Der Beitrag der Waldwirtschaft zum Aufbau eines - Deutscher Rat für ...
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Mit Stand Februar 2003 waren in Deutschland<br />
792 Naturwaldreservate mit einer durchschnittlichen<br />
Flächengröße von 36,8 ha und<br />
einer Gesamtfläche von 29.140 ha ausgewiesen.<br />
Dies entspricht einem Anteil von<br />
0,27 % an <strong>der</strong> bundesdeutschen Waldfläche.<br />
Tabelle 1 gibt eine Übersicht über Anzahl,<br />
Flächengröße und Anteil <strong>der</strong> Naturwaldreservate<br />
an <strong>der</strong> Waldfläche, geglie<strong>der</strong>t nach<br />
den einzelnen Bundeslän<strong>der</strong>n.<br />
Waldökologische Forschung in<br />
Naturwaldreservaten<br />
Naturwaldreservate haben Forschungs-,<br />
Naturschutz- und Bildungsaufgaben gleichzeitig<br />
zu erfüllen. An erster Stelle steht aus<br />
forstlicher Sicht die Ableitung von Erkenntnissen<br />
<strong>für</strong> die Waldbaupraxis im Wirtschaftswald.<br />
Naturwaldreservate sollen hier die<br />
Null- bzw. Weiserflächen <strong>für</strong> eine naturnahe<br />
Forstwirtschaft darstellen (BÜCKING<br />
1993).<br />
Ein beson<strong>der</strong>s wichtiges Anliegen in den<br />
Reservaten ist es, natürliche Entwicklungen<br />
in unbeeinflussten Waldlebensgemeinschaften<br />
zu erforschen. In diesen Freilandlaboratorien<br />
sind Wissenschaftler aber nur<br />
als stille Beobachter zugelassen, die in die<br />
natürlichen Abläufe nicht eingreifen dürfen.<br />
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse<br />
aus diesen waldökologischen Forschungen<br />
in den Naturwaldreservaten sollen in die<br />
Waldbaupraxis des Wirtschaftswaldes einfließen.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e bei Fragen, wie sich<br />
Waldbäume natürlich verjüngen und wie sie<br />
miteinan<strong>der</strong> konkurrieren, können wir von<br />
Definition Naturwaldreservate<br />
Naturwaldreservate sind rechtlich geschützte Gebiete, in denen <strong>der</strong> Wald sich<br />
selbst überlassen bleibt. In <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland gibt es <strong>für</strong> diese<br />
Gebiete unterschiedliche Namen und Rechtsformen, da die Bundeslän<strong>der</strong> über die<br />
Waldbewirtschaftung weitgehend unabhängig entscheiden und dabei die im Laufe<br />
ihrer regionalen Geschichte höchst unterschiedlichen Entwicklungen <strong>der</strong> Waldnutzung<br />
berücksichtigen. Heute sind deshalb in den Bundeslän<strong>der</strong>n die Begriffe<br />
„Naturwald“ (Nie<strong>der</strong>sachsen, Schleswig-Holstein), „Naturwaldzelle“ (Nordrhein-<br />
Westfalen, Saarland, Sachsen-Anhalt, Sachsen), „Naturwaldparzelle“ (Thüringen),<br />
„Naturwaldreservat“ (Bayern, Rheinland-Pfalz), „Totalreservat“ (Hessen)<br />
und „Bannwald“ (Baden-Württemberg) nebeneinan<strong>der</strong> gebräuchlich. Bei allen<br />
Unterschieden in den Bezeichnungen gibt es doch einen gemeinsamen Nenner – die<br />
Festlegung auf das „Sich-selbst-Überlassen“ des Waldes: Alle vermeidbaren<br />
menschlichen Eingriffe sind hier zu unterlassen (BÜCKING 2003).<br />
<strong>der</strong> Natur lernen. Aus den Forschungsergebnissen<br />
können <strong>für</strong> Wirtschaftswäl<strong>der</strong><br />
auf vergleichbaren Standorten Erkenntnisse<br />
<strong>zum</strong> naturnahen Waldbau abgesichert<br />
und praktische Fragen anschaulich geklärt<br />
werden. Mit den Naturwaldreservaten als<br />
Beobachtungsflächen einer natürlichen<br />
Walddynamik stehen uns <strong>für</strong> den naturnahen<br />
Waldbau auf ganzer Fläche und <strong>für</strong> die<br />
gezielte Entwicklung <strong>der</strong> ökologisch<br />
