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Beiträge der Bezugswissenschaften zur Erwachsenenbildung

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eiche Anhänger gefunden hat, postuliert ihr Urheber lapidar: „Natürlich können<br />

<strong>der</strong>artige narrative Interviews nur dann mit dem nötigen Intensitäts- und<br />

Genauigkeitsgrad ausgewertet werden, wenn sie auf Tonband aufgezeichnet<br />

werden“ (Schütze 1977, S. 10).<br />

Soviel steht fest: Aufzeichnungsinstrumente sind für die neueren interpretativen<br />

Forschungsansätze eine unverzichtbare Arbeitsvoraussetzung. Aber wieso<br />

eigentlich? Welche neuen soziologischen Erkenntnismöglichkeiten tun sich mit<br />

den audiovisuellen Reproduktionsmedien auf? Und auf welche Weise wird <strong>der</strong><br />

soziologische Untersuchungsgegenstand durch den Einsatz dieser Medien in<br />

seiner Beschaffenheit verän<strong>der</strong>t?<br />

2.<br />

Zunächst muß man sich vergegenwärtigen, daß die Verwendung von audiovisuellen<br />

Reproduktionsmedien in <strong>der</strong> empirischen Sozialforschung an sich<br />

keine revolutionäre Neuerung darstellt. Akustische und kinematographische<br />

Aufzeichnungen wurden bereits Ende des vorigen Jahrhun<strong>der</strong>ts, wenige Jahre<br />

nach <strong>der</strong> Entwicklung ihrer technischen Grundformen, von Sprachwissenschaftlern<br />

und Anthropologen für ihre Forschungsziele eingesetzt. Freilich spielten<br />

sie in <strong>der</strong> weiteren Geschichte <strong>der</strong> empirischen Sozialforschung im Vergleich<br />

zu an<strong>der</strong>en methodischen Ressourcen immer nur eine marginale Rolle. Einen<br />

Nischenplatz behaupteten die Aufzeichnungstechniken etwa in <strong>der</strong> Entwicklungspsychologie<br />

und in <strong>der</strong> Ausdruckspsychologie, die später in den Strom<br />

<strong>der</strong> Forschungen <strong>zur</strong> nonverbalen Kommunikation einmündete. In <strong>der</strong> Anthropologie<br />

bildeten sich schon früh verschiedene Gattungsformen des ethnographischen<br />

Films aus, die darauf angelegt waren, fremde, untergehende Kulturen<br />

zu dokumentieren und zu rekonstruieren. Auch in <strong>der</strong> Soziologie gab<br />

es immer wie<strong>der</strong> mal Autoren, die – zumeist nur gedankenexperimentell – mit<br />

<strong>der</strong> Verwendung filmischer Verhaltensdokumente liebäugelten 5 . Das än<strong>der</strong>t<br />

jedoch nichts daran, daß bis auf vereinzelte Versuche, Photographien und<br />

Dokumentarfilme als soziographische Techniken o<strong>der</strong> sozialkritische Medien<br />

einzusetzen, die audiovisuellen Reproduktionsinstrumente als methodische<br />

Ressourcen in <strong>der</strong> Soziologie bis in die 60er Jahre völlig bedeutungslos blieben 6 .<br />

Mit Légers Traum hatten die frühen audiovisuellen Verhaltensdokumentationen<br />

im übrigen wenig zu tun. Teils waren sie im Labor unter experimentell<br />

kontrollierten Bedingungen entstanden, teils beschränkten sie sich auf „interessante“<br />

o<strong>der</strong> – wie im Fall <strong>der</strong> Humanethologie – auf im vorhinein theoretisch<br />

isolierte Phänomene. Oft wurden die Aufzeichnungen auch im nachhinein<br />

nach wissenschaftlichen Ordnungskriterien ediert o<strong>der</strong> unter ästhetischen<br />

bzw. pädagogischen Gesichtspunkten zu einer Dokumentation mit einer spielfilmähnlichen<br />

Handlung montiert. Ganz offensichtlich wußten die Sozialwissenschaftler<br />

mit <strong>der</strong> „nackten“ audiovisuell-reproduktiven Verdoppelung trivialer<br />

sozialer Erscheinungen nichts anzufangen. Erst ihre „Einkleidung“ durch kontrollierte<br />

Herstellungsbedingungen, theoretische Klammern und funktionale<br />

Gestaltung verschaffte den konservierten Bil<strong>der</strong>n und Tönen ihre wissenschaftliche<br />

Dignität.<br />

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