Der Beitrag der Waldwirtschaft zum Aufbau eines - Deutscher Rat für ...
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Im Rahmen <strong>der</strong> Waldbewirtschaftung wird<br />
an jedem Waldort ein angemessener Anteil<br />
alter Bäume o<strong>der</strong> Baumgruppen und<br />
von stehendem und liegendem Totholz<br />
zur Sicherung <strong>der</strong> Lebensraumansprüche<br />
hierauf spezialisierter Arten belassen.<br />
Bäume mit Spechthöhlen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>weitig<br />
entstandenen Hohlräumen werden von<br />
einer forstlichen Nutzung ausgenommen<br />
und ihrer natürlichen Alterung sowie dem<br />
natürlichen Verfall überlassen, sofern<br />
nicht wirtschaftlich beson<strong>der</strong>s wertvolle<br />
Bäume betroffen sind o<strong>der</strong> an einem Waldort<br />
mehr als 10 Bäume pro Hektar zu<br />
schützen sind.<br />
Altbäume mit den Horsten von Greifvögeln,<br />
Reihern, Störchen, Kolkraben und<br />
Kormoranen werden geschont.<br />
In <strong>der</strong> Zeit vom 1. März bis <strong>zum</strong> 31. Juli<br />
wird im Umkreis besetzter Horste sowie<br />
im Umkreis von Lebensstätten streng zu<br />
schützen<strong>der</strong> Tierarten (gemäß FFH-Richtlinie)<br />
auf Einschläge sowie sonstige,<br />
störungsintensive forstliche Eingriffe verzichtet.<br />
Waldrän<strong>der</strong> sollen in ihrer ökologischen<br />
Funktion geför<strong>der</strong>t und entwickelt werden.<br />
Bei <strong>der</strong> Bewirtschaftung ist auf die Vorkommen<br />
schutzwürdiger Arten, Lebensraumtypen<br />
und Lebensraumstrukturen in<br />
beson<strong>der</strong>er Weise Rücksicht zu nehmen.<br />
Maßnahmen, die zu einer erheblichen<br />
Verschlechterung des Erhaltungszustandes<br />
schutzwürdiger Arten, Lebensraumtypen<br />
und Lebensraumstrukturen<br />
führen können, sind zu unterlassen.<br />
Entwässerungen im Wald werden grundsätzlich<br />
nicht angelegt o<strong>der</strong> unterhalten.<br />
(5) Eine Pflicht zur Bewirtschaftung des<br />
Waldes besteht nicht.<br />
<strong>Der</strong> naturnahe Wirtschaftswald kann die<br />
Strukturen- und Artenfülle des verloren gegangenen<br />
Urwaldes nicht erreichen. Bei einfühlsamer<br />
Anwendung kann er jedoch ein<br />
hohes Maß an Natürlichkeit entfalten und<br />
den Rohstoff Holz in hervorragen<strong>der</strong> Menge<br />
und Qualität bereitstellen. Den schlagweisen<br />
Hochwald überragt er mit seiner<br />
biologischen Vielfalt bei weitem.<br />
4.3 Großflächige Waldschutzgebiete –<br />
Kernflächen <strong>eines</strong> Biotopverbundes<br />
Die meisten waldbewohnenden Arten Mitteleuropas<br />
vermögen auch außerhalb von<br />
Waldschutzgebieten zu leben. Daneben existieren<br />
jedoch beson<strong>der</strong>s anspruchsvolle Arten,<br />
die entwe<strong>der</strong> ausschließlich auf Naturwaldstrukturen<br />
angewiesen sind o<strong>der</strong><br />
wenigstens von diesen in beson<strong>der</strong>er Weise<br />
profitieren. Diese Arten können in bewirtschafteten<br />
Wäl<strong>der</strong>n nicht o<strong>der</strong> nur unter<br />
erschwerten Bedingungen leben und sind<br />
auf möglichst großflächige, störungsarme<br />
Optimallebensräume als Refugien und<br />
Ausbreitungszentren angewiesen. Hierzu<br />
gehören vor allem solche Arten, die sich auf<br />
die Strukturenvielfalt ausgedehnter, reifer<br />
Waldbestände mit hohem Tot- und Altholzanteil<br />
spezialisiert haben. Das wie<strong>der</strong>holte<br />
Auffinden von beson<strong>der</strong>s seltenen Totholzbewohnern<br />
in Wirtschaftswäl<strong>der</strong>n darf nicht<br />
darüber hinwegtäuschen, dass es sich hierbei<br />
meist um ausklingende Relikte in völlig<br />
isolierten Vorkommen und suboptimalen<br />
Lebensräumen handelt. Große Populationen<br />
von anspruchsvollen Arten und vollständige<br />
Lebensgemeinschaften des Alt- und<br />
Totholzes finden sich nur noch an wenigen<br />
naturnahen, sehr totholzreichen Waldorten<br />
(z. B. GEISER 1989b, MÖLLER 1997,<br />
KÖHLER 1999). Die Rückgewinnung solcher<br />
Lebensräume auf großer Fläche ist das<br />
Ziel des vorliegenden Konzepts. Auch ungestörte<br />
natürliche Prozesse und die<br />
Strukturenfülle von naturbelassenen Waldökosystemen<br />
können nur durch einen flächigen<br />
Ausschluss von menschlicher Einflussnahme<br />
gewährleistet werden. Ein integrierter,<br />
einzelne Bäume o<strong>der</strong> kleine Flächen<br />
erfassen<strong>der</strong> Nutzungsverzicht erreicht<br />
diese Ziele nicht.<br />
