Der Beitrag der Waldwirtschaft zum Aufbau eines - Deutscher Rat für ...
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schützte Refugien <strong>für</strong> störungsanfällige Arten<br />
bewahrt und entwickelt werden. Dies<br />
schließt eine Zugänglichkeit <strong>für</strong> Besucher<br />
auf gelenkten, nach erlebnispädagogischen<br />
und ökologischen Gesichtspunkten ausgewählten<br />
und ggf. neu angelegten Wegen<br />
nicht aus.<br />
4.3.2.4 Naturwald und Forschung<br />
Neben <strong>der</strong> Erhaltung und Entwicklung <strong>der</strong><br />
natürlichen Dynamik mitteleuropäischer<br />
Ökosysteme dienen Waldschutzgebiete als<br />
wichtige Forschungsobjekte <strong>für</strong> langfristiges<br />
Biomonitoring und als forstwirtschaftlich<br />
interessante Weiserflächen <strong>für</strong> den<br />
Waldbau. Nur Waldflächen, die über einen<br />
langen Beobachtungszeitraum hinweg von<br />
menschlichen Einflüssen unbeeinflusst bleiben,<br />
können als Vergleichsflächen <strong>für</strong> ein<br />
langfristiges Umweltmonitoring auch forstwirtschaftlich<br />
verwertbare Erkenntnisse über<br />
Regelmechanismen und Stoffflüsse liefern.<br />
4.3.3 Zur notwendigen Größe von<br />
Schutzgebieten<br />
Waldschutzgebiete sollen sich zu Vorranggebieten<br />
<strong>für</strong> Naturschutzfunktionen entwickeln,<br />
die im Wirtschaftswald nicht verwirklicht<br />
werden können. Die Flächengröße<br />
spielt hierbei eine entscheidende Rolle (z.<br />
B. HOVESTADT et al. 1992; REMMERT<br />
1994; SOULÉ 1986, 1993; HENLE 1994,<br />
FRANK et al. 1994; SCHERZINGER 1990,<br />
1991). Nur ausreichend große Lebensräume<br />
bevorraten eine genügende Anzahl an<br />
Lebensraumrequisiten, um einer <strong>für</strong> das Ökosystem<br />
charakteristischen Artengemeinschaft<br />
ein dauerhaftes Überleben zu gewährleisten<br />
(HOVESTADT et al. 1992;<br />
SHAFFER 1993). Nach HEYDEMANN<br />
(1981) beanspruchen baumbestandene<br />
Biotoptypen ein Minimalareal von 200 bis<br />
800 ha, um ihre charakteristischen Artengemeinschaften<br />
zu beherbergen.<br />
Natürliche Prozesse in <strong>der</strong> Natur lassen sich<br />
nur auf großen, unbeeinflussten Flächen<br />
sichern (SCHERZINGER 1996, HEINRICH<br />
1997). Das vollständige Inventar aller<br />
Zyklusstadien enthält ein Ökosystem erst ab<br />
einer bestimmten Flächengröße. Nach<br />
RUNKLE (1985) und BARDEN (1989)<br />
beträgt die Turnover-<strong>Rat</strong>e bei Baumlückenverjüngung<br />
in ungestörten Wäl<strong>der</strong>n <strong>der</strong> gemäßigten<br />
Zone Nordamerikas 0,5 bis 1 %.<br />
Das heißt, dass erst in Reservaten von 100<br />
bis 200 ha die Flächensumme <strong>eines</strong> Baumjahrgangs<br />
größer als 1 ha ist (SCHMIDT<br />
1991). KORPEL (1995) differenziert: Die<br />
kleinstrukturierten, stabilen Buchenurwäl<strong>der</strong><br />
beinhalten bereits ab 30 ha dauerhaft ihr<br />
gesamtes Zykleninventar, gemischte Laubund<br />
Nadelwäl<strong>der</strong> erreichen ihre Zyklennachhaltigkeit<br />
erst ab einer Fläche von 40<br />
bis 50 ha und die Fichtenurwäl<strong>der</strong> <strong>der</strong> Hoch-<br />
