Deutsch im Gespräch - Daf Daz Tagung
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teraktion sehr häufig. Als Beispiel möge der folgende, von Franceschini (1998)<br />
transkribierte Ausschnitt aus einem informellen <strong>Gespräch</strong> zwischen Italienern<br />
der zweiten Generation genügen (sie nennen diese Varietät <strong>im</strong> übrigen «Italoschwyz»):<br />
A: perché meinsch che se tu ti mangi Emmentaler o se tu ti mangi una fontina<br />
isch au en Unterschied, oder? schlussändlich è sempre dentro lì però il gusto isch<br />
andersch.<br />
B: è vero!<br />
Die Form von Sprachmischung hat aber auch bereits ihren Weg in die Literatur<br />
gefunden (vgl. Lüdi 2006b), so in Immacolata Amodeos Katzengeschichten:<br />
Ancora ein Lied auf der Flucht seconda edizione di un desiderio es gibt kein Zurück<br />
per motivi d'amore erweitert durchgesehen mit Fussnoten versehen Geschenkausgabe<br />
in Leinen diesmal nicht selbstgewebt der Rauch und die Wut non è<br />
tascabile meine Rettung qui.<br />
5. Versuch einer Bilanz<br />
Wir haben einen weiten Bogen durchschritten von der Forderung nach<br />
<strong>Deutsch</strong> <strong>im</strong> Pausenhof bis zur Hochachtung vor der Manifestation höchster<br />
mehrsprachiger Kompetenz in zweisprachigen Gedichten. Auf den ersten Blick<br />
lassen sich die beiden widersprüchlichen Aussagen kaum verbinden. Dem ist<br />
aber nicht so, wenn man konsequent eine polyglossische Perspektive auf eine<br />
Gesellschaft ann<strong>im</strong>mt, die sich weitgehend aus, in unterschiedlichster Weise,<br />
mehrsprachigen Individuen zusammensetzt. Es wäre falsch, die Sprachohnmacht<br />
von Migranten, ihre Entfremdung von ihrer Herkunft und ihre Verdrängung<br />
in Ghettos, Parallelgesellschaften oder sogar in die Delinquenz, eind<strong>im</strong>ensional<br />
der dominierenden Einsprachigkeitsideologie anlasten zu wollen.<br />
<strong>Daz</strong>u hat sie viel zu komplexe Ursachen. Aber viele der Ansätze der Integration<br />
von Zuwanderern scheitern tatsächlich daran, dass die Aufnahmegesellschaft<br />
nur gerade die Defizite in deren Kompetenz in der Aufnahmesprache<br />
sieht — und entsprechend <strong>im</strong>mer lauter die Forderung nach <strong>Deutsch</strong>kursen,<br />
<strong>Deutsch</strong>prüfungen u.ä. in den deutschsprachigen Ländern erhebt —,<br />
während andere D<strong>im</strong>ensionen verdeckt bleiben. Lösungen sind nur dann nachhaltig,<br />
wenn man die Probleme umfassend angeht. Notwendig sind politische<br />
Massnahmen und schulische Modelle, welche auf ein generelles «empowerment»<br />
bzw. die Überwindung der institutionalisierten Ungleichheit an Ressourcen<br />
zwischen Ortsansässigen und Zugewanderten wie beispielsweise Reichtum,<br />
Status, Ansehen oder (Sprach-)Macht innerhalb der Sozialstruktur der Aufnahmegesellschaft<br />
hinzielen. Daran, dass eine entscheidende Verbesserung<br />
der Kenntnisse der Zugezogenen in der Aufnahmesprache dazu gehört, besteht<br />
keinerlei Zweifel. Insofern ist die eingangs erhobene Forderung nach<br />
<strong>Deutsch</strong> in den Schulhöfen berechtigt. Aber sie deckt nur einen Teil der Probleme<br />
ab. Umfassendere Lösungen bedingen, von Seiten der Aufnahmegesellschaft<br />
ebenso wie von Seiten der Migranten selbst, ein Umdenken, eine Abkehr<br />
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