Der Beitrag der Waldwirtschaft zum Aufbau eines - Deutscher Rat für ...
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zeptiert. Man ist überwiegend bereit, Handlungsfreiheit<br />
in begründbarem Umfang dem<br />
konstitutionellen Interesse zu opfern. Wenn<br />
aber durch zweifelhafte Kodifizierung des<br />
Natur- und Umweltschutzes aus <strong>der</strong> Werthaltung<br />
eine Doktrin wird, die obrigkeitsstaatlich<br />
durchgesetzt werden soll, dann<br />
braucht man sich über Akzeptanzdefizite<br />
nicht zu wun<strong>der</strong>n.<br />
Endgültig vergrault wird man durch die<br />
Begleitmusik mancher Naturschutzverbände,<br />
wie <strong>der</strong> Waldrangliste des WWF <strong>für</strong><br />
Europa, wo Deutschland bei den Anstrengungen<br />
<strong>zum</strong> Schutz <strong>der</strong> Wäl<strong>der</strong> den 14.<br />
Platz von 15 Län<strong>der</strong>n einnimmt und auch in<br />
<strong>der</strong> Gesamtbewertung <strong>der</strong> Waldpolitik mit<br />
Rang 9 in <strong>der</strong> unteren Hälfte liegt.<br />
Einstufungskriterium ist ausschließlich die<br />
gesetzliche Regelungsdichte, nicht etwa<br />
Erscheinungsbild <strong>der</strong> Wäl<strong>der</strong> und freiwillige<br />
Anstrengungen, ökologischen Kriterien<br />
bei <strong>der</strong> Waldbewirtschaftung Rechnung zu<br />
tragen. Nicht zu reden von Greenpeace, die<br />
erklärtermaßen die Wahrheit nach ihrer<br />
Medienwirksamkeit beurteilen und jüngst<br />
mit ihrem Einkaufsratgeber <strong>für</strong> Holz dem<br />
Umweltschutz und <strong>der</strong> Nachhaltigkeit<br />
wie<strong>der</strong> einmal einen Bärendienst erwiesen<br />
haben. Die Verwendung von Fichten-, Kiefern-<br />
und Lärchenholz wird mit abfälligen<br />
Bewertungen gebrandmarkt, weil diese<br />
Baumarten auch in Län<strong>der</strong>n vorkommen,<br />
die Greenpeace des zerstörerischen Holzeinschlags<br />
verdächtigt. Wenn die in<br />
Deutschland betriebene Nachhaltsforstwirtschaft<br />
mit Tropenwaldzerstörung und<br />
Urwaldabholzung in einen Topf geworfen<br />
wird, schadet man <strong>der</strong> Verwendung des<br />
nachwachsenden Rohstoffs Holz und för<strong>der</strong>t<br />
dessen umweltpolitisch problematischen<br />
Substitute.<br />
Die Verfechter negativ konditionierter regulativer<br />
Instrumente unterliegen zwei Irrtümern:<br />
sie überschätzen die Effizienz dieser<br />
Instrumente und sie unterschätzen <strong>der</strong>en<br />
gesamtwirtschaftliche Kosten. Die Begründung<br />
dieser Feststellung würde lei<strong>der</strong> den<br />
Rahmen dieses <strong>Beitrag</strong>s sprengen.<br />
Sind die Akzeptanzdefizite nur ein Vermittlungsproblem,<br />
die, wie OTT (2002)<br />
vorschlägt, durch „diskursive und mediative<br />
Verfahren <strong>der</strong> Akzeptanzgewinnung“ behoben<br />
werden können? Zum Teil ja, aber<br />
mit Missionspädagogik allein ist <strong>der</strong> Glaube<br />
nicht zu wecken; die Botschaft selbst sollte<br />
überzeugen. Ein zweiter Grund <strong>für</strong> die<br />
Akzeptanzdefizite des Waldbesitzes dem<br />
Naturschutz gegenüber liegt in <strong>der</strong> mangelnden<br />
Schlüssigkeit in dessen Zielen.<br />
Inkonsistenz <strong>der</strong> Ziele von Naturund<br />
Umweltschutz<br />
Die Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit von Einzelzielen<br />
im Natur- und Umweltschutz wird nicht<br />
thematisiert. Einzelziele werden nicht nach<br />
ihrer Relevanz bewertet und gegeneinan<strong>der</strong><br />
abgewogen. Opportunitätskosten naturschutzrechtlicher<br />
Beschränkungen werden<br />
nicht kalkuliert und zu dem beabsichtigten<br />
ökologischen Nutzen in Beziehung gesetzt.<br />
Dazu einige Beispiele: Artenvielfalt wird<br />
nicht durch Naturnähe und Prozessschutz<br />
erzielt. Zu schützende Biotope sind <strong>zum</strong><br />
großen Teil Sekundärbiotope, oft entstanden<br />
durch eine Wirtschaftsweise, die<br />
k<strong>eines</strong>falls immer <strong>der</strong> guten fachlichen Praxis<br />
nach heutigem Verständnis entsprochen<br />
hat, z. B.:<br />
Goodyera repens 1 -Bestände unter standortswidrigen<br />
Fichtenbeständen auf Weißjura-Rendzinen<br />
<strong>der</strong> schwäbischen Alb;<br />
seltene Diphasiastrum 2 -Arten an den<br />
Böschungen des vom Naturschutz heftig<br />
