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Der Beitrag der Waldwirtschaft zum Aufbau eines - Deutscher Rat für ...

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40<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> Waldbewirtschaftung wird<br />

an jedem Waldort ein angemessener Anteil<br />

alter Bäume o<strong>der</strong> Baumgruppen und<br />

von stehendem und liegendem Totholz<br />

zur Sicherung <strong>der</strong> Lebensraumansprüche<br />

hierauf spezialisierter Arten belassen.<br />

Bäume mit Spechthöhlen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>weitig<br />

entstandenen Hohlräumen werden von<br />

einer forstlichen Nutzung ausgenommen<br />

und ihrer natürlichen Alterung sowie dem<br />

natürlichen Verfall überlassen, sofern<br />

nicht wirtschaftlich beson<strong>der</strong>s wertvolle<br />

Bäume betroffen sind o<strong>der</strong> an einem Waldort<br />

mehr als 10 Bäume pro Hektar zu<br />

schützen sind.<br />

Altbäume mit den Horsten von Greifvögeln,<br />

Reihern, Störchen, Kolkraben und<br />

Kormoranen werden geschont.<br />

In <strong>der</strong> Zeit vom 1. März bis <strong>zum</strong> 31. Juli<br />

wird im Umkreis besetzter Horste sowie<br />

im Umkreis von Lebensstätten streng zu<br />

schützen<strong>der</strong> Tierarten (gemäß FFH-Richtlinie)<br />

auf Einschläge sowie sonstige,<br />

störungsintensive forstliche Eingriffe verzichtet.<br />

Waldrän<strong>der</strong> sollen in ihrer ökologischen<br />

Funktion geför<strong>der</strong>t und entwickelt werden.<br />

Bei <strong>der</strong> Bewirtschaftung ist auf die Vorkommen<br />

schutzwürdiger Arten, Lebensraumtypen<br />

und Lebensraumstrukturen in<br />

beson<strong>der</strong>er Weise Rücksicht zu nehmen.<br />

Maßnahmen, die zu einer erheblichen<br />

Verschlechterung des Erhaltungszustandes<br />

schutzwürdiger Arten, Lebensraumtypen<br />

und Lebensraumstrukturen<br />

führen können, sind zu unterlassen.<br />

Entwässerungen im Wald werden grundsätzlich<br />

nicht angelegt o<strong>der</strong> unterhalten.<br />

(5) Eine Pflicht zur Bewirtschaftung des<br />

Waldes besteht nicht.<br />

<strong>Der</strong> naturnahe Wirtschaftswald kann die<br />

Strukturen- und Artenfülle des verloren gegangenen<br />

Urwaldes nicht erreichen. Bei einfühlsamer<br />

Anwendung kann er jedoch ein<br />

hohes Maß an Natürlichkeit entfalten und<br />

den Rohstoff Holz in hervorragen<strong>der</strong> Menge<br />

und Qualität bereitstellen. Den schlagweisen<br />

Hochwald überragt er mit seiner<br />

biologischen Vielfalt bei weitem.<br />

4.3 Großflächige Waldschutzgebiete –<br />

Kernflächen <strong>eines</strong> Biotopverbundes<br />

Die meisten waldbewohnenden Arten Mitteleuropas<br />

vermögen auch außerhalb von<br />

Waldschutzgebieten zu leben. Daneben existieren<br />

jedoch beson<strong>der</strong>s anspruchsvolle Arten,<br />

die entwe<strong>der</strong> ausschließlich auf Naturwaldstrukturen<br />

angewiesen sind o<strong>der</strong><br />

wenigstens von diesen in beson<strong>der</strong>er Weise<br />

profitieren. Diese Arten können in bewirtschafteten<br />

Wäl<strong>der</strong>n nicht o<strong>der</strong> nur unter<br />

erschwerten Bedingungen leben und sind<br />

auf möglichst großflächige, störungsarme<br />

Optimallebensräume als Refugien und<br />

Ausbreitungszentren angewiesen. Hierzu<br />

gehören vor allem solche Arten, die sich auf<br />

die Strukturenvielfalt ausgedehnter, reifer<br />

Waldbestände mit hohem Tot- und Altholzanteil<br />

spezialisiert haben. Das wie<strong>der</strong>holte<br />

Auffinden von beson<strong>der</strong>s seltenen Totholzbewohnern<br />

in Wirtschaftswäl<strong>der</strong>n darf nicht<br />

darüber hinwegtäuschen, dass es sich hierbei<br />

meist um ausklingende Relikte in völlig<br />

isolierten Vorkommen und suboptimalen<br />

Lebensräumen handelt. Große Populationen<br />

von anspruchsvollen Arten und vollständige<br />

Lebensgemeinschaften des Alt- und<br />

Totholzes finden sich nur noch an wenigen<br />

naturnahen, sehr totholzreichen Waldorten<br />

(z. B. GEISER 1989b, MÖLLER 1997,<br />

KÖHLER 1999). Die Rückgewinnung solcher<br />

Lebensräume auf großer Fläche ist das<br />

Ziel des vorliegenden Konzepts. Auch ungestörte<br />

natürliche Prozesse und die<br />

Strukturenfülle von naturbelassenen Waldökosystemen<br />

können nur durch einen flächigen<br />

Ausschluss von menschlicher Einflussnahme<br />

gewährleistet werden. Ein integrierter,<br />

einzelne Bäume o<strong>der</strong> kleine Flächen<br />

erfassen<strong>der</strong> Nutzungsverzicht erreicht<br />

diese Ziele nicht.<br />

