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Beiträge der Bezugswissenschaften zur Erwachsenenbildung

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y-step redefination of the whole approach to sociological practice“ (1981:30/<br />

31). Wäre nicht ein fiktiver Erwachsenenbildner denkbar, dessen Berufsbiographie<br />

begönne: ‚In <strong>der</strong> Tat, was wußte ich wirklich von meiner ‚Klientel‘ …?,<br />

und <strong>der</strong> beim Interesse für <strong>der</strong>en Lebensgeschichten schließlich auf die Erkenntnis<br />

stieße: ‚Die interessanteste Entdeckung war, daß die Sammlung von<br />

Biographien nicht nur die Forschungspraxis, son<strong>der</strong>n die Weiterbildungswissenschaft<br />

insgesamt verän<strong>der</strong>te‘?<br />

Gewiß ist diese Fiktion verfrüht. Vorläufig hat das Interesse an biographietheoretischen<br />

Fragen auch die Soziologie noch nicht „revolutioniert“. Obgleich<br />

Biographie für nicht wenige <strong>zur</strong> „Chiffre für einen gänzlichen Neuanfang in <strong>der</strong><br />

Sozialforschung“ geworden ist (Kohli/Robert 1984:1), überwiegt nach wie vor<br />

<strong>der</strong> „progammatische“ Aspekt (ebd.). Die Forschungspraxis befindet sich – wie<br />

Martin Kohli (1982:169) <strong>zur</strong>echt diagnostiziert hat – allenfalls im Stadium „kumulativer<br />

Arbeit“, d.h. in einem Prozeß wechselseitiger „Übernahme von Theorien/Befunden<br />

durch an<strong>der</strong>e, die darauf aufbauen“ (ebd.). Die Frage nach <strong>der</strong><br />

Bedeutung biographischer Forschung für die <strong>Erwachsenenbildung</strong> setzt deshalb<br />

zunächst eine präzisere Bestimmung des aktuellen Standes dieser Forschungsrichtung<br />

überhaupt voraus.<br />

1. Versuch einer Standortbestimmung biographischer Forschung<br />

Biographietheoretische Versuche sind in den Humanwissenschaften nicht neu.<br />

Zurecht wird in einschlägigen Untersuchungen immer wie<strong>der</strong> auf die herausragende<br />

Bedeutung <strong>der</strong> „Chicagoer Schule“ verwiesen (cf Fuchs 1979; Paul<br />

1979; Kohli 1981; Alheit 1982 u.a.). Thomas’ und Znanieckis Leitstudie über<br />

den polnischen Emigranten ‚Wladek‘ ((1918-20) 1958) gehört zu den Klassikern<br />

<strong>der</strong> Soziologie (cf ausführlicher Fuchs 1979; Kohli 1981; Alheit 1982).<br />

Aber auch in Deutschland hat die wissenschaftliche Beschäftigung mit Lebensgeschichten<br />

eine gute Tradition. Das von Carl Philipp Moritz herausgegebene<br />

„Magazin <strong>der</strong> Erfahrungsseelenkunde“ (1783-1793) wird gewöhnlich als Entstehungsdokument<br />

wissenschaftlicher Psychologie bezeichnet (cf Thomae 1952;<br />

Paul 1979; Kohli 1981). Die dort gesammelten „Herzensgeschichten“ sind Ausdruck<br />

eines in <strong>der</strong> bürgerlichen Gesellschaft erwachenden Interesses am<br />

Phänomen <strong>der</strong> Individualität – eine Tradition, die sich im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t in<br />

<strong>der</strong> Tagebuchliteratur <strong>der</strong> Bourgeoisie und in <strong>der</strong> zunehmenden Bedeutung<br />

<strong>der</strong> literarischen Autobiographie fortsetzt (cf Neumann 1970). Vergleichbare<br />

Motive finden sich später in <strong>der</strong> Lebensphilosophie, beson<strong>der</strong>s bei Dilthey und<br />

Misch ((1907 ff.) 1949 ff.). Prinzipiell ist auch die Psychoanalyse mit ihrem<br />

Interesse an <strong>der</strong> Lebensgeschichte in diesem sozialgeschichtlichen Zusammenhang<br />

anzusiedeln. Spätere Ansätze – etwa bei Jaspers, Karl und Charlotte<br />

Bohler, Bernfeld, nach dem 2. Weltkrieg noch bei Thomas – sind vereinzelt<br />

geblieben und haben sich in ihren Fachöffentlichkeiten nicht durchsetzen<br />

können 1 .<br />

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