lagen benötigen hier<strong>für</strong> 60 ha. In diese Überlegungen<br />
sind Katastrophenereignisse und<br />
langfristige Zyklen mit möglichen nachhaltigen<br />
Verschiebungen <strong>der</strong> Artenzusammensetzung<br />
(Sukzessionen) noch nicht einbezogen.<br />
Umweltereignisse wie Windwürfe,<br />
Brände, Insekten- und Pilzvermehrungen<br />
o<strong>der</strong> Trockenheit gehören jedoch zur natürlichen<br />
Umwelt nahezu jedes Waldstandortes<br />
und treten mehr o<strong>der</strong> weniger regelmäßig<br />
auf.<br />
Ein Schutzkonzept mit dem Ziel <strong>der</strong> dauerhaften<br />
Bewahrung von überlebensfähigen<br />
Populationen darf nicht davon ausgehen,<br />
dass dieser Standort dauerhaft katastrophenfrei<br />
bleibt. Zur Risikoabsicherung sollten<br />
Schutzgebiete so bemessen sein, dass sie<br />
alle Phasen und Raumstrukturen des Naturwaldzyklus<br />
mitsamt ihren Lebensgemeinschaften<br />
in einer Mehrzahl von Vorkommen<br />
beinhalten. Zudem sind großflächige<br />
Waldökosysteme keine einheitlichen Flächen.<br />
Schon auf engem Raum können sich<br />
die Geländemorphologie, <strong>der</strong> Wasserhaushalt,<br />
das Kleinklima o<strong>der</strong> die Bodeneigenschaften<br />
verän<strong>der</strong>n und sehr verschiedene,<br />
angepasste Lebensgemeinschaften<br />
hervorbringen. Ein standörtlich heterogenes<br />
Schutzgebiet kann demnach von den<br />
meisten Arten nur auf Teilflächen besiedelt<br />
werden. <strong>Der</strong> Flächenzuschnitt von Schutzgebieten<br />
muss dies berücksichtigen. Einzelne<br />
Standorttypen müssen <strong>zum</strong> Schutz ihrer<br />
spezifischen Lebensgemeinschaften auf einer<br />
ausreichend großen Einzelfläche o<strong>der</strong><br />
als Verbund von Teilflächen im Schutzgebiet<br />
enthalten sein. In Mittelgebirgslandschaften<br />
mit ihrer Standortvielfalt kann<br />
dies nur auf einer geschützten Fläche von<br />
mehreren hun<strong>der</strong>t bis mehreren tausend<br />
Hektar geschehen (REMMERT 1990,<br />
HEINRICH 1997).<br />
5 Ausblick<br />
Wie stehen die Chancen, einen Biotopverbund<br />
im deutschen Wald zu erreichen?<br />
Vieles spricht da<strong>für</strong>. Zum einen hat sich <strong>der</strong><br />
Wald in Deutschland in den vergangenen 15<br />
Jahren positiv entwickelt: Kahlschläge sind<br />
heute seltene Ausnahmen, die Umwandlung<br />
von Nadelbaumforsten zu naturnah<br />
gemischten Beständen da<strong>für</strong> umso allgegenwärtiger,<br />
und Totholz kommt im<br />
Wirtschaftswald immerhin vor – wenn auch<br />
noch immer in viel zu geringer Menge. Die<br />
Fläche <strong>der</strong> Nationalparks und strenger Waldschutzgebiete,<br />
in denen die natürliche Entwicklung<br />
<strong>der</strong> Waldökosysteme gesichert<br />
wird, hat sich um ein Vielfaches vergrößert.<br />
Durch NATURA 2000 wurden bedeutende<br />
Waldflächen <strong>zum</strong>indest in ihrer aktuellen<br />
43<br />
Qualität gesichert. Das gezeigte Konzept<br />
<strong>eines</strong> Biotopverbundes im Wald könnte also<br />
aufgehen, wenn sich die positive Entwicklung<br />
fortsetzte.<br />
Die forstpolitische Großwetterlage gibt indes<br />
