Deutsch im Gespräch - Daf Daz Tagung
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auch einen kreativen, dynamischen Umgang mit der Mehrsprachigkeit. Im<br />
Hinblick darauf sei zunächst ein Blick auf den Migrationskontext geworfen (2.),<br />
bevor wir auf verschiedene D<strong>im</strong>ensionen von Sprach(ohn)macht eingehen (3.),<br />
Lösungswege skizzieren (4.) und eine kurze Bilanz ziehen (5.).<br />
2. Sprache und Migration<br />
Eine noch nie dagewesene räumliche Mobilität bringt Menschen mit unterschiedlichen<br />
Sprachen temporär oder längerfristig in Kontakt; namentlich städtische<br />
Regionen werden zunehmend mehrsprachig und multikulturell. Idealtypischerweise<br />
bedeutet jede Migration für die Betroffenen einen radikalen Wandel<br />
in ihrer Lebenswelt:<br />
12<br />
• Vorher lebten sie eingebettet in einer Gemeinschaft mit relativ stabilen<br />
sozialen Netzwerken (sc. «informal social relationships contracted by an<br />
individual» [Milroy 2 1987, 178]). Innerhalb dieser Netzwerke wurden<br />
gemeinsame Werte, Vorstellungen und Glaubensinhalte <strong>im</strong> Umgang mit<br />
relevanten Anderen diskursiv konstruiert und <strong>im</strong>mer wieder bestätigt<br />
oder angepasst. Stereotype erlaubten eine rasche Orientierung in jeder<br />
Situation. Vertraute sprachliche und non-verbale Signale manifestierten<br />
gegenseitig die Identität der Interaktionspartner.<br />
• Die Migration hat die sozialen Netzwerke nachhaltig verändert und teilweise<br />
zerstört. Die relevanten Anderen sind nicht mehr gegenwärtig,<br />
wenn man allenfalls von der Kernfamilie oder Angehörigen der gleichen<br />
Migrationskohorte absieht. In der Aufnahmegesellschaft gelten weitgehend<br />
andere, fremde Wertvorstellungen und Glaubensinhalte, an deren<br />
Konstruktion die Migranten nicht teilgenommen haben, z.B. in der<br />
Interaktion zwischen Lehrpersonen und Eltern oder Schülerinnen und<br />
Schülern. Alte Stereotype funktionieren nicht mehr, die verbalen und<br />
non-verbalen Identitätssignale können in vielen Fällen nicht mehr gelesen<br />
werden. Alle diese Probleme treten massiv stärker auf, wenn bei der<br />
Migration eine Sprach-und Kulturgrenze überschritten wurde.<br />
In dieser Situation müssen die Betroffenen eine bedeutende Arbeit leisten<br />
um neue soziale Netzwerke zu konstruieren, einen neuen Platz in der Sozialstruktur<br />
zu finden. Vieles geschieht an zentralen Knoten in «typical instances<br />
of key situations or speech events which are critical given our analysis of the<br />
social and ethnographic background» (Gumperz 1982, 8). Den aktiven Part<br />
übern<strong>im</strong>mt grundsätzlich der Migrant/die Migrantin selber, aber best<strong>im</strong>mte soziale<br />
Akteure in der Aufnahmeregion (Arbeitskollegen, Familienmitglieder, Personalverantwortliche,<br />
Vorgesetzte, Lehrpersonen, Verwaltungsangehörige,<br />
Verantwortliche religiöser Gemeinschaften usw.) spielen insofern eine entscheidende<br />
Rolle, als sie die Rolle neuer «relevanter Anderer» spielen, wenn<br />
sie die Neuankömmlinge orientieren, ihre Vorstellungen von der Aufnahmeregion<br />
beeinflussen und ihnen den Zugang zu bereits vorhandenen Netzwerken<br />
öffnen. Es sind nota bene diese Netzwerke, geschlossene oder offene, welche<br />
den Zugang zu sozial wünschenswerten, aber knappen Ressourcen schaffen;