20.09.2012 Aufrufe

Der Beitrag der Waldwirtschaft zum Aufbau eines - Deutscher Rat für ...

Der Beitrag der Waldwirtschaft zum Aufbau eines - Deutscher Rat für ...

Der Beitrag der Waldwirtschaft zum Aufbau eines - Deutscher Rat für ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

46<br />

zeptiert. Man ist überwiegend bereit, Handlungsfreiheit<br />

in begründbarem Umfang dem<br />

konstitutionellen Interesse zu opfern. Wenn<br />

aber durch zweifelhafte Kodifizierung des<br />

Natur- und Umweltschutzes aus <strong>der</strong> Werthaltung<br />

eine Doktrin wird, die obrigkeitsstaatlich<br />

durchgesetzt werden soll, dann<br />

braucht man sich über Akzeptanzdefizite<br />

nicht zu wun<strong>der</strong>n.<br />

Endgültig vergrault wird man durch die<br />

Begleitmusik mancher Naturschutzverbände,<br />

wie <strong>der</strong> Waldrangliste des WWF <strong>für</strong><br />

Europa, wo Deutschland bei den Anstrengungen<br />

<strong>zum</strong> Schutz <strong>der</strong> Wäl<strong>der</strong> den 14.<br />

Platz von 15 Län<strong>der</strong>n einnimmt und auch in<br />

<strong>der</strong> Gesamtbewertung <strong>der</strong> Waldpolitik mit<br />

Rang 9 in <strong>der</strong> unteren Hälfte liegt.<br />

Einstufungskriterium ist ausschließlich die<br />

gesetzliche Regelungsdichte, nicht etwa<br />

Erscheinungsbild <strong>der</strong> Wäl<strong>der</strong> und freiwillige<br />

Anstrengungen, ökologischen Kriterien<br />

bei <strong>der</strong> Waldbewirtschaftung Rechnung zu<br />

tragen. Nicht zu reden von Greenpeace, die<br />

erklärtermaßen die Wahrheit nach ihrer<br />

Medienwirksamkeit beurteilen und jüngst<br />

mit ihrem Einkaufsratgeber <strong>für</strong> Holz dem<br />

Umweltschutz und <strong>der</strong> Nachhaltigkeit<br />

wie<strong>der</strong> einmal einen Bärendienst erwiesen<br />

haben. Die Verwendung von Fichten-, Kiefern-<br />

und Lärchenholz wird mit abfälligen<br />

Bewertungen gebrandmarkt, weil diese<br />

Baumarten auch in Län<strong>der</strong>n vorkommen,<br />

die Greenpeace des zerstörerischen Holzeinschlags<br />

verdächtigt. Wenn die in<br />

Deutschland betriebene Nachhaltsforstwirtschaft<br />

mit Tropenwaldzerstörung und<br />

Urwaldabholzung in einen Topf geworfen<br />

wird, schadet man <strong>der</strong> Verwendung des<br />

nachwachsenden Rohstoffs Holz und för<strong>der</strong>t<br />

dessen umweltpolitisch problematischen<br />

Substitute.<br />

Die Verfechter negativ konditionierter regulativer<br />

Instrumente unterliegen zwei Irrtümern:<br />

sie überschätzen die Effizienz dieser<br />

Instrumente und sie unterschätzen <strong>der</strong>en<br />

gesamtwirtschaftliche Kosten. Die Begründung<br />

dieser Feststellung würde lei<strong>der</strong> den<br />

Rahmen dieses <strong>Beitrag</strong>s sprengen.<br />

Sind die Akzeptanzdefizite nur ein Vermittlungsproblem,<br />

die, wie OTT (2002)<br />

vorschlägt, durch „diskursive und mediative<br />

Verfahren <strong>der</strong> Akzeptanzgewinnung“ behoben<br />

werden können? Zum Teil ja, aber<br />

mit Missionspädagogik allein ist <strong>der</strong> Glaube<br />

nicht zu wecken; die Botschaft selbst sollte<br />

überzeugen. Ein zweiter Grund <strong>für</strong> die<br />

Akzeptanzdefizite des Waldbesitzes dem<br />

Naturschutz gegenüber liegt in <strong>der</strong> mangelnden<br />

Schlüssigkeit in dessen Zielen.<br />

Inkonsistenz <strong>der</strong> Ziele von Naturund<br />

Umweltschutz<br />

Die Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit von Einzelzielen<br />

im Natur- und Umweltschutz wird nicht<br />

thematisiert. Einzelziele werden nicht nach<br />

ihrer Relevanz bewertet und gegeneinan<strong>der</strong><br />

abgewogen. Opportunitätskosten naturschutzrechtlicher<br />

Beschränkungen werden<br />

nicht kalkuliert und zu dem beabsichtigten<br />

ökologischen Nutzen in Beziehung gesetzt.<br />

Dazu einige Beispiele: Artenvielfalt wird<br />

nicht durch Naturnähe und Prozessschutz<br />

erzielt. Zu schützende Biotope sind <strong>zum</strong><br />

großen Teil Sekundärbiotope, oft entstanden<br />

durch eine Wirtschaftsweise, die<br />

k<strong>eines</strong>falls immer <strong>der</strong> guten fachlichen Praxis<br />

