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Der Beitrag der Waldwirtschaft zum Aufbau eines - Deutscher Rat für ...

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Tab. 1: Spezifische Ziele <strong>der</strong> verschiedenen Naturschutzstrategien im Wald (Heinrich 1997, 1997a).<br />

Strategie Naturnaher Integrierte Kleine bis Großflächige<br />

Waldbau Maßnahmen mittelgroße Waldschutzgebiete<br />

Naturschutzziel Waldschutzgebiete (über 100 ha)<br />

(unter 100 ha)<br />

Schutz naturnaher Waldökosysteme + - ++ ++<br />

Schutz natürlicher dynamischer Prozesse -/+ - + ++<br />

Schutz seltener natürlicher Waldgesellschaften -/+ + ++ ++<br />

Vermin<strong>der</strong>ung von Isolationseffekten + ++ - -<br />

Schutz überlebensfähiger Populationen von Naturwaldarten - + + ++<br />

Naturnahe Baumartenzusammensetzung -/+ - ++ ++<br />

Schutz von Altholz -/+ + ++ ++<br />

Schutz von Pionierwaldstadien -/+ + ++ ++<br />

Schutz von Höhlenbäumen - ++ ++ ++<br />

Schutz von Totholz - + ++ ++<br />

Zeichenerläuterung:<br />

++ = Hauptziel <strong>der</strong> Strategie, Naturschutzziel wird sehr gut erreicht.<br />

+ = Nebenziel <strong>der</strong> Strategie, Naturschutzziel wird regelmäßig befriedigend erreicht.<br />

-/+ = Naturschutzziel wird teilweise gut, teilweise nicht erreicht, Beurteilung vom Einzelfall abhängig.<br />

