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Beiträge der Bezugswissenschaften zur Erwachsenenbildung

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keit verän<strong>der</strong>t, und zwar gleicherweise auf drei Ebenen, nämlich pädagogisch,<br />

politisch und – wenn ein religiöses Wertbestimmtsein zugelassen bzw. anerkannt<br />

wird – auch theologisch/ethisch/anthropologisch.<br />

1. Wirkung: Der Biograph schafft sich seinen Zugang <strong>zur</strong> eigenen Lebensgeschichte.<br />

Er kann sich freisprechen, freischreiben, sich seiner<br />

selbst bewußt werden. Er macht sich seine Sozialisation<br />

verfügbar. Ihm wird seine Biographie zum Instrument <strong>der</strong> Bildung.<br />

Am Beispiel einer Arbeitshypothese eigener Forschungen: „Es besteht ein<br />

Zusammenhang zwischen autobiographischen Aussagen und reflexiver Verarbeitung<br />

<strong>der</strong> Situation/Krise“ (1985, 53 ff.).<br />

Im Spiegel eines Biographen: „Ich habe mir einmal alles von <strong>der</strong> Seele geschrieben;<br />

Druck abgelassen, ich wäre fast am Überdruck geplatzt. Jetzt bin<br />

ichs los, jetzt kann ich wie<strong>der</strong> neu anfangen.“<br />

2. Wirkung: Biographien verschaffen an<strong>der</strong>en Zugänge zu fremden, noch<br />

unbekannten Lebenswelten, z.B. von Menschen in Krisen, in Arbeitslosigkeit,<br />

angesichts von Krankheit u.a.<br />

Biographen können als Zugehörige einer sozialen Gruppe – als sog. darin beheimatete<br />

Einheimische – an<strong>der</strong>e einführen in noch unerlebtes, bisher tabuisiertes<br />

fremdes Land. Sie machen an<strong>der</strong>en ihre sog. normabweichende Sozialisation<br />

verfügbar und hinterfragen damit zugleich <strong>der</strong>en eigene Norm.<br />

Am Beispiel einer Arbeitshypothese eigener Forschung: „Es besteht ein Zusammenhang<br />

zwischen ansteigen<strong>der</strong> struktureller ‚Versorgung‘ in totalen Institutionen<br />

und abnehmen<strong>der</strong> mitmenschlicher ‚Sorge‘.“<br />

Im Spiegel eines Biographen: „Das ist viel grausamer, als ich es jemals gedacht<br />

habe: ‚krebskrank!‘ – das schaffst Du schon, hab ich so bei mir gedacht;<br />

aber daß die dann so mit Dir umgehen, daß die mich so behandelt haben:<br />

angstvoll, ablehnend, angewi<strong>der</strong>t, abgeschoben als ob ich Aussatz hätte; und<br />

nirgendwo ein Angebot, eine persönliche Ansprache o<strong>der</strong> gar eine Aussprache,<br />

nirgendwo auch nur eine Spur von Annahme ...“.<br />

3. Wirkung: Das veröffentlichte biographische Material – auch ‚oral-history‘<br />

– verän<strong>der</strong>t/relativiert Geschichtsschreibung, z.B. die Darstellung<br />

lebensunwerten Lebens im Dritten Reich.<br />

Die mündlichen Geschichten von Menschen aus bisher tabuisierten Bereichen<br />

sind Träger eines bisher verleugneten und vergessenen Eigentums. Ihre tief<br />

am Boden des Bewußtseins abgelagerten, aber langjährigen aufgeschichteten<br />

Erfahrungen gilt es, durch Anstöße zum ‚Sich-Erinnern‘ an die Lebensgeschichte<br />

während des Dialogs im Forschungsprozeß behutsam abzutragen,<br />

sie anzusprechen (auf Band zu sprechen), aufzuschreiben und letztlich öffentlich<br />

werden zu lassen; das ist ein Beitrag dazu, Geschichtsschreibung zu<br />

verän<strong>der</strong>n, sie zu relativieren.<br />

Am Beispiel einer Arbeitshypothese eigener Forschung: „Es besteht ein Zu-

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