Tab. 1 zeigt die spezifischen Ziele verschiedener<br />

Naturschutzstrategien im Wald.<br />

4.3.1 Funktionsabgrenzung <strong>zum</strong><br />

naturnahen Wirtschaftswald<br />

Das Ziel, natürliche Prozesse zu schützen,<br />

kann im Wirtschaftswald nur sehr begrenzt<br />

erreicht werden, wenn dieser seine wirtschaftliche<br />

Funktion nicht gänzlich aufgeben<br />

soll. Auch wenn sich die Waldnutzung<br />

auf die gelegentliche Exploitation weniger<br />

Bäume aus einem ansonsten sich selbst überlassenen<br />

Wald beschränken ließe, würden<br />

die Folgewirkungen dieser Eingriffe die<br />

Entwicklung des Waldes <strong>für</strong> lange Zeit mitbestimmen.<br />

Menschliche Nutzungseingriffe,<br />

auch die extensivsten, entziehen dem Ökosystem<br />

immer die Option, an <strong>der</strong> betreffenden<br />

Stelle und Zeit eine an<strong>der</strong>e Entwicklung<br />

eingeschlagen zu haben. Die Gewinnerzielung<br />

und Holzproduktion sind legitime<br />

Ziele des Wirtschaftswaldes. Sie setzen bei<br />

aller For<strong>der</strong>ung nach mehr Naturnähe auch<br />

menschliches Steuern in vielfältiger Form<br />

voraus. Strukturen und Wirkungsketten gehen<br />

im Wirtschaftswald nie auf die natürliche<br />

Dynamik alleine zurück, son<strong>der</strong>n immer<br />

auch auf den forstlichen Einfluss. Es macht<br />

daher keinen Sinn, dem Wirtschaftswald<br />

das Unmögliche, nämlich den tatsächlichen<br />

Schutz natürlicher Prozesse abzuverlangen.<br />

Sein Spielraum hier<strong>für</strong> ist zu gering. <strong>Der</strong><br />

Wirtschaftswald muss stattdessen sein dürfen,<br />

was er alleine sein kann: ein naturnahes<br />

Kulturökosystem, das natürliche Prozesse<br />

und Strukturen so gut wie möglich einbe-<br />

zieht. <strong>Der</strong> Schutz und die Entwicklung <strong>der</strong><br />

potenziellen natürlichen Vielfalt und einer<br />

ungestörten, natürlichen Dynamik kann dagegen<br />

nur in Schutzgebieten umgesetzt werden,<br />

in denen auf möglichst großer Fläche<br />

die forstliche Bewirtschaftung ruht.<br />

4.3.2 Die Schutzziele und Funktionen<br />

von Waldschutzgebieten<br />

Waldschutzgebiete sollen als Vorrangflächen<br />

<strong>für</strong> naturnahe Waldökosysteme die<br />

nachfolgenden Schutzziele optimal erfüllen:<br />

Schutz und Entwicklung naturbelassener<br />

Waldökosysteme<br />

Bewahrung forstlicher Genressourcen<br />

Erhaltung unzerschnittener zusammenhängen<strong>der</strong><br />

Landschaftsräume<br />

Erhaltung störungsarmer Ruheinseln im<br />

Wald<br />

Erhaltung natürlicher Ökosysteme als<br />

Forschungsobjekte.<br />

4.3.2.1 Schutz und Entwicklung<br />

naturbelassener Waldökosysteme<br />

Spätestens seit <strong>der</strong> Neuzeit werden die Wäl<strong>der</strong><br />

West- und Mitteleuropas flächendeckend<br />

vom Menschen erschlossen und intensiv<br />

genutzt. Ungestörte Prozesse und Strukturen<br />

natürlicher Waldökosysteme sind im<br />

menschgemachten Wald ebenso selten wie<br />

bedrohte Tier- und Pflanzenarten (SCHER-<br />

ZINGER 1990). Weitgehend unbeeinflusste<br />

evolutive Prozesse können heute nur noch<br />

in geschützten, großflächigen Ökosystemen<br />

mit naturbelassener Entwicklungsdynamik<br />

stattfinden.<br />

(1) <strong>Der</strong> Schutz natürlicher Prozesse in Waldschutzgebieten:<br />

Ökosysteme unterliegen mit<br />

allen Teilnehmern ihrer Lebensgemeinschaft<br />

einer stetigen Dynamik (SCHERZINGER<br />

1991). Sukzessionen, Räuber-Beute-Beziehungen,<br />

Migrationen und Fluktuationen von<br />

Arten, Selektion, Mutation und Gendrift,<br />

Prozesse <strong>der</strong> Erneuerung und des Sterbens,<br />

Konkurrenzkämpfe, Prozesse <strong>der</strong> Bodenbildung,<br />

Insektenkalamitäten, Klimaextreme<br />

und <strong>der</strong> Wechsel <strong>der</strong> Jahres- und Tageszeiten<br />

verän<strong>der</strong>n fortwährend die Lebensbedingungen<br />

in naturbelassenen Ökosystemen.<br />

Die natürlichen Prozesse im freien „Spiel<br />

aller mit allen“ sind die Regeln, nach denen<br />

sich die Natur in ihrer langen Entwicklungsgeschichte<br />

ausgerichtet hat. Ein Ökosystem<br />

in seiner natürlichen Ausprägung zu schützen<br />

heißt nicht, es in einem definierten Zustand<br />

einzufrieren. Es geht vielmehr darum,<br />

seiner natürlichen Entwicklung, und damit<br />

seiner Evolution, einen störungsfreien Lauf<br />

zu sichern.<br />

Die fortdauernde Chance zur Wandlung ermöglicht<br />

dem System die flexible Anpassung<br />

an verän<strong>der</strong>bare Umweltbedingungen,

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