Deutsch im Gespräch - Daf Daz Tagung
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noch einmal massiv verstärken. Dies steht auch <strong>im</strong> Zusammenhang mit der<br />
Stellung der Sprachen <strong>im</strong> Wertesystem der Aufnahmegesellschaft.<br />
3.2. Von der Macht von Sprachen in der Gesellschaft<br />
Jeder politisch-ökonomische Raum ist geprägt von vielfältigen Sprachrepertoires<br />
(Dialekte, Soziolekte, Mehrheits- und Minderheitssprachen, lingua<br />
franca, etc.).<br />
18<br />
Zu einem best<strong>im</strong>mten Zeitpunkt eine spezifische Varietät zu verwenden, bedeutet<br />
für eine mehrsprachige Person die Gelegenheit, ihre sprachlichen Ressourcen in<br />
Funktion des geltenden Sprachwertsystems gewinnbringend auszunutzen.<br />
(Lüdi / Py 2003)<br />
Der Zugang zur Macht wird in diesem Zusammenhang einerseits von den<br />
Sprachkompetenzen des Individuums begrenzt, andererseits vom sozialen Status<br />
der Sprache(n) und Varietät(en), die er oder sie spricht. Viele Migrantinnen<br />
und Migranten sind durchaus sprachmächtig, aber sie sind es in der falschen<br />
Sprache. Um Erfolg zu haben, muss man genau die Varietät beherrschen, welche<br />
in der betreffenden Situation angemessen ist. Für Türkisch, Albanisch, Portugiesisch,<br />
Ukrainisch ist dies in den Aufnahmeländern ganz selten der Fall.<br />
Für Bourdieu (Bourdieu / Thompson 2001) ist die Macht einer Sprache —<br />
d.h. in unserem Zusammenhang die Macht, die dadurch entsteht, dass man<br />
die «richtige» Sprache oder Varietät beherrscht, — nicht in einer sprachlichen<br />
Logik begründet, sondern <strong>im</strong> Glauben der Akteure an die Legit<strong>im</strong>ation der autorisierten<br />
Sprecher, der wiederum aus den habituellen Dispositionen zur Anerkennung<br />
sozialer Autoritäten folgt. Unterschiedliche Sprachen — bzw. deren<br />
Sprecher — haben einen anderen Status, d.h. repräsentieren ein anderes<br />
symbolisches Kapital. In unserem Zusammenhang geht es um die einseitige<br />
Legit<strong>im</strong>ation der Aufnahmesprache — in der Regel in ihrer Standardversion,<br />
verbunden mit Schriftlichkeit — gegenüber anderen Sprachen <strong>im</strong> Repertoire<br />
mehrsprachiger Akteure.<br />
In einem bedenkenswerten Beitrag hat Hirsch (2001) <strong>im</strong> Anschluss an<br />
Derrida über das «Paradigma sprachlicher Gewalt, die als differentielle Bewegung,<br />
Zeitlichkeit und bedeutungsstiftende Kraft am Ursprung der Phänomenalität<br />
und Ordnung steht», am Beispiel der Schrift reflektiert. Derrida möge,<br />
meint er, «wenn auch nirgends in seinen Schriften explizit ausgeführt, das Paradigma<br />
der ‚Schrift’ an der Macht des Schriftdiskurses in der bürgerlichen Gesellschaft<br />
gewonnen haben. (...) [sc. in der Wissensgesellschaft] wird die<br />
Sprache überhaupt und die Schrift <strong>im</strong> Besonderen zum grundlegenden Kriterium<br />
für die Teilhabe am bonum commune (...). Ohne die Beherrschung von<br />
Schrift und Sprache ist bestenfalls eine Randexistenz dort möglich, wo sich die<br />
Technologien der Schrift (...) als vorrangiges Inklusions- und Exklusionskriterium<br />
für die soziale und ökonomische Existenz generieren.» (2001, 37) 4 Man<br />
4 Hirsch verweist dann allerdings auf die Vielst<strong>im</strong>migkeit (nach Bachtine) und meint:<br />
«Daher liesse sich auf die ‚Unreinheiten’, Vermischungen, Stottereien und st<strong>im</strong>mlosen