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Der Beitrag der Waldwirtschaft zum Aufbau eines - Deutscher Rat für ...

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6<br />

entstehen verinselte Biotoprestflächen. Diese<br />

sind oft zu klein, um die strukturelle und<br />

funktionale Komplexität <strong>der</strong> Ökosysteme in<br />

naturnahen Wäl<strong>der</strong>n sowie das den jeweiligen<br />

naturräumlichen Bedingungen entsprechende<br />

Mosaik an Entwicklungsstadien und<br />

-phasen zu gewährleisten. Außerdem besteht<br />

durch die Zerschneidung die Gefahr,<br />

dass die <strong>für</strong> die Überlebensfähigkeit <strong>der</strong><br />

ihnen eigenen Pflanzen- und Tierpopulationen<br />

erfor<strong>der</strong>liche Mindestgröße (mininum<br />

viable population – MVP) unterschritten<br />

wird.<br />

Verkleinerung und Verinselung <strong>der</strong> Lebensräume<br />

beeinflussen unter an<strong>der</strong>em<br />

die genetische Variation, darunter demographisch<br />

bedeutsamer Parameter,<br />

Struktur und Dynamik <strong>der</strong> Populationen,<br />

z. B. Dispersions- und Austauschprozesse,<br />

Aussterbe- und Immigrationsprozesse.<br />

<strong>Der</strong> Genaustausch innerhalb und zwischen<br />

Populationen einer Art wird eingeschränkt,<br />

die Lebensfähigkeit von Populationen und<br />

Arten kann vermin<strong>der</strong>t sowie das Aussterberisiko<br />

erhöht werden. Außerdem vergrößern<br />

sich durch Verinselung <strong>der</strong> Biotope <strong>der</strong><br />

Außenrand und damit die Einflüsse externer<br />

Faktoren, was sich bei angrenzenden intensiven<br />

und die Umwelt belastenden Landnutzungen<br />

durch Störeinflüsse und Stoffeinträge<br />

negativ auswirkt.<br />

Diese Erkenntnisse sind nicht neu. Deshalb<br />

wurden in den beiden letzten Jahrzehnten<br />

verschiedentlich For<strong>der</strong>ungen nach einem<br />

Biotopverbund (z. B. HEYDEMANN 1983,<br />

BFANL 1989, JEDICKE 1990) erhoben<br />

und Bemühungen unternommen, <strong>zum</strong>indest<br />

lokal o<strong>der</strong> regional einen solchen zu entwickeln<br />

(z. B. ZELTNER & GEMPERLEIN<br />

1992). Bisherige Aktivitäten konzentrierten<br />

sich aber meist auf lokale Vernetzungen<br />

durch lineare Strukturen, um die ausgeräumte<br />

Landschaft mit kulturlandschaftstypischen<br />

Biotopen und Arten zu bereichern.<br />

Erst mit <strong>der</strong> Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes<br />

vom April 2002 wurde<br />

bundesweit festgelegt, einen län<strong>der</strong>übergreifenden<br />

Biotopverbund unter funktionalen<br />

Gesichtspunkten zu schaffen. Das Ziel<br />

<strong>eines</strong> <strong>der</strong>artigen Biotopverbundes ist gemäß<br />

