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Beiträge der Bezugswissenschaften zur Erwachsenenbildung

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Kritische Lebensereignisse<br />

Dieser Begriff wurde aus <strong>der</strong> psychiatrischen Epidemiologie und psychologischen<br />

Streßforschung in die Entwicklungspsychologie <strong>zur</strong> Kennzeichnung <strong>der</strong><br />

jeweiligen individualgeschichtlichen und epochespezifischen Bedingungen für<br />

Entwicklung übernommen. Dieser Forschungsansatz ist in <strong>der</strong> Literatur intensiv<br />

bearbeitet worden. Filipp definiert kritische Lebensereignisse als „solche im<br />

Leben einer Person eintretenden Ereignisse, die eine mehr o<strong>der</strong> min<strong>der</strong> abrupte<br />

Verän<strong>der</strong>ung in <strong>der</strong> Lebenssituation <strong>der</strong> Person mit sich bringen (...).<br />

(Diese stellen eine) raumzeitliche punktuelle Verdichtung eines Geschehensablaufs<br />

dar, <strong>der</strong> sich sowohl innerhalb <strong>der</strong> Person selbst (...) wie auch in <strong>der</strong><br />

dinglich-sozialen Umwelt (...) vollzogen hat“ (Filipp, 1982, 772).<br />

Kritische Lebensereignisse werden zu Markierungspunkten eines individuellen<br />

Entwicklungsverlaufes, indem sie „Stadien des relativen Ungleichgewichtes<br />

in dem bisher aufgebauten Passungsgefüge zwischen Person und Umwelt<br />

kennzeichnen“ (Filipp, 1982, 772).<br />

Daß es sich nicht um punktuelle Verän<strong>der</strong>ungen handeln muß, verdeutlicht<br />

die Autorin mit einem Prozeßmodell <strong>der</strong> Lebensereignisse, das auch antezedente<br />

Merkmale und vor allem Prozesse <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung mit dem<br />

Lebensereignis sowie kurz- und langfristige Effekte enthält (vgl. Filipp, 1981).<br />

Es stellt sich die Frage, was so unterschiedliche Lebensereignisse wie die<br />

Geburt eines Kindes, <strong>der</strong> Verlust des Arbeitsplatzes, eine Naturkatastrophe<br />

o<strong>der</strong> das Ereignis Weihnachten gemeinsam haben für die Beeinflussung des<br />

individuellen Lebenslaufes. In <strong>der</strong> Tradition <strong>der</strong> Streßforschung werden alle<br />

kritischen Lebensereignisse als potentielle Stressoren behandelt. Inzwischen<br />

bemüht man sich, differenziertere Ereignisparameter <strong>zur</strong> Klassifikation von<br />

Lebensereignissen herauszuarbeiten. So führten Brim/Ryff (1980) die Unterscheidung<br />

zwischen <strong>der</strong> Wahrscheinlichkeit, mit <strong>der</strong> ein Ereignis auftritt, dem<br />

Zusammenhang des Ereignisses mit chronologischem Alter und seiner Verarbeitung<br />

ein. Für die psychische Verarbeitung spielen die Vorhersehbarkeit<br />

und Kontrollierbarkeit von Ereignissen eine Rolle. Die Wahrscheinlichkeit für<br />

die Geburt eines Kindes ist für Frauen des Alters zwischen 24 und 30 sehr<br />

hoch. Daraus folgt, daß es gute Möglichkeiten <strong>der</strong> Antizipation, <strong>der</strong> Vorbereitung<br />

und Verarbeitung dieses Ereignisses gibt. Im Vergleich dazu wird das Ereignis<br />

„Verlust des Partners“ o<strong>der</strong> eine lebensbedrohende Krankheit im Alter<br />

zwischen 24 und 30 Jahren von nur wenigen Frauen erfahren. Die Vorbil<strong>der</strong><br />

für angemessene Verarbeitung sind daher eher gering. Weitere wichtige Beschreibgrößen<br />

stellen die zeitliche Plazierung (Timing) und die Reihenfolge<br />

<strong>der</strong> Ereignisse im Lebenslauf dar. Die Ereignisfolge Ausbildung, Heirat, erstes<br />

Kind ist ein normatives Muster in unserer Gesellschaft. An<strong>der</strong>e mögliche<br />

Reihenfolgen <strong>der</strong> gleichen Ereignisse erfor<strong>der</strong>n sicher mehr Anpassung<br />

<strong>der</strong> Betroffenen.<br />

Nach einer ersten Phase <strong>der</strong> Identifikation und Klassifikation von Lebensereignissen<br />

hat sich die entwicklungspsychologische Forschung neuerdings mehr<br />

mit <strong>der</strong> individuellen, vor allem emotionalen Bedeutung <strong>der</strong> Ereignisse befaßt.

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