Der Beitrag der Waldwirtschaft zum Aufbau eines - Deutscher Rat für ...
Der Beitrag der Waldwirtschaft zum Aufbau eines - Deutscher Rat für ...
Der Beitrag der Waldwirtschaft zum Aufbau eines - Deutscher Rat für ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
4.2 <strong>Der</strong> Dauerwald – das Konzept einer<br />
naturnahen <strong>Waldwirtschaft</strong><br />
Die natürlichen Wäl<strong>der</strong> Mitteleuropas werden<br />
durch die stetige Präsenz <strong>eines</strong> Altholzschirms<br />
geprägt. Lücken im Kronendach<br />
treten durch das Absterben einzelner Bäume<br />
o<strong>der</strong> Baumgruppen nur sehr kleinflächig<br />
auf. Sogar auf naturbelassenen Windwurfflächen<br />
schützt ein „Wald“ von gestürzten<br />
und stehen gebliebenen Bäumen den Boden<br />
vor Erosion und den keimenden Jungwuchs<br />
vor den widrigen Extremen des Freilandklimas.<br />
Demgegenüber ist <strong>der</strong> schlagweise<br />
Wald (Altersklassenwald) großflächig nach<br />
Altersklassen sortiert. Ihm fehlt das kleinräumige<br />
Nebeneinan<strong>der</strong> von Bäumen verschiedenen<br />
Alters, das dem Naturwald seinen<br />
Reichtum an Strukturen verleiht. <strong>Der</strong><br />
enge Verbund <strong>der</strong> Strukturen, ein Kennzeichen<br />
des Naturwaldes, ist im Altersklassenwald<br />
mithin aufgelöst. Bei <strong>der</strong> Endnutzung<br />
des Holzes wird flächig geräumt, d. h. aus<br />
einem Altwald wird in wenigen Zügen ein<br />
Kahlschlag o<strong>der</strong> ein hüfthohes Dickicht,<br />
wenn über einer Schirmstandverjüngung die<br />
Altbaumbestockung gefällt wird. Die Lebensgemeinschaft<br />
des Altwaldes hat dabei<br />
keine Chance, sich an die Eingriffe anzupassen<br />
o<strong>der</strong> ihnen während <strong>eines</strong> ausreichenden<br />
Zeitraums auszuweichen. <strong>Der</strong><br />
schnellen Räumung <strong>der</strong> artenreichen Altwäl<strong>der</strong><br />
folgen im schlagweisen Hochwald<br />
die Jahrzehnte <strong>der</strong> artenarmen Stangenhölzer<br />
und Baumhölzer. <strong>Der</strong> Altersklassenwald<br />
besteht deshalb auf <strong>der</strong> überwiegenden Fläche<br />
aus schattigen, struktur- und artenarmen<br />
Jungwäl<strong>der</strong>n.<br />
<strong>Der</strong> naturnahe Waldbau nimmt sich die Natur<br />
<strong>zum</strong> Vorbild. Er verzichtet konsequent auf<br />
flächenhafte Räumungen und erhält dadurch<br />
dauerhaft ein intaktes Waldgefüge. MÖL-<br />
LER prägte im Jahre 1922 <strong>für</strong> einen solchen<br />
Wirtschaftswald, dessen Leitmotiv die Stetigkeit<br />
des Waldwesens ist, den Namen<br />
„Dauerwald“. Im Zuge <strong>der</strong> Bestandespflege<br />
und Ernte werden im Dauerwald immer nur<br />
einzelne Bäume o<strong>der</strong> allenfalls kleine Baumgruppen<br />
entnommen. Das Kennzeichen des<br />
naturnahen Waldes ist die Dauer und Stetigkeit<br />
seiner Struktur. Diesen Charakter erlangt<br />
er nur durch ein ungleichaltriges und<br />
mehrstufiges Waldgefüge. An die Stelle<br />
entnommener Altbäume treten zeitnah Bäume<br />
aus dem Wartestand <strong>der</strong> unteren und<br />
mittleren Baumschichten. Die Ungleichaltrigkeit<br />
