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Beiträge der Bezugswissenschaften zur Erwachsenenbildung

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4.2 Politikverständnis<br />

187<br />

Trotzdem konnten in <strong>der</strong> Schweiz, wo die Wissenskluft-Forschung seit einiger<br />

Zeit beson<strong>der</strong>s aktiv ist, Wissensdifferenzen von politischer Tragweite im<br />

Gefolge unterschiedlicher Leseintensität ermittelt werden. Bei einer <strong>der</strong> Abstimmungen,<br />

die das dortige anspruchsvolle politische System in regelmäßigen<br />

Abständen organisiert, konnte nachgewiesen werden, daß <strong>der</strong> Einfluß <strong>der</strong><br />

Zeitung unter den vier Medien Fernsehen, Radio, Zeitung und Zeitschrift auf<br />

den Wissensstand in <strong>der</strong> betreffenden Materie am größten war und dank Zeitungslesen<br />

gerade Angehörige des tiefsten Bildungssegmentes Wissensvorsprünge<br />

an<strong>der</strong>er Bevölkerungskategorien in beson<strong>der</strong>s hohem Maße wettmachten<br />

(Bonfadelli 1985, S.79ff.). Auch außen-, energie- und medienpolitische<br />

Kenntnisse wurden gemäß verschiedenen Untersuchungen (Frei/Meier/Saxer<br />

1983, S.231; Saxer et al. 1986, S.14ff.; Saxer/Bonfadelli 1986) durch Lesen<br />

am stärksten vermehrt, so daß als politisch beson<strong>der</strong>s wichtiger Wirkungsbefund<br />

bleibt, verschiedene Medien hätten ungleiche Wissensvoraussetzungen<br />

politischer Partizipation <strong>zur</strong> Folge.<br />

Dies muß aber überdies mit dem Umstand in Zusammenhang gebracht werden,<br />

daß es den Medien insgesamt nur in bescheidenem Maß gelingt, politisches<br />

Wissen zu vermitteln und den Bereich „Politik und öffentliches Leben“<br />

als mehr denn marginal erscheinen zu lassen, jedenfalls nicht dauernd (Kiefer<br />

1987, S.142). Überhaupt steht die Rationalisierbarkeit von Politik durch<br />

Medienkommunikation sehr ernsthaft <strong>zur</strong> Diskussion, wenn „Das Syndrom <strong>der</strong><br />

Unregierbarkeit und die Macht <strong>der</strong> Medien“ (Ronneberger 1983, S.487ff.) im<br />

gleichen Atemzug genannt werden und festgestellt wird: „Der Zuwachs an<br />

Informationsquantität führt ab einem bestimmten Punkt zum Verlust an Informationsqualität“<br />

(Schulz 1986, S.27). Von einem bestimmten Komplexitätsgrad<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft an scheinen Massenmedien immer weniger imstande<br />

zu sein, diese für das breite Publikum auf sachlich angemessene und zum<br />

Nachvollzug veranlassende Sinnstrukturen zu bringen. Im Zuge <strong>der</strong> Entwicklung<br />

<strong>zur</strong> Informationsgesellschaft steigen denn auch Angebot und Nachfrage nach<br />

individualisierterer Kommunikation, freilich auch wie<strong>der</strong> keineswegs gleichmäßig<br />

über die Bevölkerung verteilt. Weiterhin ist vielmehr mit einem unterschiedlich<br />

rationalen Politikverständnis nach Maßgabe <strong>der</strong> Lesehäufigkeit zu<br />

rechnen: „Bei schwachen Lesern ruft das Fernsehen den Eindruck hervor, daß<br />

Politik doch eine recht unterhaltsame Sache sei und außerdem leichter als<br />

gedacht. Es gehe sehr aktiv zu, und es komme viel Streit vor. Der Eindruck,<br />

Politik sei weitblickend, wird durch das Fernsehen eher abgeschwächt. Für<br />

den schwachen Leser sind die Vorgänge auf dem Bildschirm von <strong>der</strong> Ästhetik<br />

des Kasperletheaters nicht sehr weit entfernt. Es geht dort sehr lebendig,<br />

unterhaltsam zu, die Leute dreschen aufeinan<strong>der</strong> ein, was auch den Eindruck<br />

des Mutes begünstigt, aber das Verständnis des Sinnzusammenhangs bleibt<br />

schwach. Bei eifrigen Lesern dagegen verschiebt sich das Bild <strong>der</strong> Politik in<br />

eine eher realistische Richtung“ (Schmidtchen 1977, S.56f.).

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