Der Beitrag der Waldwirtschaft zum Aufbau eines - Deutscher Rat für ...
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Georg Winkel<br />
Einführung<br />
<strong>Der</strong> Begriff <strong>der</strong> „Guten fachlichen Praxis“<br />
<strong>der</strong> Landnutzung entstammt ursprünglich<br />
dem Agrarfachrecht. Mit explizitem Bezug<br />
auf die Forstwirtschaft wurde er 1998 erstmalig<br />
im Bundesnaturschutzgesetz aufgeführt.<br />
Gute fachliche Praxis beschreibt dabei<br />
eine zunächst nicht näher spezifizierte, sich<br />
aus den Fachgesetzen ergebende Landbewirtschaftungsweise<br />
nach „gutem Brauch<br />
und Sitte“, die von <strong>der</strong> Eingriffsregelung<br />
des Naturschutzrechts ausgenommen ist. Im<br />
Zuge <strong>der</strong> jüngsten Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes<br />
war die Verankerung<br />
von diese Bewirtschaftungsweise näher beschreibenden<br />
naturschutzfachlichen Grundsätzen<br />
<strong>der</strong> Guten fachlichen Praxis in <strong>der</strong><br />
Landwirtschaft von zentraler Bedeutung.<br />
Gleichsam im Kielwasser <strong>der</strong> agrar- und<br />
naturschutzpolitischen Diskussion wurde<br />
2002 auch <strong>für</strong> die Forstwirtschaft in § 5 Abs.<br />
5 BNatSchG eine naturschutzfachliche „Anfor<strong>der</strong>ung“<br />
1 eingeführt, <strong>der</strong>en <strong>Beitrag</strong> zur<br />
Präzisierung <strong>der</strong> Guten fachlichen Praxis in<br />
<strong>der</strong> Forstwirtschaft nicht abschließend geklärt<br />
scheint.<br />
In <strong>der</strong> aktuellen forst- und naturschutzpolitischen<br />
Debatte kommt <strong>der</strong> Diskussion<br />
um eine mögliche Konkretisierung <strong>der</strong> Guten<br />
fachlichen Praxis in <strong>der</strong> Forstwirtschaft<br />
hohe Aufmerksamkeit zu. Diese Diskussion<br />
wird dabei weniger in Hinblick auf die jüngste<br />
Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes<br />
als auf die erklärte Absicht <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
geführt, das Bundeswaldgesetz zu<br />
novellieren. 2 Im Kreuzfeuer <strong>der</strong> kontroversen<br />
umweltpolitischen Debatte stehen dabei<br />
auch die Vorschläge des Instituts <strong>für</strong> Forstund<br />
Umweltpolitik <strong>für</strong> eine Konkretisierung<br />
<strong>der</strong> Guten fachlichen Praxis, die im Auftrag<br />
des Bundesamtes <strong>für</strong> Naturschutz vorgelegt<br />
wurden.<br />
Im Folgenden soll versucht werden, einen<br />
Überblick über diese Diskussion, unsere<br />
Vorschläge zur Konkretisierung <strong>der</strong> Guten<br />
fachlichen Praxis in <strong>der</strong> Forstwirtschaft und<br />
über die mögliche Bedeutung dieses umweltpolitischen<br />
Instruments als Fundament<br />
einer waldbezogenen Naturschutzpolitik zu<br />
geben.<br />
Die Vorschläge des Instituts <strong>für</strong><br />
Forst- und Umweltpolitik<br />
Im Auftrag des Bundesamtes <strong>für</strong> Naturschutz<br />
bearbeitet das Institut <strong>für</strong> Forst- und<br />
Schr.-R. d. Deutschen <strong>Rat</strong>es <strong>für</strong> Landespflege (2004), Heft 76, S. 49-51<br />
Gute fachliche Praxis in <strong>der</strong> Forstwirtschaft als Fundament einer<br />
waldbezogenen Naturschutzpolitik<br />
Umweltpolitik <strong>der</strong>zeit aus Mitteln des Umweltforschungsplans<br />
<strong>der</strong> Bundesregierung<br />
ein Forschungs- und Entwicklungsvorhaben<br />
zur Guten fachlichen Praxis in <strong>der</strong> Forstwirtschaft.<br />
Im Rahmen dieses Forschungsprojekts<br />
wurde ein Fachgutachten mit Vorschlägen<br />
<strong>für</strong> eine Konkretisierung <strong>der</strong> Guten<br />
fachlichen Praxis vorgelegt, welches<br />
unter dem Titel „Naturschutz und Forstwirtschaft.<br />
Kriterienkatalog zur Guten fachlichen<br />
Praxis“ veröffentlicht worden ist (WIN-<br />
KEL & VOLZ 2003).<br />
Ziel des Gutachterauftrags war eine<br />
Konkretisierung <strong>der</strong> Guten fachlichen Praxis<br />
in <strong>der</strong> Forstwirtschaft anhand von Kriterien,<br />
um darauf aufbauend – neben <strong>der</strong> Herleitung<br />
von Forschungs- und Handlungsdefiziten<br />
– ggf. den aus Naturschutzsicht<br />
notwendigen Bedarf zur Weiterentwicklung<br />
betroffener Rechtsbereiche zu zeigen.<br />
Das Gutachten beschäftigt sich einleitend<br />
mit <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> inhaltlichen Definition des<br />
Begriffs Gute fachliche Praxis. Für die Forstwirtschaft<br />