vielfältigen Anlass zu Sorge. Die<br />
Privatisierungswelle, die die staatlichen<br />
Forstverwaltungen erreicht hat, lässt kaum<br />
Perspektiven <strong>für</strong> eine Fortsetzung <strong>der</strong> naturnahen<br />
Ausrichtung <strong>der</strong> öffentlichen Wäl<strong>der</strong><br />
erkennen. Die staatlichen und kommunalen<br />
Waldbesitzer messen die Erfolge <strong>der</strong> Forstwirtschaft<br />
in nie gekannter Weise am wirtschaftlichen<br />
Ergebnis. Ein naturnaher Wald<br />
muss den wirtschaftlichen Vergleich nicht<br />
scheuen. Ein Wald im Umbau kann jedoch<br />
allzu leicht einen Rückfall in die Betriebsmodelle<br />
des Altersklassenwaldes erleiden.<br />
In dieser Situation wirkt <strong>der</strong> Beschluss <strong>der</strong><br />
Bundesregierung, das Bundeswaldgesetz zu<br />
novellieren, wie ein Anachronismus. Dabei<br />
ist diese Novelle gerade jetzt von größter<br />
Bedeutung. Dem durchaus berechtigten öffentlichen<br />
Interesse an effektiven und<br />
verschlankten forstlichen Verwaltungsstrukturen<br />
muss das – langfristig wichtigere<br />
– öffentliche Interesse an einer nachhaltigen,<br />
naturnahen Entwicklung <strong>der</strong> Waldökosysteme<br />
entgegengesetzt werden. Nur<br />
mit einem ökologisch ausgerichteten<br />
ordnungsrechtlichen Rahmen ließen sich<br />
beide Interessen miteinan<strong>der</strong> vereinbaren.<br />
6 Literatur<br />
ALBRECHT, L. (1990): Grundlagen, Ziele und<br />
Methodik <strong>der</strong> waldökologischen Forschung in<br />
Naturwaldreservaten. - Schriftenreihe Naturwaldreservate<br />
in Bayern, Band 1, 221 S.<br />
BARDEN, L. S. (1989): Repeatability in forest<br />
gap research: Studies in the Great Smoky<br />
Mountains.- Ecology, 70, 558-559.<br />
BEGEMANN, F. & VÖGEL, R. (Hg.) (1996):<br />
In-situ-Erhaltung pflanzengenetischer Ressourcen<br />
in <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland am natürlichen<br />
Standort und on farm. Tagungsband<br />
<strong>eines</strong> Symposiums vom 11. bis 13. Okt. 1995. -<br />
Schr.-R. d. Informationszentrums f. Genet. Ress.<br />
(IGR) Band 2, Bonn, 241 S.<br />
DRL (<strong>Deutscher</strong> <strong>Rat</strong> <strong>für</strong> Landespflege) (1983):<br />
Ein „integriertes Schutzgebietssystem“ zur Sicherung<br />
von Natur- und Landschaft - entwickelt<br />
am Beispiel des Landes Nie<strong>der</strong>sachsen. - Schr- R.<br />
d. Deutschen <strong>Rat</strong>es <strong>für</strong> Landespflege, H. 41, 5-<br />
14.<br />
DIETZ, P.; KNIGGE, W. & LÖFFLER, H. (1984):<br />
Wal<strong>der</strong>schließung. - Hamburg, Berlin, 426 S.<br />
FRANK, K.; DRECHSLER, M. & WISSEL, C.<br />
(1994): Überleben in fragmentierten Lebensräumen<br />
- Stochastische Modelle zu Metapopulationen.<br />
- Zeitschr. <strong>für</strong> Ökologie u. Naturschutz,<br />
3, 167-178.<br />
GEISER, R. (1989a): Spezielle Käfer-Biotope,<br />
welche <strong>für</strong> die meisten übrigen Tiergruppen weniger<br />
relevant sind und daher in <strong>der</strong> Naturschutzpraxis<br />
<strong>zum</strong>eist übergangen werden. – Schr.-R.<br />
<strong>für</strong> Landschaftspflege und Naturschutz, H. 29,<br />
168-276.