalkung, Verzicht auf Pflanzenschutzmittel<br />
mit jeweils unterschiedlichen Prämierungen).<br />
2.2 Beispielhafte Umsetzung<br />
Die ersten Verträge auf Grundlage <strong>der</strong> o. g.<br />
Richtlinie wurden inzwischen vorbereitet.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> naturschutzfachlichen Bedeutung<br />
sowie des aktuellen Gefährdungsgrades<br />
wurde ein Schwerpunkt <strong>für</strong> die beispielhafte<br />
Umsetzung <strong>der</strong> Richtlinie auf die Mittelwäl<strong>der</strong><br />
gelegt.<br />
Als Mittelwäl<strong>der</strong> werden diejenigen Ausschlagwäl<strong>der</strong><br />
bezeichnet, die sich aus locker<br />
verteilten, größeren Einzelbäumen (dem<br />
Oberholz) und den darunter wachsenden<br />
Stockausschlägen (dem Unterholz) zusammensetzen.<br />
Das Unterholz wurde in regelmäßigen<br />
Abständen, nach <strong>der</strong> sog. Umtriebszeit,<br />
geschlagen. Dieses Unterholz<br />
wurde um eine o<strong>der</strong> mehrere Baumschichten<br />
ergänzt, die das Oberholz bildeten. Die aus<br />
Samen hervorgegangenen Oberhölzer (Kernwüchse<br />
o<strong>der</strong> Lassreitel) blieben über mehrere<br />
Umtriebsperioden des Unterholzes stehen<br />
und konnten so die <strong>für</strong> die Nutzholzgewinnung<br />
erwünschten starken Durchmesser<br />
erreichen. Starke Stämme konnten dann<br />
als Bau- o<strong>der</strong> sonstiges Wertholz, schwächere<br />
Stämme als Brennholz genutzt werden.<br />
Die locker stehenden Oberhölzer sollten<br />
möglichst aus fruchttragenden Bäumen<br />
bestehen (Schweine-Endmast). Beson<strong>der</strong>s<br />
wichtig war die Eiche, aber auch die Vogelbeere,<br />
verschiedene Wildobstsorten sowie<br />
Elsbeere, Speierling, Mehlbeere und Linde<br />
waren erwünscht. Das Unterholz bestand<br />
aus Sträuchern, Stockausschlägen, Wurzelbrut<br />
und Naturverjüngung.<br />
<strong>Der</strong> Stockhieb erfolgte im Ausschlagwald<br />
<strong>zum</strong>eist in regelmäßig wie<strong>der</strong>kehrenden<br />
Abständen. Um die dauerhafte Nutzbarkeit<br />
sicherzustellen, wurde <strong>der</strong> Hieb i. d. R.<br />
jeweils nur auf einem <strong>der</strong> Umtriebszeit entsprechenden<br />
Bruchteil des Gesamtbestandes<br />
vorgenommen, wodurch ein kleinräumiges<br />
Nutzungsmosaik und damit ein einmaliges<br />
Nebeneinan<strong>der</strong> von Saumgesellschaften,<br />
Wald-, Halboffen-, und Offenlebensräumen<br />
entstand. Ähnlich manch an<strong>der</strong>er historischer<br />
Nutzung erzeugt auch <strong>der</strong> Mittel- und<br />
Nie<strong>der</strong>waldbetrieb Lebensräume, die heute<br />
in ihrer Bedeutung <strong>für</strong> den Artenschutz kaum<br />
mehr durch an<strong>der</strong>e Lebensraumtypen, auch<br />
nicht durch naturnahe Hochwäl<strong>der</strong>, ersetzt<br />
werden können. Die heute noch existieren-<br />
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den Reste <strong>der</strong> ursprünglich weit verbreiteten<br />
Nie<strong>der</strong>- und Mittelwäl<strong>der</strong> zählen zu den<br />
artenreichsten Lebensraumkomplexen<br />
überhaupt. Mit <strong>der</strong> Aufgabe <strong>der</strong> traditionellen<br />
Nutzungsweisen sind auch die an diesen<br />
Lebensraum angepassten Lebensgemeinschaften<br />
<strong>zum</strong> Aussterben verurteilt. Bedroht<br />
sind die letzten Ausschlagwäl<strong>der</strong> durch<br />
Waldumbau – also gezielte – o<strong>der</strong> durch<br />
Nutzungsaufgabe – also ungezielte – Überführung<br />
in Hochwald.<br />
Ausgehend von einem mündlich überlieferten<br />
Gewohnheitsrecht, dessen Ursprünge<br />
vielerorts aus dem Mittelalter stammten,<br />
ergab sich u. a. aufgrund häufiger Streitigkeiten<br />
die Notwendigkeit, lokale Waldordnungen<br />
zur Regelung <strong>der</strong> Waldnutzung<br />
einzuführen. Es wurde festgelegt, wie viel<br />
Holz eingeschlagen und wie viel Vieh eingetrieben<br />
werden durfte. So basiert<br />
beispielsweise die heutige Mittelwaldnutzung<br />
auf dem Gemeindegebiet Ergersheim<br />
im Wesentlichen immer noch auf einer<br />
1744 erlassenen Waldordnung. In dieser<br />
Waldordnung wurde detailliert festgeschrieben,<br />
welche Art von Nutzung auf welcher<br />
Fläche und in welchem Zeitraum erlaubt ist.<br />
So ist beispielsweise die Ausübung des<br />
Holzrechts auf die Zeit von Martini (11.<br />
November) bis Matthias (24. Februar) beschränkt<br />
und <strong>der</strong> Aufenthalt im Wald verboten,<br />
wenn neue Bürgermeister gewählt werden<br />
o<strong>der</strong> wenn die neuen Gertflächen 1 ausgemessen<br />
werden. Auch <strong>der</strong> Eintrieb von<br />
Vieh in junge Schläge ist verboten.<br />
1 Gertfläche = Fläche, die mittels <strong>der</strong> sog.<br />
Gertstange abgemessen wird; die Gertstangenlänge<br />
variiert von Wald zu Wald, in<br />
Egersheim ist sie etwa 3,6 m lang.<br />
Das Einmessen <strong>der</strong> Hiebsflächen mit <strong>der</strong> Gertstange im Rechtlerwald Egersheim (Foto: R. Bärnthol).