§ 3 BNatSchG<br />

heimische Tier- und Pflanzenarten und<br />

<strong>der</strong>en Populationen einschließlich ihrer<br />

Lebensräume und Lebensgemeinschaften<br />

nachhaltig zu sichern sowie<br />

funktionsfähige ökologische Wechselbeziehungen<br />

zu bewahren, wie<strong>der</strong>herzustellen<br />

und zu entwickeln.<br />

Damit ist ein äußerst anspruchsvolles Ziel<br />

definiert. <strong>Der</strong> angestrebte Biotopverbund<br />

soll nicht nur nach bestimmten Naturschutz-<br />

kriterien ausgewählte Arten, Biotope o<strong>der</strong><br />

Schutzgebiete sichern, son<strong>der</strong>n auch generell<br />

zur Sicherung <strong>der</strong> Arten und Populationen<br />

<strong>der</strong> heimischen Flora und Fauna beitragen<br />

und zugleich ökologische Wechselbeziehungen<br />

erhalten und entwickeln. Um<br />

Pflanzen- und Tierarten, Biotope und Biozönosen<br />

langfristig zu sichern, sind die räumlichen<br />

Voraussetzungen und funktionalen<br />

Beziehungen zu erhalten, zu entwickeln und<br />

wie<strong>der</strong>herzustellen, wobei sich die räumlichen<br />

Voraussetzungen auf die Sicherung<br />

und Bereitstellung von Flächen <strong>für</strong> ein funktional<br />

zusammenhängendes Netz beziehen,<br />

das landschaftstypische Lebensräume und<br />

Lebensraumkomplexe integriert und den<br />

Auswirkungen räumlicher Verinselung entgegenwirkt<br />

(Arbeitskreis Län<strong>der</strong>übergreifen<strong>der</strong><br />

Biotopverbund, BURKHARDT<br />

et al. 2003). Für die Eignung als Bestandteil<br />

des Verbundsystems sind Kriterien maßgebend,<br />

die dessen dauerhafte Funktionsfähigkeit<br />

gewährleisten.<br />

Eine Umsetzung des Biotopverbundes muss<br />

populationsökologische Aspekte ebenso<br />

berücksichtigen wie die Verbreitung und<br />

Habitatansprüche <strong>der</strong> Arten, die Qualität<br />

und Lage <strong>der</strong> Gebiete im Raum sowie die<br />

Dynamik <strong>der</strong> Ökosysteme. Mit einem über<br />

den klassischen Schutz lokaler Populationen<br />

(Biotopschutz, Schutzgebiete) hinausgehenden<br />

Biotopverbund wird <strong>der</strong> Erkenntnis<br />

Rechnung getragen, dass eine Population<br />

o<strong>der</strong> Art nicht vor dem Erlöschen bewahrt<br />

werden kann, wenn ihre Existenz nur<br />

an einem bestimmten Ort gesichert wird.<br />

Das Aussterberisiko lokaler Populationen<br />

wird durch anthropogene Einflüsse erhöht,<br />

es tragen aber ebenso natürliche Prozesse<br />

wie lokale Aussterbe- und Immigrationsprozesse<br />

o<strong>der</strong> Zufallsereignisse dazu bei. Es<br />

ist in vielen Fällen ohnehin problematisch,<br />

Populationen abzugrenzen. Neben räumlich<br />

isolierten existieren räumlich heterogen<br />

verteilte Populationen und Metapopulationen,<br />

wobei unter Metapopulation<br />

ein Netz benachbarter, jeweils vereinzelter<br />

(Teil-)Populationen verstanden wird, die<br />

untereinan<strong>der</strong> durch migrierende Individuen<br />

lose verbunden sind (PLACHTER et al.<br />

2002). Wird eine <strong>der</strong> Teilpopulationen durch<br />

ein natürliches Ereignis o<strong>der</strong> anthropogenen<br />

Eingriff dezimiert, kann sie durch Zuwan<strong>der</strong>ung<br />

von benachbarten Populationen<br />

überleben. Im Falle ihres Aussterbens können<br />

durch Ortswechsel einzelne Individuen<br />

an dem entsprechenden Ort („leere Habitatinseln“)<br />

eine Population neu begründen. Es<br />

existiert also, bedingt durch die naturräumliche<br />

Heterogenität und die genetisch<br />

geprägte Reaktionsnorm <strong>der</strong> Arten, eine<br />

natürliche Fragmentierung des Habitats.<br />

Diese ist jedoch durch die intensive Land-<br />

nutzung und die anthropogene Zerschneidung<br />

<strong>der</strong> Lebensräume <strong>der</strong>artig überprägt<br />

und gestört, dass die Metapopulationen oft<br />

nicht überlebensfähig sind, was <strong>zum</strong> Rückgang<br />

und zur Gefährdung von Arten führt.<br />

Wesentlich ist die Erkenntnis, dass bereits<br />

<strong>der</strong> Verlust weniger Teilpopulationen durch<br />

Biotopzerstörung o<strong>der</strong> -beeinträchtigung die<br />

Wahrscheinlichkeit <strong>der</strong> Etablierung migrieren<strong>der</strong><br />