nach heutigem Verständnis entsprochen<br />

hat, z. B.:<br />

Goodyera repens 1 -Bestände unter standortswidrigen<br />

Fichtenbeständen auf Weißjura-Rendzinen<br />

<strong>der</strong> schwäbischen Alb;<br />

seltene Diphasiastrum 2 -Arten an den<br />

Böschungen des vom Naturschutz heftig<br />

bekämpften Straßenneubaus am Nationalpark<br />

Bayerischer Wald;<br />

artenreiche Xerobrometen 3 nach Devastation<br />

thermophiler Wäl<strong>der</strong>;<br />

Uferschwalbenkolonien in nicht rekultivierten<br />

Kieswänden umstrittener Baggerseen.<br />

Prozessschutz macht aus unseren orchideenreichen<br />

Streuwiesen wie<strong>der</strong> Moorrand-<br />

Piceeten 4 . Die vom Naturschutz favorisierten<br />

natürlichen Buchenbestände im Klimaxstadium<br />

sind ohne flächige Verjüngung bar<br />

je<strong>der</strong> Krautflora. Dauerwaldwirtschaft mit<br />

Perpetuierung von Klimaxstadien und Verzicht<br />

auf Räumung und belebte Säume führt<br />

<strong>zum</strong> Verlust lichtbedürftiger Florenelemente<br />

und Verarmung <strong>der</strong> Insektenfauna.<br />

Diese Beobachtungen über die Entstehungsgeschichte<br />

von Sekundärbiotopen sind kein<br />

Plädoyer <strong>für</strong> gezielte Misswirtschaft im<br />

Dienste positiver Folgen <strong>für</strong> die Biodiversität,<br />

aber doch eine Mahnung an die<br />

Normierer, Zertifizierer und Naturschutzplanifikateure,<br />

sich <strong>der</strong> Relativität ihrer Idealvorstellungen<br />

bewusst zu werden.<br />

Das Nachhaltigkeitsziel, den nachwachsenden<br />

Rohstoff Holz nachfragegerecht und<br />

wettbewerbsfähig zu erzeugen, auch unter<br />

verschärften ökonomischen Rahmenbedingungen,<br />

wird durch gutgemeinte, aber<br />

in ihrer Wirkung nicht ausreichend durchdachte<br />

naturschutzrechtliche Restriktionen<br />

erschwert, wodurch ökologisch bedenkliche<br />

Holzsubstitute geför<strong>der</strong>t werden, die<br />

mit großem Energieaufwand aus endlichen<br />

Ressourcen hergestellt werden müssen. All<br />

diese Wi<strong>der</strong>sprüche zwischen Nachhaltig-<br />

keitsgebot, Hemerobie, Prozessschutz und<br />

Biodiversität werden nicht thematisiert.<br />

Kompatibilität zwischen<br />

ökonomischen und ökologischen<br />

Zielen?<br />

In den früher vom Autor geleiteten Forstbetrieben<br />

von Thurn und Taxis wurde versucht,<br />

ökologische Kriterien systematisch<br />

in ein ökonomisches Zielsystem möglichst<br />

kompatibel einzuordnen und operativ umzusetzen.<br />

Es wurde unterschieden:<br />

Erste Kategorie: Ökologische Ziele, die <strong>der</strong><br />

Pflege <strong>der</strong> Wachstumsressourcen dienen,<br />

sind voll im Hauptziel des optimalen, nachhaltigen<br />

Wertzuwachses enthalten.<br />

Hier gibt es keinen Zielkonflikt. Darunter<br />

fällt z. B. die For<strong>der</strong>ung nach standorttauglicher<br />

Baumartenwahl und stabilisieren<strong>der</strong>,<br />

pflegen<strong>der</strong> Laubholzbeimischung im<br />

Nadelholz, natürliche Laubholzmischbestände<br />

an allen Gewässern, auf Talböden<br />

und in Töbeln 5 und Schluchten. Eine typische<br />

ökonomische Optimierungsaufgabe in<br />

dieser Kategorie ist auch <strong>der</strong> Rückegassenabstand<br />

<strong>für</strong> maschinelle Befahrung. <strong>Der</strong> in<br />

Baden-Württemberg verordnete 40-Meter-<br />

Abstand kostet zurzeit Mehraufwendungen<br />

bei <strong>der</strong> Holzernte von ca. sechs Euro je<br />

Festmeter Einschlag gegenüber dem 20-<br />

Meter-Abstand. Das ist in manchen Forstbetrieben<br />

die gesamte Gewinnspanne. Wenn<br />

diesen Opportunitätskosten tatsächlich eine<br />

relevante Beeinträchtigung des Baumwachstums<br />

gegenüberstünde – aber nur dann<br />

– müsste <strong>der</strong> Verzicht auf die 20-Meter-<br />

Gasse schon aus rein ökonomischer Betrachtung<br />

akzeptiert werden.<br />

Zweite Kategorie: Ökologische For<strong>der</strong>ungen,<br />

die mit wichtigen Nebenzielen des ökonomischen<br />

Zielsystems kompatibel sind.<br />

So dient z. B. ein gewisser Anteil an Laubholzbeständen<br />

dem Ziel <strong>der</strong> Produktdiversifikation<br />

und Absicherung künftiger<br />

Erträge. Die ökologische For<strong>der</strong>ung, Laubholzbestände<br />

zu begründen, kostet keine<br />

zusätzliche Opportunitätskosten über die<br />

akzeptierten Opportunitätskosten <strong>der</strong> ökonomischen<br />

Restriktion „Absicherung künftiger<br />

Erträge“ hinaus.<br />

1 Netzblatt, immergrüne Orchideenart<br />

2 Flachbärlapp<br />

3 Trockenrasen mit Bromus erectus (Aufrechte<br />

Trespe)<br />

4 Moorand-Fichtenwald<br />

5 Tobel = enge (Wald-)Schlucht

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!