bekämpften Straßenneubaus am Nationalpark<br />
Bayerischer Wald;<br />
artenreiche Xerobrometen 3 nach Devastation<br />
thermophiler Wäl<strong>der</strong>;<br />
Uferschwalbenkolonien in nicht rekultivierten<br />
Kieswänden umstrittener Baggerseen.<br />
Prozessschutz macht aus unseren orchideenreichen<br />
Streuwiesen wie<strong>der</strong> Moorrand-<br />
Piceeten 4 . Die vom Naturschutz favorisierten<br />
natürlichen Buchenbestände im Klimaxstadium<br />
sind ohne flächige Verjüngung bar<br />
je<strong>der</strong> Krautflora. Dauerwaldwirtschaft mit<br />
Perpetuierung von Klimaxstadien und Verzicht<br />
auf Räumung und belebte Säume führt<br />
<strong>zum</strong> Verlust lichtbedürftiger Florenelemente<br />
und Verarmung <strong>der</strong> Insektenfauna.<br />
Diese Beobachtungen über die Entstehungsgeschichte<br />
von Sekundärbiotopen sind kein<br />
Plädoyer <strong>für</strong> gezielte Misswirtschaft im<br />
Dienste positiver Folgen <strong>für</strong> die Biodiversität,<br />
aber doch eine Mahnung an die<br />
Normierer, Zertifizierer und Naturschutzplanifikateure,<br />
sich <strong>der</strong> Relativität ihrer Idealvorstellungen<br />
bewusst zu werden.<br />
Das Nachhaltigkeitsziel, den nachwachsenden<br />
Rohstoff Holz nachfragegerecht und<br />
wettbewerbsfähig zu erzeugen, auch unter<br />
verschärften ökonomischen Rahmenbedingungen,<br />
wird durch gutgemeinte, aber<br />
in ihrer Wirkung nicht ausreichend durchdachte<br />
naturschutzrechtliche Restriktionen<br />
erschwert, wodurch ökologisch bedenkliche<br />
Holzsubstitute geför<strong>der</strong>t werden, die<br />
mit großem Energieaufwand aus endlichen<br />
Ressourcen hergestellt werden müssen. All<br />
diese Wi<strong>der</strong>sprüche zwischen Nachhaltig-<br />
keitsgebot, Hemerobie, Prozessschutz und<br />
Biodiversität werden nicht thematisiert.<br />
Kompatibilität zwischen<br />
ökonomischen und ökologischen<br />
Zielen?<br />
In den früher vom Autor geleiteten Forstbetrieben<br />
von Thurn und Taxis wurde versucht,<br />
ökologische Kriterien systematisch<br />
in ein ökonomisches Zielsystem möglichst<br />
kompatibel einzuordnen und operativ umzusetzen.<br />
Es wurde unterschieden:<br />
Erste Kategorie: Ökologische Ziele, die <strong>der</strong><br />
Pflege <strong>der</strong> Wachstumsressourcen dienen,<br />
sind voll im Hauptziel des optimalen, nachhaltigen<br />
Wertzuwachses enthalten.<br />
Hier gibt es keinen Zielkonflikt. Darunter<br />
fällt z. B. die For<strong>der</strong>ung nach standorttauglicher<br />
Baumartenwahl und stabilisieren<strong>der</strong>,<br />
pflegen<strong>der</strong> Laubholzbeimischung im<br />
Nadelholz, natürliche Laubholzmischbestände<br />
an allen Gewässern, auf Talböden<br />
und in Töbeln 5 und Schluchten. Eine typische<br />
ökonomische Optimierungsaufgabe in<br />
dieser Kategorie ist auch <strong>der</strong> Rückegassenabstand<br />
<strong>für</strong> maschinelle Befahrung. <strong>Der</strong> in<br />
Baden-Württemberg verordnete 40-Meter-<br />
Abstand kostet zurzeit Mehraufwendungen<br />
bei <strong>der</strong> Holzernte von ca. sechs Euro je<br />
Festmeter Einschlag gegenüber dem 20-<br />
Meter-Abstand. Das ist in manchen Forstbetrieben<br />
die gesamte Gewinnspanne. Wenn<br />
diesen Opportunitätskosten tatsächlich eine<br />
relevante Beeinträchtigung des Baumwachstums<br />
gegenüberstünde – aber nur dann<br />
– müsste <strong>der</strong> Verzicht auf die 20-Meter-<br />
Gasse schon aus rein ökonomischer Betrachtung<br />
akzeptiert werden.<br />
Zweite Kategorie: Ökologische For<strong>der</strong>ungen,<br />
die mit wichtigen Nebenzielen des ökonomischen<br />
Zielsystems kompatibel sind.<br />
So dient z. B. ein gewisser Anteil an Laubholzbeständen<br />
dem Ziel <strong>der</strong> Produktdiversifikation<br />
und Absicherung künftiger<br />
Erträge. Die ökologische For<strong>der</strong>ung, Laubholzbestände<br />
zu begründen, kostet keine<br />
zusätzliche Opportunitätskosten über die<br />
akzeptierten Opportunitätskosten <strong>der</strong> ökonomischen<br />
Restriktion „Absicherung künftiger<br />
Erträge“ hinaus.<br />
1 Netzblatt, immergrüne Orchideenart<br />
2 Flachbärlapp<br />
3 Trockenrasen mit Bromus erectus (Aufrechte<br />
Trespe)<br />
4 Moorand-Fichtenwald<br />
5 Tobel = enge (Wald-)Schlucht