Wirtschaftsrecht II - Studentenverbindung Concordia Bern
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Prof. Dr. Roland von Büren WS 1998/99<br />
Version vom 7. Mai 2001 <strong>Wirtschaftsrecht</strong> <strong>II</strong><br />
Anhang: Wenn die GmbH zur AG werden<br />
will<br />
Neue Zürcher Zeitung WIRTSCHAFT Montag, 28.12.1998 Nr. 300 15<br />
Aus dem Bundesgericht<br />
Wenn die GmbH zur AG werden will<br />
Umwandlung ohne Auflösung und Fusion zulässig<br />
fel. Lausanne, 27. Dezember<br />
Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) kann ohne vorgängige Auflösung und Liquidation<br />
in eine Aktiengesellschaft (AG) umgewandelt werden. Dies erlaubt ein neuer Grundsatzentscheid<br />
des Bundesgerichts, obwohl ein derartiger Vorgang im geltenden Recht (noch)<br />
nicht vorgesehen ist. Laut dem einstimmig gefällten Urteil der I. Zivilabteilung sprechen die<br />
Bedürfnisse der Wirtschaft und die Privatautonomie für mehr Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht.<br />
Eine Gesellschaft kann ihre juristische Form wechseln, indem ihre Auflösung und Liquidation<br />
beschlossen und anschliessend eine neue Gesellschaft gegründet wird. Dieses Vorgehen ist<br />
rechtlich unproblematisch, aber reichlich kompliziert. Wesentlich einfacher sind die übertragende<br />
Umwandlung, bei welcher lediglich eine Auflösung, aber keine Liquidation erfolgt, und<br />
vor allem die formwechselnde Umwandlung, bei welcher die alte Gesellschaft nicht einmal<br />
aufgelöst wird, sondern lediglich ein neues juristisches Gewand erhält. Beide Formen der Umwandlung<br />
sind indes für den Wechsel einer GmbH zu einer AG im Gesetz nicht vorgesehen.<br />
Aus Sicht des Bundesgerichts ist jedoch nicht davon auszugehen, dass der historische Gesetzgeber<br />
im Jahre 1936 auch für die Zukunft jede Umwandlung verbieten wollte, für die keine<br />
ausdrückliche gesetzliche Grundlage besteht.<br />
Aus diesem Grund lässt das Bundesgericht die Umwandlung einer GmbH in eine AG ohne vorgängige<br />
Auflösung und Liquidation unter bestimmten Voraussetzungen zu. Zunächst einmal<br />
muss das Kapital der GmbH vollständig liberiert sein, weil sich die solidarische Haftung der<br />
Gesellschafter (Art. 772 Abs. 2 und 802 Obligationenrecht) nicht in das Recht der AG übertragen<br />
lässt. Das Kapital muss überdies im Zeitpunkt der Umwandlung vollständig gedeckt sein,<br />
was eine entsprechende Bilanz sowie für Sacheinlagen die Bestätigung eines Revisors erfordert<br />
(Art. 634 Ziff. 3, 635 Ziff. 1 und 635a Obligationenrecht). Weiter verlangt das Bundesgericht,<br />
dass das Gesellschaftskapital gegebenenfalls auf das gesetzliche Minimum von 100 000 Franken<br />
erhöht wird (Art. 621 Obligationenrecht). Schliesslich müssen die auf die GmbH zugeschnitten<br />
statutarischen Bestimmungen (Art. 777 Ziff. 2, 803 und 818 Abs. 2 Obligationenrecht)<br />
aufgehoben, alle für die AG notwendigen Änderungen vorgenommen sowie der<br />
Verwaltungsrat und die Revisionsstelle bezeichnet werden.<br />
Anzumerken bleibt, dass die nun per Gerichtspraxis zugelassene Umwandlung einer GmbH in<br />
eine AG ohne vorgängige Auflösung und Liquidation sowohl im Vorprojekt für ein Fusionsgesetz<br />
als auch im Expertenprojekt für eine Revision des Rechts der GmbH vorgesehen ist.<br />
Urteil 4A.2/1998 vom 20. 11. 98 – BGE 125 <strong>II</strong>I 18.<br />
vii