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Deutsch im Gespräch - Daf Daz Tagung

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der namhaften Vorteile der frühkindlichen Mehrsprachigkeit (mehrsprachige<br />

Kinder sind häufig kreativer, intelligenter, flexibler in ihrem Kommunikationsverhalten<br />

und sozial kompetenter als einsprachige mit denselben Profilen),<br />

empfiehlt sich eine möglichst frühzeitige Exposition gegenüber beiden Sprachen,<br />

z. B. <strong>im</strong> Rahmen von Krippen und Frühkindergärten. Gemäss neuesten<br />

Studien wird je nach frühkindlicher Sprachexposition ein unterschiedliches<br />

Sprachprozessierungssystem aufgebaut, welches wohl für die genannten Vorteile<br />

verantwortlich zeichnet. Der Zeitpunkt, an welchem dies nicht mehr möglich<br />

ist, ist sicher von Kind zu Kind unterschiedlich und nicht genau feststellbar,<br />

liegt aber jedenfalls in der frühen Kindheit. 11<br />

Ein Bekenntnis zu einer «Mehrsprachigkeitsideologie» bedingt auch ein<br />

Umdenken bei der Beurteilung der Formen des Sprachgebrauchs. Die neuere<br />

Kommunikationsforschung versteht die mehrsprachige Kompetenz als die Gesamtheit<br />

der Teilkompetenzen in allen Varietäten, über die eine Person verfügt<br />

und welche deren Repertoire darstellt. Kommunikative Kompetenzen sind extrem<br />

kontextsensitiv; <strong>im</strong> Lichte von aktuellen Konzepten, welche die kollektive<br />

D<strong>im</strong>ension von sozialer Handlung und Kognition betonen, ist davon auszugehen,<br />

dass sie <strong>im</strong> Rahmen praktischer Aktivitäten der Sprachbenutzer konstruiert,<br />

«formatiert» und <strong>im</strong>plementiert werden. Valorisiert werden dabei<br />

nicht zuletzt exolinguale und mehrsprachige Kommunikationstechniken. Dieses<br />

bedeutet auch — in Abkehr von «essentialistischen» Sprachvorstellungen, die<br />

seit Herder den meisten sprachwissenschaftlichen Modellen zugrunde liegen —<br />

die Hinwendung zum situierten, lokal ausgehandelten Gebrauch variabler und<br />

gemeinsamer sprachlicher Ressourcen <strong>im</strong> Rahmen vielfältiger mehrsprachiger<br />

Repertoires (Lüdi 2006a). Diese radikale Abkehr von individualisierenden, kontextfreien<br />

Vorstellungen von Sprachkompetenz, welche auch nicht isoliert von<br />

anderen Komponenten der Handlungskompetenz funktioniert (Pekarek Doehler<br />

2005), hat eine ganz besondere Bedeutung für unsere Überlegungen zur Integration<br />

von Fremdsprachigen, in dem nicht deren isolierte Sprachkompetenzen<br />

in Herkunfts- und Aufnahmesprache fokussiert werden, sondern<br />

das in der Interaktion gemeinsam verfügbare kommunikative Potential.<br />

In diesem Zusammenhang ist oft auch «mehrsprachige Rede» zu beobachten,<br />

nicht als Defizitform der Kommunikation, sondern als Form des<br />

Sprachgebrauchs die, sofern alle Interaktionspartner über die entsprechenden,<br />

mindestens passiven Ressourcen verfügen, in ganz besonderer Weise die<br />

mehrsprachige und multikulturelle Identität manifestiert. Eine virtuose Art, mit<br />

zwei oder mehreren Sprachen umzugehen, ist vor allem in der mündlichen In-<br />

kompetenz, von den Erwerbsmodalitäten und von der Distanz zwischen den beteiligten<br />

Sprachen.» (Lüdi / Py 2003)<br />

11 Frühe Mehrsprachige benutzen, wie ein Basler Forschungsprojekt ergab<br />

(http://pages.unibas.ch/multilingualbrain/ ; zuletzt geprüft: 10.05.2007) ein ausgedehntes<br />

frontales und präfrontales Netzwerk (Broca -Areal [BA 44/45], prämotorische<br />

und motorische Areale, dorsolateraler präfrontaler Cortex); diese Areale sind u.a. dafür<br />

verantwortlich, ein Konzept aus mehreren Alternativen zu wählen, und sie sinnvoll<br />

in einer zeitlichen Abfolge zu organisieren. Späte Mehrsprachige aktivieren eher<br />

posteriore Areale: Gyrus supramarginalis, pars inferior posterior (BA 40). Hier handelt<br />

es sich um ein mult<strong>im</strong>odales Integrationsgebiet mit sensiblen Kontrollfunktionen.<br />

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