Deutsch im Gespräch - Daf Daz Tagung
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nomene, temporale Variablen und Versprecher analysierten. Die Sprecher<br />
wurden <strong>im</strong> Hinblick auf ihr Sprechverhalten auch in Interviews und Fragebögen<br />
befragt. In allen Untersuchungen wurde deutlich, dass L2-Sprecher in hohem<br />
Maße dazu tendieren, die Muttersprache zum Ausgangspunkt der Formulierungen<br />
in der L2 zu machen. Sie formulieren ihre Äußerungen in der Muttersprache<br />
vor, obwohl sie dann besonders große Probleme bei der Umsetzung in die<br />
Fremdsprache bekommen.<br />
Die Gründe hierfür lassen sich leicht erkennen: Es wird vorformuliert, weil<br />
die Lerner nicht über das automatisierte Formulierungsvermögen der Muttersprache<br />
verfügen. Sie gehen davon aus, dass sie ihre Gedanken auf diese Weise<br />
besser entfalten können. Gleichzeitig erwarten sie, dass sie dadurch auch<br />
sprachliche Vorteile haben. Sie nehmen an, dass sie durch das Wort-für-Wort<br />
Übersetzen der komplexen muttersprachlichen Strukturen ein höheres sprachliches<br />
Niveau erreichen. Das gelingt aber nur selten, weil die Sprachkompetenz<br />
in der L2 nicht ausreicht, um die muttersprachlichen Strukturen angemessen<br />
wiederzugeben.<br />
Es ist davon auszugehen, dass be<strong>im</strong> zweitsprachlichen Sprechen alle Planungsprozesse<br />
bis hin zur Konstituentenebene auf der Grundlage von Wissenskomponenten<br />
vor sich gehen, die durch die Muttersprache und die eigene<br />
Kultur geprägt sind. Dies ist natürlich auch eine Erklärung für die Transfer-<br />
und Interferenzerscheinungen, die wir in der Lernersprache beobachten können.<br />
Für das Schreiben hat Krings (1989) ähnliche Erkenntnisse gewonnen,<br />
obwohl bei Schreibprozessen mehr Zeit zur Verfügung steht.<br />
L2-Sprecher bemühen sich aber auch darum, strategische Verhaltensweisen<br />
aus der Muttersprache in die Fremdsprache zu übertragen. Besonders<br />
häufig finden wir z.B. vorgefertigte Routinen – sogenanntes Inselwissen – das<br />
sie einsetzen, um Zeit für andere Planungsprozesse zu gewinnen. Diese islands<br />
of reliability ermöglichen es dem Lerner, mehr Zeit auf die fremdsprachliche<br />
Detailplanung zu verwenden. Dies findet sich häufig auch in der Muttersprache<br />
(z.B. die Sag-ich-mal-Formulierung von Fußballspielern und Politikern bei Interviews).<br />
In der psycholinguistischen Forschung konnte auch nachgewiesen werden,<br />
dass Lerner Inhalte reduzieren, um sie versprachlichen zu können. Aber auch<br />
Elaborierungen finden sich. Das hat etwas mit dem Gesicht-wahren-wollen zu<br />
tun, das gerade bei Lernern sehr wichtig ist. (Eine detaillierte Darstellung des<br />
zweitsprachlichen Sprechens findet sich in Wolff 2002.)<br />
3.2 Erkenntnisse der Zweitsprachenerwerbsforschung<br />
In der L2-Forschung wurde das Verhalten von Lernern stärker aus einer dialogischen<br />
bzw. multilogischen Perspektive untersucht. Im Mittelpunkt der Untersuchungen<br />
standen Daten, die bei Interaktionen von Muttersprachlern mit<br />
L2-Lernern gewonnen wurden. Diese Daten wurden vor allem <strong>im</strong> Hinblick auf<br />
die Frage untersucht, auf welche Weise der L2-Lerner seinen sprachlichen Defiziten<br />
in der L2 begegnet.<br />
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