Radikale Realpolitik - Rosa Luxemburg Stiftung
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Frigga Haug<br />
Revolutionäre <strong>Realpolitik</strong> – die Vier-in-einem-Perspektive<br />
Vorspann<br />
In ihrem Hexenroman »Amanda« schreibt Irmtraud Morgner zu unserer Problematik<br />
einer revolutionären <strong>Realpolitik</strong>. Sie teilt das unruhige Frauenvolk in zwei<br />
Gruppen, eine, die am Tage Reformpolitik betreibt, also in kleinen Schritten die<br />
Bedingungen der Massen zu verbessern trachtet und eine zweite, die Streiks organisiert,<br />
anarchistisch Anschläge macht, revolutionäre Schriften verteilt… Nachts<br />
treffen sich beide Gruppen als Hexen auf dem Blocksberg und berichten einander<br />
von ihren Taten. So studiert jede Gruppe unaufhörlich die Kräfteverhältnisse und<br />
ihre durch sie mit bewirkten Veränderungen, um ihre jeweilige Politik darauf einzustellen.<br />
<strong>Rosa</strong> <strong>Luxemburg</strong> arbeitet über diese Problematik in ihren gesamten Schriften,<br />
wenngleich der Begriff »revolutionäre <strong>Realpolitik</strong>« nur einmal explizit vorkommt.<br />
Ich möchte im Folgenden zeigen, wie der Gedanke nicht nur ihre politische Tagesarbeit,<br />
ihre Zeitungsartikel und ihre Agitation bestimmt, sondern auch, wie auf<br />
dieser Grundlage von ihr gedacht wird, was Partei ist, was Staat, Parlamentarismus,<br />
Revolution, Diktatur und Demokratie, Kapitalismus und Sozialismus.<br />
Revolutionäre <strong>Realpolitik</strong>: Begriffsbestimmung<br />
Lesen wir zunächst im Artikel zu Karl Marx (Vorwärts, 14. März 1903), in dem<br />
der Begriff genannt und zugleich als Grundlage ihrer Politik bestimmt wird, ein<br />
Zitat, das zur ständigen Überprüfung und Referenz hier vollständig wiedergegeben<br />
und in den einzelnen Punkten erläutert ist:<br />
»Vor allem aber, was gibt uns einen Maßstab bei der Wahl der einzelnen Mittel<br />
und Wege im Kampfe, zur Vermeidung des planlosen Experimentierens und kraftvergeudender<br />
utopischer Seitensprünge? Die einmal erkannte Richtung des ökonomischen<br />
und politischen Prozesses in der heutigen Gesellschaft ist es, an der wir<br />
nicht nur unsren Feldzugsplan in seinen großen Linien, sondern auch jedes Detail<br />
unseres politischen Strebens messen können.«<br />
<strong>Luxemburg</strong> spielt zunächst auf die historische Erfahrung der Utopisten an und<br />
findet sie kritisch auf die Füße gestellt und ersetzt durch Wissenschaft durch Engels,<br />
auch Marx, was wir besser als Rückbindung der flüchtenden Wünsche an<br />
wirkliche menschliche Praxis bezeichnen können und erweitern durch die Marx-<br />
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