Deutsch im Gespräch - Daf Daz Tagung
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test für MigrantInnen gibt es jedoch noch weniger Aufgabenformen als in PhonePass,<br />
nämlich<br />
110<br />
1. Nachsprechen von Sätzen (Sätze mit 2 bis 13 Wörtern; 23 St<strong>im</strong>uli);<br />
2. Kurze Antworten auf Fragen wie «Ist der Januar ein Tag oder ein Monat?»<br />
(13 St<strong>im</strong>uli);<br />
3. Zu einem gehörten Wort das Gegenteil nennen (z. B. St<strong>im</strong>ulus «tief»,<br />
erwartete Antwort «hoch»; 9 St<strong>im</strong>uli).<br />
Die Tests werden automatisch per Computer ausgewertet. Im Auswertungsalgorithmus<br />
wird erstens berücksichtigt, was gesagt wird: Wird das erwartete<br />
Wort gesagt, entspricht der wiederholte Satz dem Satzbau <strong>im</strong> St<strong>im</strong>ulus?<br />
Auswertungskriterien sind also Wortschatz und bedingt «Satzbau». Zweitens<br />
wird ausgewertet, wie etwas gesagt wird; gemessen werden Aussprache<br />
und Flüssigkeit. Dies sind Bereiche, die heute mit Hilfe der Spracherkennung<br />
vom Computer recht zuverlässig ausgewertet werden können. Insgesamt sind<br />
es also 45 unter Aufsicht ins Telefon gesprochene Antworten auf künstliche<br />
Aufgaben, die darüber entscheiden, ob die mündlichen Holländischkenntnisse<br />
ausreichen, um ins Land einreisen zu können oder <strong>im</strong> Land bleiben zu dürfen.<br />
Es gibt in diesem Test noch zwei Aufgaben, in denen die Prüflinge aufgefordert<br />
werden, das Gehörte nachzuerzählen. Allerdings werden diese zwei<br />
Aufgaben, bei denen die Prüflinge jeweils 30 Sekunden freier sprechen müssen<br />
und können, nicht ausgewertet und für das Ergebnis der Prüfung nicht berücksichtigt.<br />
Es wirkt fast zynisch, wenn es <strong>im</strong> Bericht zur Testentwicklung heisst,<br />
die KandidatInnen würden absichtlich nicht darüber informiert, dass diese zwei<br />
Aufgaben für die Bewertung keine Rolle spielen. Man wolle die Anweisungen<br />
nicht verkomplizieren und verhindern, dass die Kandidaten dann diese zwei<br />
Aufgaben auslassen. Aber man brauche die Aufzeichnungen für die Validierung<br />
des Tests, denn diese freieren Äusserungen könnten einen Eindruck vom<br />
Sprachniveau der Geprüften vermitteln (de Jong et al. 2005).<br />
Mit viel statistischem Aufwand wird aufgezeigt, dass sich hohe Korrelationen<br />
zwischen den Ergebnissen in diesem Telefontest und in anderen so genannt<br />
kommunikativen Tests und Lehrerbeurteilungen ergaben. Aber es bleibt<br />
mehr als fragwürdig, ob dieser Test valide ist, ob auf dieser Basis Aussagen<br />
darüber gemacht werden können, wie gut jemand in realen <strong>Gespräch</strong>ssituationen<br />
zurecht kommt. Ärgerlich ist, dass die Ergebnisse (die erreichten Punkte)<br />
in diesem künstlichen Test «übersetzt» werden in Deskriptoren des Referenzrahmens.<br />
Der Test ist zum Glück auch in den Niederlanden umstritten. Das Beispiel<br />
aber zeigt, wie gross die Versuchung ist, Tests einzusetzen, für die es keine<br />
menschlichen <strong>Gespräch</strong>partner und keine menschlichen Bewerter braucht. Ökonomisch<br />
gesehen ist das zwar der ideale Test für die Sprechfähigkeit. Aber<br />
können wir uns Tests zur Feststellung der <strong>Gespräch</strong>fähigkeit wünschen, bei<br />
denen kein <strong>Gespräch</strong> stattfindet?