Radikale Realpolitik - Rosa Luxemburg Stiftung
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leer stehen lassen und an den Meistbietenden verkaufen, und aus Nachbarn werden<br />
auch keine bösen Menschen, nur weil man sie für die eigene Not verantwortlich<br />
machen soll.<br />
Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu<br />
können (Nietzsche)<br />
Und indem wir genau das alles erkennen, werden wir zum Risiko für das Kapital<br />
und nehmen ihm seine Kraft. Wir sind schlauer als das Kapital, wir haben keine<br />
Feindbilder mehr, aber wir sind gegen eine kapitalistische Organisation der Stadt,<br />
und darum sind wir das Risikokapital, das die Mechanismen der Konkurrenz durch<br />
Solidarität ersetzt und die Wahrheit ausspricht und dafür einsteht.<br />
Wir brauchen keine weiteren Bürotürme, wir wollen zu preiswerten Mieten hier<br />
leben und den öffentlichen Raum nutzen, wie es uns passt. Die Stadt hat sich entwickelt<br />
als Reproduktionsbedingung des Kapitals, aber gleichzeitig ist sie der Ort,<br />
an dem die ganze Ungerechtigkeit zu sehen ist und an dem wir uns gemeinsam<br />
dagegen wehren können und neue Organisationsprinzipien gestalten.<br />
Und so genießen wir unsere gemeinsame Kraft des Miteinanders, des Offenseins,<br />
der willkommenen Geste für alle, die sich bei uns einreihen. Die Entwicklung<br />
von MediaSpree kann als ein radikal linkes Projekt gestaltet werden. Wir sind<br />
schon alle da, mit unserem Protest, den brennenden Autos, den autonomen Gebieten,<br />
den Hausbesetzern und den Freiraumbesetzern, den interkulturellen Gärten,<br />
den Mieterprotesten und der ganzen Wahrheit über die Hintergründe der Investoren<br />
und mit dem Bürgerentscheid am 13. Juli 2008.<br />
Ein radikal linkes Projekt fängt da an, wo man der kapitalistischen Logik etwas<br />
entgegensetzt, z. B. zivilen Ungehorsam, den Kampf um das Recht, in dieser Stadt<br />
und an diesem Ort zu verbleiben und ihn gemeinsam zu nutzen. Radikal links<br />
heißt, alles in Frage stellen zu dürfen, was der Kapitalismus uns vorgibt. Und dazu<br />
brauchen wir ein Miteinander, eine offene Konfliktkultur und den Spaß am Konflikt.<br />
Wenn keiner mehr auf seiner Meinung beharrt, dann verlassen wir die Sachlogik<br />
und damit auch die post-neoliberale Spielwiese. Aber dazu müssen alle Fragen<br />
erlaubt sein, kein Paradigma, das uns gefangenhält. Gemeinsam fangen wir an, einen<br />
Ort zu gestalten. Aber eins schalten wir aus: die Privatinteressen, die den<br />
Grund und Boden zu einer Ware machen.<br />
Okay – es gibt Baugenehmigungen, und es gibt Finanznöte, aber das alles erklärt<br />
nicht, warum es nur einen Plan geben kann und nur eine, in der Regel männlich<br />
dominierte Entscheidergruppe. Und warum soll es nicht möglich sein, das,<br />
was ein Nachbar auf dem Grundstück an der Friedrichstraße an Millionenklage<br />
geschafft hat – das benachbarte Hotel hatte wegen Nachbarschaftsrechten gegen<br />
den Senat geklagt, weil der mit seiner Baugenehmigung die Beeinträchtigung der<br />
Qualität des Hotels verursachte; der Senat musste viel Geld dafür zahlen –, auf<br />
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