Radikale Realpolitik - Rosa Luxemburg Stiftung
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Gabi Zimmer<br />
Die Europäische Union neu erfinden:<br />
linker Irrtum oder radikale <strong>Realpolitik</strong>?<br />
Das Wort von der Krise in der Europäischen Union macht nach dem irischen Referendum<br />
zum Lissabon-Vertrag in den Institutionen, den Regierungen der Mitgliedsstaaten,<br />
aber auch in den Kommentierungen zahlreicher Medien die Runde.<br />
In den Debatten des EP in den letzten Tagen reichte die Reaktion jener, die fest<br />
mit einem Ja der Iren zum Lissabon-Vertrag rechneten, von aggressiven Beschuldigungen<br />
bis hin zu Trauerreden. Es wurde offenkundig, dass die Kluft zwischen<br />
den Regierenden, ihren Institutionen der EU und den Bevölkerungen mit der Zuspitzung<br />
gesellschaftlicher Probleme gewachsen ist.<br />
Wut, Zorn, Enttäuschung und auch Verachtung angesichts wachsender Nahrungsmittel-,<br />
Energie- und Treibstoffpreise, steigender Armut in den Mitgliedsstaaten,<br />
unsicherer Jobs, die als Bedrohung empfundene Finanzmarktkrise, das<br />
Gefühl, als Einzelne/r, Angehörige/r einer Minderheit, eines kleineren Landes an<br />
den Rand gedrängt zu werden, nicht beteiligt zu sein, sind nicht zu überhören. In<br />
Irland fühlte die Mehrheit der Beschäftigten, der Frauen, der jungen Generation,<br />
aber auch der Angehörigen der Mittelklasse, dass sie mit einem »Ja!« zum Lissabon-Vertrag<br />
kaum etwas gewinnen, aber Einiges verlieren könnten. Sie entschieden<br />
sich für ein »Nein!« zu einem Typ von Entwicklung, Liberalisierung und Modernisierung<br />
wie ihn die Europäische Union repräsentiert: die Reden von<br />
Chancengleichheit, die mit wachsender Konkurrenz und »mehr Markt« einhergehen;<br />
die offizielle Forderung nach mehr individueller Verantwortung für das eigene<br />
Leben und das Leben der Familienangehörigen ohne jegliche Garantie, dieser Verantwortung<br />
überhaupt nachkommen zu können; ein Kurs auf Modernisierung, der<br />
soziale Existenzen und natürliche Lebensgrundlagen gefährdet.<br />
Die Regierenden hätten es vorher wissen können, ja wissen müssen. Nicht nur<br />
Umfragen durch Eurobarometer haben signalisiert, dass das Vertrauen der Bürger<br />
und Bürgerinnen in fast allen EU-Mitgliedsstaaten in die europäischen Institutionen<br />
in den letzten Jahren drastisch gesunken ist und sich in den Augen vieler<br />
Bürgerinnen und Bürger das Europäische Sozialmodell und damit die EU insgesamt<br />
in einer tiefen Glaubwürdigkeits- und Legitimitätskrise befinden.<br />
Erste Reaktionen der politischen Eliten auf das Votum in Irland<br />
Nachdem sich die ersten Aufgeregtheiten gelegt haben, lassen sich nunmehr drei<br />
Aspekte der politischen Eliten im Umgang mit dem irischen Nein erkennen:<br />
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