Deutsch im Gespräch - Daf Daz Tagung
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«gemacht». Die Hexerei als diskursive Konstruktion. Zwischen den ursprünglichen<br />
Vorwürfen und den Verurteilungsgründen besteht in der Tat oft gar kein<br />
oder nur ein ganz loser Zusammenhang (vgl. Lüdi, 2006c). Gegenüber diesem<br />
gesellschaftlichen Diskurs, der <strong>im</strong>mer und <strong>im</strong>mer wiederholt wurde, war der<br />
einzelne ohnmächtig; auch Notable fielen ihm zum Opfer.<br />
Ohne einen direkten Vergleich herzustellen zu wollen, wagen wir die Hypothese,<br />
dass Migranten ebenso ohnmächtig wie die «Hexen» damals einem —<br />
abstrakten, entpersonalisierten — fremdenfeindlichen Diskurs gegenüberstehen.<br />
Dieser wird, wie Analysen in der Schweiz zur Zeit der «Schwarzenbachinitiativen»<br />
gezeigt haben, durch Äusserungen von Meinungsführern in die<br />
Öffentlichkeit getragen, durch die Medien reperkutiert und verbreitet, in der<br />
Abst<strong>im</strong>mungspropaganda demagogisch eingesetzt, am Stammtisch wiederholt<br />
(Ebel/Fiala 1977, 1983). Unabhängig von ihrer realen Basis — man denkt auch<br />
an die Mythen über Brunnenvergifter in verschiedenen geschichtlichen Epochen<br />
—, werden die darin festgehaltenen diskursiven Objekte und Zusammenhänge<br />
zur gesellschaftlichen Wirklichkeit.<br />
Dies funktioniert namentlich über die diskursive Konstruktion von kollektiven<br />
Identitäten. Diese stellen zugleich Eigen- und Fremdwahrnehmungen dar,<br />
werden über Diskurse und soziale Rituale geformt und bestehen zum grossen<br />
Teil aus Stereotypen (Trefas 2006). Man kann so die Beziehungen zwischen<br />
Sprachgruppen — in unserem Fall jener der Sprecher der Landessprache und<br />
jenen der Sprecher der Migrationssprachen — als gegenseitige Wahrnehmung<br />
zweier interagierender kultureller Systeme ansehen. Als Teil des Identitätskern<br />
findet man dann klassische Stereotype, welche als «<strong>im</strong>plizites Wissen (tacit<br />
knowledge)» breite Anerkennung finden (Polanyi 1966, Nonaka/Takeuchi<br />
1997), wobei Meinungsführer bei der Ausformung und Bereitstellung der öffentlich<br />
bekundeten Verständnisse eine wichtige Rolle spielen. Anzumerken ist<br />
noch, dass Elemente <strong>im</strong>pliziten Wissens als Bestandteile des Diskurses sehr<br />
beständig sind; sie werden in allen Gesellschaftssegmenten als — zwar nicht<br />
formalisiertes und nicht explizit formuliertes, aber gemeinsames — Wissen akzeptiert,<br />
welches sich eigenen Erfahrungen gegenüber als höchst resistent erweist.<br />
Wir vertreten hier die These, dass homoglossische Vorstellungen von<br />
Sprachgruppen und die genannten Elemente einer «Einsprachigkeitsideologie»<br />
ein solches «<strong>im</strong>plizites Wissen» darstellen, welches die Wahrnehmung der jeweiligen<br />
Anderen massgeblich mitprägt. Und zwar wohlgemerkt nicht nur von<br />
Seiten der Aufnahmegesellschaft, sondern auch von Seiten der Herkunftsgesellschaften<br />
der Migranten.<br />
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