steht <strong>der</strong> neuere naturschutzrechtlich<br />
geprägte Begriff <strong>der</strong> Guten fachlichen<br />
Praxis neben dem älteren forstrechtlichen<br />
Begriff <strong>der</strong> „Ordnungsgemäßen Forstwirtschaft“.<br />
Diese Dualität ist insofern problematisch,<br />
als die jüngsten Bestrebungen<br />
zu einer naturschutzfachlichen Konkretisierung<br />
<strong>der</strong> Guten fachlichen Praxis im<br />
Bundesnaturschutzgesetz auf die ebenfalls<br />
weitgehend naturschutzfachlich motivierten<br />
Konkretisierungen <strong>der</strong> Ordnungsgemäßen<br />
Forstwirtschaft in einigen Landeswaldgesetzen<br />
treffen. Eine mögliche Rivalität<br />
bei<strong>der</strong> Begriffe ist jedoch elegant aufzulösen,<br />
wenn man mit den Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />
Guten fachlichen Praxis an die Forstwirtschaft<br />
explizit nur naturschutzfachliche<br />
Aspekte verbindet. Die Gute fachliche Praxis<br />
wird somit zu einem - wichtigen – Bestandteil<br />
<strong>der</strong> umfassend (also beispielsweise<br />
auch ressourcenökonomisch o<strong>der</strong> auf soziale<br />
Aspekte) ausgerichteten Ordnungsgemäßen<br />
Forstwirtschaft. Naturschutzfachliche<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Guten fachlichen Praxis<br />
fließen demnach in das Anfor<strong>der</strong>ungsprofil<br />
<strong>der</strong> Ordnungsgemäßen Forstwirtschaft<br />
mit ein, und es spricht viel da<strong>für</strong>, die<br />
beiden Rechtsbegriffe z. B. über die<br />
Novellierung des Bundeswaldgesetzes auch<br />
systematisch in einem Gesetzeswerk zusammenzuführen<br />
(vgl. unten).<br />
49<br />
Hauptergebnis des Gutachtens ist ein Katalog<br />
mit 17 Kriterienvorschlägen zur<br />
Konkretisierung <strong>der</strong> Guten fachlichen Praxis<br />
in <strong>der</strong> Forstwirtschaft. Dieser Kriterienkatalog<br />
wurde hergeleitet, indem in einer<br />
ersten Phase eine Analyse <strong>zum</strong> Stand <strong>der</strong><br />
Forschung im Themenfeld Naturschutz und<br />
Forstwirtschaft unternommen wurde. Diese<br />
wurde durch eine Darstellung relevanter<br />
forst- und naturschutzrechtlicher Regelungen<br />
ergänzt. In einem zweiten Schritt wurden<br />
aus diesen Analysen erste Ansatzpunkte<br />
<strong>für</strong> eine Konkretisierung <strong>der</strong> Guten fachlichen<br />
Praxis abgeleitet und in einem<br />
Expertenworkshop mit Wissenschaftlern<br />
diskutiert, die nach ihrer Expertise im Bereich<br />
Naturschutz und Forstwirtschaft ausgewählt<br />
und eingeladen worden waren. Die<br />
Ergebnisse dieser Diskussion wurden dann<br />
zu den 17 Kriterienvorschlägen zur<br />
Konkretisierung <strong>der</strong> Guten fachlichen Praxis<br />
weiterentwickelt. In dieser letzten<br />
Bearbeitungsphase <strong>der</strong> Gutachtenerstellung<br />
kam einem Analyseprozess zwischen den<br />
naturschutzfachlichen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
einerseits und sozialen und ökonomischen<br />
forstbetrieblichen Aspekten an<strong>der</strong>erseits<br />
beson<strong>der</strong>e Aufmerksamkeit zu. Im Ergebnis<br />
gehen die Kriterienvorschläge also von<br />
naturschutzfachlichen Anfor<strong>der</strong>ungen aus<br />
und versuchen, diese mit ökonomischen und<br />
sozialen Aspekten <strong>der</strong> Waldbewirtschaftung<br />
in Abwägung zu bringen.<br />
Es handelt sich bei den Kriterien jedoch<br />
k<strong>eines</strong>falls um ein festes Kompendium zur<br />
Präzisierung <strong>der</strong> Guten fachlichen Praxis in<br />
<strong>der</strong> Forstwirtschaft, son<strong>der</strong>n um einen wissenschaftlich<br />
begründeten Konkretisierungsvorschlag.<br />
Hieraus resultiert, dass aufbauend<br />
auf <strong>der</strong> wissenschaftlichen Grundlage<br />
ein gesellschaftlich-politischer Aushandlungsprozess<br />
unverzichtbar ist.<br />
1 „Bei <strong>der</strong> forstlichen Nutzung des Waldes ist<br />
das Ziel zu verfolgen, naturnahe Wäl<strong>der</strong> aufzubauen<br />
und diese ohne Kahlschläge nachhaltig<br />
zu bewirtschaften. Ein hinreichen<strong>der</strong><br />
Anteil standortheimischer Forstpflanzen ist<br />
einzuhalten.“ (§ 5 Absatz 5 BNatSchG).<br />
2 „Eine naturnahe <strong>Waldwirtschaft</strong> ist Teil <strong>der</strong><br />
Nachhaltigkeitsstrategie <strong>der</strong> Bundesregierung.<br />
Deshalb soll das Bundeswaldgesetz<br />
reformiert werden.“ (Koalitionsvertrag von<br />
SPD und Grüne vom 16.10.02).