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Radikale Realpolitik - Rosa Luxemburg Stiftung

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18<br />

Lege den Finger auf jeden Posten<br />

Frage: Wie kommt er hierher?<br />

Du mußt die Führung übernehmen.<br />

Als Frage bleibt: Wie und von wem wird revolutionäre <strong>Realpolitik</strong> gemacht? Die se<br />

Frage zunächst nach den Adressaten und Subjekten solcher Politik entschlüsselt in<br />

ihrer Beantwortung zugleich, wie <strong>Luxemburg</strong> Staat, Partei, Parlament und Revolution<br />

denkt und belegt, dass revolutionäre <strong>Realpolitik</strong> zentrale Achse ihres Denkens<br />

und ihres politischen Entwurfs überhaupt ist.<br />

Adressatin und also Subjekt solcher Politik ist die Partei ebenso wie ihre Abgeordneten,<br />

die im Parlament in Reformpolitik verwickelt sind. Angesprochen wird<br />

das Volk – nicht bloß die Arbeiter. Ihre Vorschläge bleiben auch hier aktuell.<br />

Zunächst zur Aufgabe und Stellung der Parlamentarier: <strong>Luxemburg</strong> skizziert<br />

die Ent stehung und Funktion des Parlaments als Errungenschaft der Bürger mit<br />

allen Formen, die erhaltenswert sind, wie Rechtsstaatlichkeit, Freiheit der Presse<br />

und der Meinung, Demokratie, Wahlrecht. Das Bürgertum schuf das Parlament im<br />

Kampf gegen den Feudalismus. Nach dem Sieg über den Feudaladel sei es im<br />

Grun de für die Bürger funktionslos geworden. Aber kraft des Wahlrechts betrat<br />

das Pro letariat die parlamentarische Bühne. So wurde sie eine andere.<br />

Erste Aufgabe der proletarischen Abgeordneten wurde es, das Parlament im<br />

klaren Wissen darum, dass es sich um eine bürgerliche Errungenschaft handelt,<br />

gegen die ständige Bedrohung durch die Bürger zu schützen – wie dies etwa heute<br />

gegen Notstandsgesetze, Einschränkung von Freiheiten, «Lauschangriffen« usw.<br />

geschehen muss.<br />

Daraus folgt als zweite komplizierte Aufgabe, zugleich parlamentarisch tätig zu<br />

sein – also um jeden Posten zur Verbesserung der Lage der Bevölkerung zu kämpfen;<br />

dabei aber auch immer zu zeigen, dass das Parlament selbst von kapitalistischer<br />

Herrschaft bedroht und die eigentliche Macht woanders ist und daher die<br />

anstehenden Aufgaben nicht innerkapitalistisch gelöst werden können, dass also<br />

perspektivisch Umwälzung angesagt ist. Für diese Botschaft dient das Parlament<br />

als Bühne, von der gewissermaßen zum Fenster hinaus gesprochen werde. Das<br />

Parlament hat also für die Parlamentarier die Funktion, Hegemonie zu gewinnen,<br />

wie Antonio Gramsci dies später nennen wird.<br />

<strong>Luxemburg</strong>s empfohlene Haltung ist die des Hantierens mit Widersprüchen:<br />

Die Parlamentarier müssen für Verbesserungen im System streiten und für Systemveränderung<br />

kämpfen. Dafür bedarf es eines Standpunktes, der weiß, dass die Geschicke<br />

anderswo regiert werden, der nicht dem Irrtum aufsitzt, das Parlament für<br />

politisch allein entscheidend zu halten und die Parlamentarier für die wichtigsten<br />

Akteure. Eine Tugend der Parlamentarier wäre demnach persönliche Bescheidenheit<br />

mit der Unbescheidenheit, die Umwälzung der gesamten Verhältnisse für<br />

möglich zu halten. <strong>Luxemburg</strong> schärft ein, dass sich transnationale Kapitale des<br />

Parlaments als Ja-Sagemaschine bedienen. Daher dürften die Abgeordneten der

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