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Beiträge der Bezugswissenschaften zur Erwachsenenbildung

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sich zu analysierendes Untersuchungsobjekt anzuerkennen. Eine regelmäßig<br />

beobachtbare Praxis besteht darin, nach Beendigung <strong>der</strong> Transkriptionsarbeit<br />

zunächst eine Art paraphrasierende Nacherzählung des aufgezeichneten<br />

Geschehens anzufertigen und dann anstelle <strong>der</strong> transkribierten Aufzeichnung<br />

dessen Nacherzählung zum Gegenstand <strong>der</strong> weiteren analytischen Betrachtung<br />

zu machen. Die Selbstverständlichkeit, mit <strong>der</strong> die Studenten diesen<br />

Zwischenschritt einlegen, erscheint mir durchaus symptomatisch – symptomatisch<br />

für die Scheu und das Unvermögen <strong>der</strong> traditionellen Sozialforschung,<br />

ein empirisches Objekt zum Gegenstand <strong>der</strong> Analyse zu machen, ehe nicht<br />

dessen registrierende Konservierung in die vertraute Form einer rekonstruierenden<br />

Konservierung transformiert, ehe nicht Légers Film in ein erzählendes<br />

Feature umgeschnitten wurde. Hinter dieser methodologischen Scheu<br />

verbirgt sich nichts an<strong>der</strong>es als <strong>der</strong> unartikulierte Wi<strong>der</strong>stand dagegen, die<br />

vertraute Alltagspraxis <strong>der</strong> rekonstruierenden Aneignung und Konservierung<br />

sozialer Vorgänge zugunsten einer konstitutionsanalytischen Perspektive auf<br />

die im Handlungsvollzug sich reproduzierende soziale Wirklichkeit aufzugeben.<br />

4.<br />

Es zeigt sich nun, daß die Einführung audiovisueller Reproduktionsmedien<br />

in die interpretative Sozialforschung von zwei gegenläufigen, paradox anmutenden<br />

Bewegungsmomenten gekennzeichnet ist. Einerseits manifestiert sich<br />

in <strong>der</strong> Verwendung dieser Aufzeichnungstechniken eine Hinwendung zum Alltag<br />

insofern, als mit ihr die in <strong>der</strong> Sozialforschung für gewöhnlich übergangenen<br />

banalen, natürlichen Interaktionsvorgänge in ihrer Ereignishaftigkeit zum primären<br />

Untersuchungsthema avancieren. An<strong>der</strong>erseits provoziert <strong>der</strong> Einsatz<br />

dieser Reproduktionstechniken aber auch eine Abkehr vom Alltag, da <strong>der</strong>en<br />

registrieren<strong>der</strong> Konservierungsmodus eine Analyseperspektive eröffnet, die<br />

<strong>der</strong> transformierenden Rekonstruktionspraxis <strong>der</strong> im Alltag Handelnden entgegengesetzt<br />

ist. Um Auskunft geben zu können, zu welchem Resultat diese<br />

beiden gegenläufigen Bewegungsmomente führen, ist es erfor<strong>der</strong>lich, zunächst<br />

etwas genauer auf die Frage einzugehen, wie denn in <strong>der</strong> interpretativen<br />

Forschungspraxis mit den technischen Reproduktionsmedien umgegangen<br />

wird, wenn diese nicht in den Dienst <strong>der</strong> vertrauten rekonstruierenden Konservierungspraxis<br />

gestellt werden.<br />

In den vergangenen Jahren haben insbeson<strong>der</strong>e zwei interpretative Forschungsansätze<br />

Konturen gewonnen, die sich in ihren Analysen weitgehend auf Aufzeichnungen<br />

und Transkriptionen von natürlichen Interaktionsabläufen beschränken<br />

– die ethnomethodologische Konversationsanalyse und die Objektive<br />

Hermeneutik. Beide Richtungen werden in den raren Versuchen, Ordnung in<br />

die Vielfalt <strong>der</strong> interpretativen Methoden, Arbeitsstile und Forschergruppen zu<br />

bringen, eher als gegensätzliche Unternehmungen charakterisiert 16 . Die Vertreter<br />

dieser beiden Forschungsansätze selbst haben bislang wenig Notiz voneinan<strong>der</strong><br />

genommen – dazu sind wohl auch die jeweiligen Originalitätsansprüche<br />

zu hoch.<br />

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