führt dazu, dass die Bäume <strong>eines</strong><br />
Bestandes nicht mehr zu einem Zeitpunkt<br />
die Hiebsreife auf großer Fläche erlangen,<br />
son<strong>der</strong>n nach und nach zu vielen Zeitpunkten.<br />
Diese Eingriffe verteilen sich über einen<br />
längeren Zeitraum und auf einen größeren<br />
Teil <strong>der</strong> gesamten Betriebsfläche, mit<br />
weitaus geringeren Auswirkungen <strong>für</strong> den<br />
konkreten Standort. Aus einem biologisch<br />
vielfältigen Altwald mit einer über Jahrzehnte<br />
ausdifferenzierten Lebensgemeinschaft<br />
wird nicht „über Nacht“ eine<br />
Kahlschlagfläche.<br />
<strong>Der</strong> Umbau zu naturnahen Waldbil<strong>der</strong>n ist<br />
am besten in frühen Altersstadien vorzunehmen.<br />
Die Bäume wachsen von Jugend<br />
an in einem lockereren Verband auf, werden<br />
schneller dick und behalten eine lange Baumkrone.<br />
Diese Faktoren verleihen Standfestigkeit.<br />
Weitere stabilisierende und vorratspflegende<br />
Eingriffe durchbrechen frühzeitig<br />
den Kronenschluss und das einfallende<br />
Licht erlaubt das Aufkommen von<br />
Jungwuchs. <strong>Der</strong> Altbaumschirm muss als<br />
wichtiger Strukturgeber und Bewahrer des<br />
Waldinnenklimas wenigstens so lange gehalten<br />
werden, bis die Nachfolgegeneration<br />
in den Kronenbereich <strong>der</strong> Altbäume vorgestoßen<br />
ist. Für die weitere Ausprägung <strong>eines</strong><br />
strukturreichen Gefüges ist es wichtig, die<br />
vorhandenen Strukturen, also Bestandslücken,<br />
Baumgruppen, vertikale Schichtungen<br />
und ungleiche Stammdurchmesserverteilung<br />
durch waldpflegende Eingriffe<br />
zu akzentuieren. Die sorgsam herausgearbeitete<br />
Struktur zieht dann eine gewollt ungleichmäßige<br />
Verteilung von Naturverjüngung<br />
nach sich. <strong>Der</strong> Ausgangsbestand<br />
wird somit im Verlauf von Jahrzehnten zu<br />
einem strukturreichen, ungleichaltrigen<br />
Dauerwald.<br />
Zur Verankerung <strong>der</strong> naturnahen <strong>Waldwirtschaft</strong>,<br />
zur Definition des Nachhaltigkeitsbegriffs<br />
und zur Einführung <strong>der</strong> guten<br />
fachlichen Praxis im Bundeswaldgesetz<br />
schlägt <strong>der</strong> NABU die Neufassung des § 11<br />
Bundeswaldgesetz vor:<br />
§ 11 BWaldG (NABU-Vorschlag) Bewirtschaftung<br />
des Waldes<br />
(1) Die Bewirtschaftung des Waldes hat im<br />
Rahmen seiner Zweckbestimmung ordnungsgemäß,<br />
nachhaltig und naturnah zu<br />
erfolgen. Durch Landesgesetz ist mindestens<br />
die Verpflichtung <strong>für</strong> alle Waldbesitzer zu<br />
regeln, kahlgeschlagene Waldflächen o<strong>der</strong><br />
verlichtete Waldbestände in angemessener<br />
Frist<br />
1. vorrangig durch Naturverjüngung und<br />
natürliche Sukzession wie<strong>der</strong> aufzuforsten<br />
o<strong>der</strong><br />
2. zu ergänzen, soweit die natürliche Wie<strong>der</strong>bestockung<br />
unvollständig bleibt,<br />
falls nicht die Umwandlung in eine an<strong>der</strong>e<br />
Nutzungsart genehmigt worden o<strong>der</strong> sonst<br />
zulässig ist.<br />
(2) Die nachhaltige Bewirtschaftung soll<br />