Tab. 1 zeigt die spezifischen Ziele verschiedener<br />
Naturschutzstrategien im Wald.<br />
4.3.1 Funktionsabgrenzung <strong>zum</strong><br />
naturnahen Wirtschaftswald<br />
Das Ziel, natürliche Prozesse zu schützen,<br />
kann im Wirtschaftswald nur sehr begrenzt<br />
erreicht werden, wenn dieser seine wirtschaftliche<br />
Funktion nicht gänzlich aufgeben<br />
soll. Auch wenn sich die Waldnutzung<br />
auf die gelegentliche Exploitation weniger<br />
Bäume aus einem ansonsten sich selbst überlassenen<br />
Wald beschränken ließe, würden<br />
die Folgewirkungen dieser Eingriffe die<br />
Entwicklung des Waldes <strong>für</strong> lange Zeit mitbestimmen.<br />
Menschliche Nutzungseingriffe,<br />
auch die extensivsten, entziehen dem Ökosystem<br />
immer die Option, an <strong>der</strong> betreffenden<br />
Stelle und Zeit eine an<strong>der</strong>e Entwicklung<br />
eingeschlagen zu haben. Die Gewinnerzielung<br />
und Holzproduktion sind legitime<br />
Ziele des Wirtschaftswaldes. Sie setzen bei<br />
aller For<strong>der</strong>ung nach mehr Naturnähe auch<br />
menschliches Steuern in vielfältiger Form<br />
voraus. Strukturen und Wirkungsketten gehen<br />
im Wirtschaftswald nie auf die natürliche<br />
Dynamik alleine zurück, son<strong>der</strong>n immer<br />
auch auf den forstlichen Einfluss. Es macht<br />
daher keinen Sinn, dem Wirtschaftswald<br />
das Unmögliche, nämlich den tatsächlichen<br />
Schutz natürlicher Prozesse abzuverlangen.<br />
Sein Spielraum hier<strong>für</strong> ist zu gering. <strong>Der</strong><br />
Wirtschaftswald muss stattdessen sein dürfen,<br />
was er alleine sein kann: ein naturnahes<br />
Kulturökosystem, das natürliche Prozesse<br />
und Strukturen so gut wie möglich einbe-<br />
zieht. <strong>Der</strong> Schutz und die Entwicklung <strong>der</strong><br />
potenziellen natürlichen Vielfalt und einer<br />
ungestörten, natürlichen Dynamik kann dagegen<br />
nur in Schutzgebieten umgesetzt werden,<br />
in denen auf möglichst großer Fläche<br />
die forstliche Bewirtschaftung ruht.<br />
4.3.2 Die Schutzziele und Funktionen<br />
von Waldschutzgebieten<br />
Waldschutzgebiete sollen als Vorrangflächen<br />
<strong>für</strong> naturnahe Waldökosysteme die<br />
nachfolgenden Schutzziele optimal erfüllen:<br />
Schutz und Entwicklung naturbelassener<br />
Waldökosysteme<br />
Bewahrung forstlicher Genressourcen<br />
Erhaltung unzerschnittener zusammenhängen<strong>der</strong><br />
Landschaftsräume<br />
Erhaltung störungsarmer Ruheinseln im<br />
Wald<br />
Erhaltung natürlicher Ökosysteme als<br />
Forschungsobjekte.<br />
4.3.2.1 Schutz und Entwicklung<br />
naturbelassener Waldökosysteme<br />
Spätestens seit <strong>der</strong> Neuzeit werden die Wäl<strong>der</strong><br />
West- und Mitteleuropas flächendeckend<br />
vom Menschen erschlossen und intensiv<br />
genutzt. Ungestörte Prozesse und Strukturen<br />
natürlicher Waldökosysteme sind im<br />
menschgemachten Wald ebenso selten wie<br />
bedrohte Tier- und Pflanzenarten (SCHER-<br />
ZINGER 1990). Weitgehend unbeeinflusste<br />
evolutive Prozesse können heute nur noch<br />
in geschützten, großflächigen Ökosystemen<br />
mit naturbelassener Entwicklungsdynamik<br />
stattfinden.<br />
(1) <strong>Der</strong> Schutz natürlicher Prozesse in Waldschutzgebieten:<br />
Ökosysteme unterliegen mit<br />
allen Teilnehmern ihrer Lebensgemeinschaft<br />
einer stetigen Dynamik (SCHERZINGER<br />
1991). Sukzessionen, Räuber-Beute-Beziehungen,<br />
Migrationen und Fluktuationen von<br />
Arten, Selektion, Mutation und Gendrift,<br />
Prozesse <strong>der</strong> Erneuerung und des Sterbens,<br />
Konkurrenzkämpfe, Prozesse <strong>der</strong> Bodenbildung,<br />
Insektenkalamitäten, Klimaextreme<br />
und <strong>der</strong> Wechsel <strong>der</strong> Jahres- und Tageszeiten<br />
verän<strong>der</strong>n fortwährend die Lebensbedingungen<br />
in naturbelassenen Ökosystemen.<br />
Die natürlichen Prozesse im freien „Spiel<br />
aller mit allen“ sind die Regeln, nach denen<br />
sich die Natur in ihrer langen Entwicklungsgeschichte<br />
ausgerichtet hat. Ein Ökosystem<br />
in seiner natürlichen Ausprägung zu schützen<br />
heißt nicht, es in einem definierten Zustand<br />
einzufrieren. Es geht vielmehr darum,<br />
seiner natürlichen Entwicklung, und damit<br />
seiner Evolution, einen störungsfreien Lauf<br />
zu sichern.<br />
Die fortdauernde Chance zur Wandlung ermöglicht<br />
dem System die flexible Anpassung<br />
an verän<strong>der</strong>bare Umweltbedingungen,