Individuen min<strong>der</strong>n kann, wodurch<br />

eine scheinbar ungefährdete Metapopulation<br />

aussterben kann (HANSKI & ZHANG<br />

1993). Das Metapopulationskonzept bildet<br />

eine wichtige theoretische Grundlage <strong>für</strong><br />

den Biotopverbund (HENLE 1994).<br />

Bei dem Grad <strong>der</strong> erreichten Fragmentierung<br />

<strong>der</strong> Landschaft, <strong>der</strong> Isolierung <strong>der</strong> Biotope<br />

und dadurch eingeschränktem Habitatangebot<br />

för<strong>der</strong>t <strong>der</strong> Biotopverbund vor allem<br />

die Arten, die noch über ausreichend stabile<br />

Populationen bzw. Teilpopulationen verfügen,<br />

und bietet Voraussetzungen, über<br />

Schutzgebiete hinaus das Aussterberisiko<br />

durch erweiterte Populations- und Flächengrößen<br />

zu min<strong>der</strong>n.<br />

Für die Sicherung <strong>der</strong> Arten ist aber die<br />

Qualität <strong>der</strong> Habitate nicht min<strong>der</strong> entscheidend.<br />

Nach FRANK et al. (1994) können<br />

die gewünschten Effekte erst durch eine<br />

gekoppelte Strategie aus einem Habitat-<br />

Management, das die Teilpopulationen wirksam<br />

stabilisiert, und einem gezielten,<br />

qualitätsorientierten Biotopverbund, <strong>der</strong> sich<br />

auf die Realisierung günstiger Anordnungen<br />

konzentriert, erreicht werden. Naturschutzfachliche<br />

Kriterien, die <strong>für</strong> die Entwicklung<br />

des Biotopverbundes maßgeblich<br />

sind, sind neben <strong>der</strong> Qualität (funktionale<br />

Raumansprüche, Unzerschnittenheit, typische<br />

Ausprägung, Vollständigkeit <strong>der</strong> jeweiligen<br />

Biotopkomplexe) und räumlichen<br />

Verteilung <strong>der</strong> Biotope (nach BURK-<br />

HARDT et al. 2003 und <strong>Beitrag</strong> PARDEY<br />

in diesem Heft) das Vorkommen bestimmter<br />

Arten o<strong>der</strong> Artengruppen. Zur konzeptionellen<br />

Ausrichtung und zur Anzeige <strong>der</strong><br />

Funktionsfähigkeit des Biotopverbundes<br />

können Zielarten dienen (vgl. <strong>Beitrag</strong><br />

PARDEY in diesem Band, Beispiele im<br />

<strong>Beitrag</strong> von KLUXEN & DETSCH). Im<br />

Gegensatz zu analytisch ermittelten Leitarten<br />

sind Zielarten (hierzu u. a. Schlüsselarten,<br />

Schirmarten, „flagship species“ o<strong>der</strong> „VIP“-<br />

Arten, vgl. MEYER-CORDS & BOYE<br />

1999, PLACHTER et al. 2002; auch „Fokusart“<br />

im <strong>Beitrag</strong> von SUCHANT in diesem<br />

Band) prioritäre Ziele von Naturschutzmaßnahmen<br />

(so auch des Biotopverbundes)<br />

und können herangezogen werden, um die<br />

Zielerfüllung angestrebter Zustände anzuzeigen.

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