Deutsch im Gespräch - Daf Daz Tagung
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kulturalität und dass Mehrsprachigkeit keineswegs eine perfekte Sprachbeherrschung<br />
voraussetzt, sondern bloß den regelmässigen Gebrauch von zwei<br />
oder mehr Sprachen in verschiedensten alltäglichen Situationen.<br />
Eine ganzheitliche Beurteilung der gesamten Sprachkompetenz der Migranten,<br />
welche nicht mehr als Addition zweier einsprachiger Kompetenzen, sondern<br />
als ein eigenständiges Ganzes erscheint (Grosjean 1985) führt auch zu<br />
einer Neubewertung realer sprachlicher Defizite. Wir werden darauf zurückkommen<br />
müssen, ebenso wie auf die notwendige Berücksichtigung der Herkunftssprache<br />
durch die Bildungssysteme. In der Tat erklärt Berthelier (1988)<br />
viele Probleme der Migrantenkinder zu Recht durch eine Entfremdung von ihrer<br />
Muttersprache (und damit von ihrer Herkunftskultur), weil diese völlig aus dem<br />
Bildungssystem ausgeschlossen seien: « le problème, pour ces enfants, est<br />
donc celui d’une déprivation de la langue (et, à travers elle, de la culture) maternelle<br />
liée à son exclusion totale de l’appareil pédagogique (…).»<br />
Migranten und namentlich deren Kinder müssen m.a.W. in ihrer realen<br />
oder potentiellen Mehrsprachigkeit ernst genommen werden, und nicht auf die<br />
Herkunfts- oder die Aufnahmesprache reduziert werden. Um diese Forderung<br />
besser zu verstehen, soll vorerst aber einen Moment über das Verhältnis zwischen<br />
Sprache und Gewalt, Sprache und Macht — und eben auch über den<br />
Begriff «Sprachohnmacht» — nachgedacht werden. Wir möchten dies in drei<br />
Schritten tun und zunächst über den Sprachgebrauch in der Interaktion reflektieren,<br />
bevor wir uns der Frage des Verhältnisses zwischen der durch Mehrsprachigkeit<br />
geprägten Gesellschaft und ihren Sprachen zuwenden und<br />
schliesslich auf die Ohnmacht gegenüber diskr<strong>im</strong>inierenden öffentlichen Diskursen<br />
eingehen.<br />
3. Sprach(ohn)macht<br />
3.1. Macht, Gewalt und Sprachgebrauch<br />
Ein heute <strong>im</strong>mer bedeutender gewordener Teil der Soziolinguistik (deren<br />
Arbeitsgebiet generell die Vielfalt der in einer Gesellschaft gesprochenen Varietäten<br />
und die dadurch generierten / manifestierten sozialen Unterschiede sind)<br />
nennt sich «Interaktionale Soziolinguistik” und handelt davon, wie die Sprache<br />
von den Partnern in der Interaktion <strong>im</strong> Detail verwendet wird, wie die sequentielle<br />
Organisation der <strong>Gespräch</strong>e gehandhabt wird, wie diskursive Kohärenz<br />
hergestellt wird und schliesslich, welcher Zusammenhang zwischen diesen Mikro-Prozessen<br />
und allgemeineren Ungleichheiten in der Gesellschaft existiert, ob<br />
allenfalls Formen des Sprachgebrauchs die Unterschiede erzeugen, bestätigen<br />
oder ausgleichen können. Um das sprachliche Verhalten von Dialogpartnern in<br />
Sprechsituationen zu verstehen, muss man beobachten, wie ihre Kommunikation<br />
in größere Handlungszusammenhänge eingebettet ist, wie sprachliche<br />
Handlungen zur Verständigung, zur Kooperation oder zum Konkurrenzkampf<br />
eingesetzt werden und woran es liegt, dass Kommunikation gelingt oder misslingt.<br />
Dabei ist zu untersuchen, wie sich die spezifischen Umstände der Situati-<br />
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