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Beiträge der Bezugswissenschaften zur Erwachsenenbildung

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Intensität und diese wie<strong>der</strong>um zu unterschiedlichen Medienwirkungen. Schon<br />

<strong>der</strong> skizzierte Sozialisationszusammenhang hat <strong>zur</strong> Folge, daß Unterschichtangehörige<br />

zum vornherein geringere Chancen haben, differenziertere Wissensbestände<br />

dank Medienkommunikation aufzubauen als Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Oberschicht.<br />

Eine Hauptrolle bei diesen Unterschieden in <strong>der</strong> Aneignung von Wissen,<br />

das die Medien anbieten, spielen die Lesekompetenz und -bereitschaft. Unterschicht,<br />

Schul- und Leseschwäche bilden dabei einen starken Wirkungszusammenhang,<br />

<strong>der</strong> auch noch zu geringeren Rezeptionsleistungen von Vielsehern<br />

selbst beim Fernsehen führt. Anläßlich eines vergleichenden Experiments<br />

zwischen Vielsehern und Viellesern erbrachten die letzteren deutlich<br />

bessere Verstehensleistungen beim Fernsehen und ebenso Gymnasiasten,<br />

die ja weniger fernsehen, als gleichaltrige Volksschüler. Nur 4% <strong>der</strong> letzteren<br />

wiesen nach dem Ansehen einer Sendung einen hohen Gesamt-Wissensstand<br />

bezüglich des Vorgeführten auf, verglichen mit 45% <strong>der</strong> ersteren. Eifrige<br />

Leser, und damit natürlich erneut vor allem Gymnasiasten, bezeugten ein<br />

erheblich vertieftes Strukturwissen bezüglich <strong>der</strong> gesehenen Sendung, also<br />

Einsicht in Beziehungen, Motive, Ursachen und Folgen des Gezeigten, während<br />

die Vielseher viel eher bei den elementaren Fakten, dem simplen Plot<br />

<strong>der</strong> Erzählhandlung blieben (Bonfadelli/Saxer 1986, S.121ff .) .<br />

Solche Phänomene ungleichen Wissenserwerbs aus einem identischen Medien-Gesamtangebot<br />

greift die sog. Wissenskluft-Forschung auf und erklärt<br />

diesen mit Kommunikationsbarrieren personaler, sozialstruktureller und medialer<br />

Art. Bescheideneres Informationsangebot des Fernsehens im Vergleich<br />

zu den Printmedien, geringere Medienkompetenz, vor allem Lesefertigkeit, <strong>der</strong><br />

Unterschicht und kleine Motivation von Angehörigen eines tiefen Sozial-, insbeson<strong>der</strong>e<br />

Bildungsstatus, u. a. mangels Vorwissens, anspruchsvollere Medieninformation<br />

aufzunehmen und zu verarbeiten, wirken sich zusammen dahin<br />

aus, daß immer wie<strong>der</strong> ein medienverursachtes Wissensgefälle sich zwischen<br />

den verschiedenen Statusniveaus auftut (Bonfadelli 1985, S.65ff.).<br />

Eine gewisse Wertung ist in dieser Argumentation allerdings nicht zu übersehen.<br />

Die These orientiert sich ja an gewissen Wissensbeständen und beurteilt<br />

entsprechendes Nichtwissen als soziales Defizit. Dabei läßt es sich<br />

durchaus fragen, wie lebensdienlich die in Frage stehenden Wissensbestände<br />

für diejenigen sind, die sie nicht erwerben mögen. Entsprechend neigt man<br />

heute in <strong>der</strong> Wissenskluft-Forschung dazu, statt von „Defiziten“ neutraler von<br />

„Wissensdifferenzen“ zu sprechen und auch <strong>der</strong>en Ursachen zu suchen. Und<br />

was das Grundprinzip <strong>der</strong> Hypothese von <strong>der</strong> wachsenden Wissenskluft zwischen<br />

verschiedenen Kategorien von Mediennutzern betrifft, das populär jeweils<br />

auf die Formel gebracht wird: „Die Klugen werden klüger, die Dummen<br />

werden dümmer“, so läßt sich Vergleichbares auch vom Schulbesuch sagen,<br />

da hier allgemeine psychologische Konstellationen zum Tragen kommen (Erbring<br />

1986, S.42). Beides gemahnt erneut daran, Vor- und Umsicht bei <strong>der</strong><br />

Interpretation von Befunden <strong>der</strong> Wirkungsforschung walten zu lassen.

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