die Schutz-, Nutz- und Erholungswirkungen<br />
des Waldes stetig und auf Dauer gewährleisten,<br />
insbeson<strong>der</strong>e durch das Streben nach<br />
39<br />
Erhaltung <strong>der</strong> Waldfläche, Erhaltung und<br />
Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Fruchtbarkeit <strong>der</strong><br />
Waldböden, nach bestmöglicher Vorratsglie<strong>der</strong>ung,<br />
sowie <strong>der</strong> Erhaltung und Wie<strong>der</strong>herstellung<br />
<strong>der</strong> biologischen Vielfalt des<br />
Waldes.<br />
(3) Durch naturnahe <strong>Waldwirtschaft</strong> soll<br />
eine an die Baumartenzusammensetzung,<br />
Struktur und Dynamik natürlicher Wäl<strong>der</strong><br />
angelehnte Pflege und Nutzung des Waldes<br />
verwirklicht werden.<br />
(4) Zur ordnungsgemäßen, nachhaltigen und<br />
naturnahen <strong>Waldwirtschaft</strong> gehört insbeson<strong>der</strong>e<br />
die Einhaltung <strong>der</strong> folgenden<br />
Grundsätze <strong>der</strong> guten fachlichen Praxis:<br />
Die Nutzung des Waldes erfolgt einzelstamm-<br />
bis gruppenweise; Kahlschläge<br />
sind grundsätzlich zu unterlassen.<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Waldwirtschaft</strong> werden<br />
stabile, stufige und strukturreiche Mischwäl<strong>der</strong><br />
mit einem hinreichenden Anteil<br />
standortheimischer Baumarten an allen<br />
Waldorten erhalten und entwickelt.<br />
Reinbestände (auch heimischer Baumarten)<br />
werden nicht auf Flächen größer<br />
0,3 ha künstlich begründet. Seltene Baumarten<br />
werden erhalten und geför<strong>der</strong>t.<br />
Pionierbaumarten sind in allen Stadien<br />
<strong>der</strong> Bestandesentwicklung in angemessenem<br />
Umfang zu tolerieren und in die<br />
Mischbestockung zu integrieren.<br />
Die Verjüngung des Waldes durch natürliche<br />
Absaat hat grundsätzlich Vorrang<br />
vor Pflanzung und Saat.<br />
Die Bestände des Schalenwildes werden<br />
so reguliert, dass die Verjüngung <strong>der</strong><br />
standortheimischen Baumarten ohne<br />
Hilfsmittel (Zäunung, Verbissschutzmittel)<br />
möglich wird.<br />
Notwendige neue Gatterungen werden<br />
aus Gründen des Tier- und Artenschutzes<br />
nur noch in Holz ausgeführt (Hordengatter).<br />
Bei <strong>der</strong> Erschließung des Waldes sind die<br />
Belange des Naturschutzes zu beachten.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e soll auf die Anlage und Unterhaltung<br />
versiegelter Waldwege verzichtet<br />
werden.<br />
Eine Befahrung von Waldböden außerhalb<br />
dauerhafter Erschließungslinien ist<br />
zu unterlassen. Eine Bearbeitung des<br />
Mineralbodens unterbleibt grundsätzlich.<br />
Die Einbringung gentechnisch verän<strong>der</strong>ter<br />
Organismen ist zu unterlassen.<br />
Pestizide werden nur als letztes Mittel bei<br />
drohenden schwerwiegenden Waldschäden<br />
auf <strong>der</strong> Basis fachkundiger Begutachtung<br />
im Wald ausgebracht. Auf<br />
den Einsatz von Holzschutzmitteln,<br />
insbeson<strong>der</strong>e auf Holzpoltern, wird verzichtet.<br />
Auf Düngemittel zur Ertragssteigerung<br />
wird im Rahmen <strong>der</strong> Waldbewirtschaftung<br />
verzichtet.