beson<strong>der</strong>s bedeutsamen Waldflächen sowie<br />
<strong>der</strong> Schutzwäl<strong>der</strong> ein Schatzkästchen <strong>der</strong><br />
Natur zur Verfügung, dass es zu öffnen und<br />
zu nutzen gilt (MÖSSMER & GULDER<br />
2003).<br />
Naturwaldreservate dienen auch dem Naturschutz,<br />
da in ihnen bewusst die natürlichen<br />
Abläufe bzw. Prozesse ohne menschliche<br />
Eingriffe zugelassen sind. Damit werden<br />
auch Zustände o<strong>der</strong> Entwicklungen, die<br />
Tab. 1: Anzahl, durchschnittliche Flächengröße und Flächenanteil an <strong>der</strong> Waldfläche <strong>der</strong><br />
Naturwaldreservate („NWR“) bzw. Naturwäl<strong>der</strong>, Naturwaldzellen, Naturwaldparzellen, Bannwäl<strong>der</strong>,<br />
bestockten Totalreservate, Stand Februar 2003 (Quelle: Unveröffentlichte Statistik <strong>der</strong> Projektgruppe<br />
Naturwäl<strong>der</strong>).<br />
Bundesland Gesamtzahl Ø Flächen- NWR Gesamt- Anteil <strong>der</strong><br />
NWR größe [ha] fläche [ha] NWR an<br />
Waldfläche [%]<br />
Baden-Württemberg 95 60,0 5.697 0,42<br />
Bayern 153 42,5 6.500 0,27<br />
Brandenburg 35 30,4 1.064 0,10<br />
Hamburg 4 12,8 51 1,13<br />
Hessen 30 40,9 1.228 0,15<br />
Mecklenburg-Vorpom. 31 50,3 1.559 0,31<br />
Nie<strong>der</strong>sachsen 104 42,3 4.399 0,40<br />
Nordrhein-Westfalen 73 19,6 1.429 0,16<br />
Rheinland-Pfalz 60 33,6 2.035 0,25<br />
Saarland 11 68,3 751 0,87<br />
Sachsen 14 35,3 494 0,10<br />
Sachsen-Anhalt 15 83,7 1.255 0,29<br />
Schleswig-Holstein 119 13,6 1.614 1,06<br />
Thüringen 48 22,2 1.064 0,21<br />
Bundesgebiet 792 36,8 29.140 0,27<br />
61<br />
aus Naturschutzsicht vorrangig erstrebenswert<br />
sind, wie alte, reife Waldzustandsphasen<br />
mit Zerfallsphasen, geför<strong>der</strong>t. Durch<br />
die Auswahl beson<strong>der</strong>s naturnaher, reifer<br />
Waldstadien dienen die Naturwaldreservate<br />
auch <strong>der</strong> Biotoptradition und <strong>der</strong> Sicherung<br />
und Erhaltung naturnaher Lebensräume.<br />
Gleichzeitig stellen sie Weiserflächen <strong>für</strong><br />
Naturnähe und Umweltmonitoring dar, in<br />
denen das Funktionieren des Naturhaushaltes<br />
bzw. des Ökosystemes beobachtet werden<br />
kann.<br />
Als dritte Aufgabe sollen die Naturwaldreservate<br />
<strong>der</strong> Wissensvermittlung und dem<br />
Naturerlebnis dienen. Sie können dem Besucher<br />
durch ihren sehr naturnahen Eindruck<br />
das Erlebnis von „Urwald“ vermitteln<br />
(ALBRECHT 1990, 1993).<br />
Welche Rolle können<br />
Naturwaldreservate <strong>für</strong> den<br />
Biotopverbund im Wald spielen?<br />
Naturwaldreservate lassen durch die fehlenden<br />
Eingriffe des Menschen bewusst natürliche<br />
Abläufe („Störungen“) zu. Sie erfüllen<br />
damit im höchsten Maße den Anspruch des<br />
Prozessschutzes (SCHMIDT 1999).<br />
Dadurch werden auch Entwicklungen im<br />
Wald geför<strong>der</strong>t, die <strong>für</strong> den Natur- und Artenschutz<br />
zuträglicher sind als z. B. die<br />
Nutzung dieser Waldflächen. Gleichzeitig<br />
werden in diesen Gebieten Eingriffe vermieden,<br />
die Schutzgüter o<strong>der</strong> natürliche<br />
Abläufe beeinträchtigen könnten. Unter diesen<br />
Gesichtspunkten und aus den Ergebnissen<br />
<strong>der</strong> waldökologischen Forschung in<br />
bundesdeutschen Naturwaldreservaten muss<br />
man kritisch bemerken, dass Naturwaldreservate<br />
im Naturschutz oftmals sehr stiefmütterlich<br />
behandelt wurden. In den zurückliegenden<br />
Jahren wurde die Bedeutung<br />
<strong>der</strong> Naturwaldreservate <strong>für</strong> Natur- und Artenschutz<br />
nicht entsprechend gewürdigt. Hier<br />
sei auf die Untersuchungen in Hessen ver-