- = Naturschutzziel wird nicht erreicht.<br />

z. B. Klimaschwankungen. <strong>Der</strong> Naturwald<br />

selektiert in hohem Maße nach tatsächlicher<br />

Reproduktionsfähigkeit. Nur wenige Individuen<br />

gehen aus einer zahlreichen<br />

Keimlingsgeneration als „Gewinner“ <strong>eines</strong><br />

harten Ausleseprozesses hervor. Unter den<br />

angepassten Individuen entscheidet die Fähigkeit<br />

zur erfolgreichen Reproduktion (Fitness)<br />

darüber, wessen Erbanlagen in <strong>der</strong><br />

kommenden Generation vertreten sein werden.<br />

<strong>Der</strong> Selektionsprozess verliert bis ins<br />

höchste Alter nicht seine Schärfe. Ein alter<br />

Baum muss im Laufe s<strong>eines</strong> Lebens mehrfach<br />

Verän<strong>der</strong>ungen in seiner Umwelt und<br />

Massenentwicklungen von Pilzen und Insekten<br />

meistern. Nur wenige, sehr angepasste<br />

Bäume überschreiten das durchschnittliche<br />

artspezifische Lebensalter und<br />

überdauern ihre Generation <strong>für</strong> ein bis zwei<br />

Jahrhun<strong>der</strong>te (!). Sie reproduzieren sehr viel<br />

länger und damit wahrscheinlich auch erfolgreicher.<br />

Die ungestörte Alterung prägt<br />

nicht nur die Struktur des Naturwaldes entscheidend.<br />

Sie ist als konservatives Element<br />

auch ein wichtiger Faktor, dem stetigen<br />

Drang nach Erneuerung zu begegnen und an<br />

bewährten Eigenschaften und Strategien<br />

festzuhalten. Nichts entfernt den Wirtschaftswald<br />

so sehr vom Naturzustand wie<br />

<strong>der</strong> Mangel an Alterungsprozessen.<br />

(2) <strong>Der</strong> Zufall als Teil <strong>der</strong> Walddynamik:<br />

Allein aus <strong>der</strong> endogenen Zyklizität läßt<br />

sich die Dynamik <strong>eines</strong> naturbelassenen<br />

Waldökosystems nicht erklären. <strong>Der</strong><br />

vorhersehbare (deterministische) Verlauf <strong>der</strong><br />

Zyklenfolge wird immer wie<strong>der</strong> durch den<br />

Zufall als Gestalter (OTTO 1994, SCHER-<br />

ZINGER 1996) überlagert. Es sind gerade<br />

die unvorhersehbaren Umformungen, Sukzessionen<br />

und Zufälle, die <strong>der</strong> Diversität<br />

ihre Dauerhaftigkeit verleihen (GERKEN<br />

1988, REMMERT 1987, OTTO 1994).<br />

Naturereignisse, die <strong>der</strong> Mensch als „Katastrophe“<br />

o<strong>der</strong> Störung empfindet, sind dem<br />

Naturwald als systemimmanente Regelerscheinungen<br />

einer von außen beeinflussten<br />

(exogenen) Dynamik wohlvertraut: Sogar<br />

schlagartige Strukturverän<strong>der</strong>ungen durch<br />

Windwürfe, Schnee- und Eisbruch, Insekten,<br />

Pilze, Brände o<strong>der</strong> Hochwässer stabilisieren<br />

langfristig die Formen- und Artenfülle,<br />

indem sie angepassten Spezialisten<br />

und Pionieren zwischenzeitlich zu Vorteilen<br />

verhelfen (GEPP 1986). <strong>Der</strong> Zyklus des<br />

Naturwaldes folgt keiner naturgesetzlichen<br />

Reihenfolge. Durch zahlreiche Faktoren<br />

können nachhaltige Verzögerungen, Unregelmäßigkeiten<br />

und Abweichungen von seinem<br />

regelhaften Entwicklungsgang eintreten.<br />

Die Folge können beispielsweise lange<br />

währende baumlose o<strong>der</strong> -arme Stadien, z.<br />

B. infolge von Wildverbiss, Vergrasung,<br />

Brombeerwuchs o<strong>der</strong> Biberflutungen sein.<br />

Ebenso denkbar sind nachhaltige Verschiebungen<br />

in <strong>der</strong> Baumartenzusammensetzung<br />

durch Verän<strong>der</strong>ungen des Standorts (z. B.<br />

Hangrutschung nach Brand), Zufall o<strong>der</strong><br />

biogene Selektionen (Insekten, Pilze, Schalenwild).<br />

(3) Die Bedeutung von Waldschutzgebieten<br />

<strong>für</strong> den Schutz <strong>der</strong> Lebensgemeinschaften<br />

des Totholzes: Störungsarmut und die daraus<br />

resultierende Biotopkontinuität sind auch<br />

<strong>für</strong> viele Totholzarten wichtige Faktoren,<br />

41<br />

die über ihr Vorkommen und ihren Fortbestand<br />

entscheiden können. In störungsarmen<br />

o<strong>der</strong> störungsfreien (Ur-)Wäl<strong>der</strong>n sind jahrhun<strong>der</strong>tealte<br />

Baumriesen, kranke Bäume,<br />

Tot- und Faulholz, Mulm und rissige Borke<br />

ein überall häufiger Lebensraum. Diese verschiedenen<br />

Totholzstrukturen in hohen<br />

Quantitäten und hoher räumlicher Dichte<br />

können in Wirtschaftswäl<strong>der</strong>n mit integrierten<br />

Totholzstrategien nicht erreicht werden:<br />

In slowakischen Buchenurwäl<strong>der</strong>n sinkt<br />

<strong>der</strong> Totholzanteil während <strong>der</strong> totholzarmen<br />

Optimalphase selten unter 30 Kubikmeter<br />

pro Hektar (KORPEL 1995).<br />

Trotz deutlicher Vorratsschwankungen<br />

tritt an einem konkreten Standort keine<br />

Unterbrechung <strong>der</strong> zeitlichen Totholzkontinuität<br />

auf. Allenfalls die Kontinuität<br />

bestimmter Totholzstrukturen und -zustände<br />

mag <strong>für</strong> vergleichsweise kurze Zeit<br />

unterbrochen werden.<br />

Die totholzreichen Zerfalls- und Verjüngungsphasen<br />

im Urwald sind lange<br />

dauernd und räumlich nah verteilt. Auch<br />

<strong>für</strong> stenotope Arten steht die vollständige<br />

Auswahl an Tot- und Altholzstrukturen in<br />

erreichbarer Entfernung und genügen<strong>der</strong><br />

Quantität zur Verfügung.<br />

In naturbelassenen Wäl<strong>der</strong>n wächst ein<br />

Großteil <strong>der</strong> Bäume bis zu seinen physiologischen<br />

Grenzen. Es entstehen mächtige<br />

Baumgebilde, die zu großdimensionierten<br />

Totholzruinen mit reichhaltigem<br />

Nischenangebot und langer Bestandesdauer<br />

werden.<br />

Im naturbelassenen Wald ist Totholz <strong>der</strong><br />

kontinuierliche Ausfluss <strong>der</strong> gesamten<br />

Biomasseproduktion aller Bäume. Dage-

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